
Public Image Ltd. - End of world
PiL Official / CargoVÖ: 11.08.2023
Apokalypse Punk
Allzu gut meint es das Jahr 2023 bislang nicht mit John Lydon. Zunächst blieb dem Sex-Pistols-Veteran eine Teilnahme am Eurovision Song Contest verwehrt, als er mit Public Image Ltd. beim irischen Vorentscheid den Kürzeren zog – und das, obwohl "Hawaii" eine untypisch sanfte Ballade mit jenseitigem Südsee-Flair war. Ungleich schwerwiegender: Im April verstarb Lydons seit Längerem demenzkranke Frau, der er den Song gewidmet hatte – ein letzter Gruß an die Liebste, der nun das elfte Studioalbum seiner Band beschließt. Unterkriegen lässt sich der dienstälteste britische Punk, der selbst nie einer sein wollte, von diesem Schicksalsschlag allerdings noch lange nicht: Schlechtfinden, Rummeckern und Vor-den-Kopf-Stoßen beherrscht Lydon auch mit 67 tadellos. Doch ruft er das "End of world" aus, entbehrt das nicht einer gewissen Ironie.
Seit dem 2015er-Vorgänger "What the world needs now ..." inszenierte sich der Mann nämlich als Befürworter von so einigem, das die Welt nicht gerade besser gemacht hat – vor allem Brexit und Donald Trump. Die Person John Lydon bleibt also eine zwiespältige, was seit der Reunion von Public Image Ltd. zuweilen auch für seine Platten gilt. Da sticht dynamisches Post-Punk-Gesense zielsicher ins Schmerzzentrum der Gesellschaft, sind ungelenke Dance-Anwandlungen und plakativer Schweinerock manchmal aber auch zu viel des Guten – im Titelstück etwa verschwindet das kehlige Organ beinahe hinter Lu Edmonds' überakzentuiert plärrenden Riffs. Der verschleppte Stampfer "Penge" drängt aus dem Londoner Südosten ähnlich vorlaut in Richtung kämpferische Overdrive-Hymne, hat aber den besseren Song im Gepäck – auch wenn der stärkste erst noch folgt.
Die Rede ist von der fiebrigen Elektro-Walze "Car chase", bei der Lydon als ausgebüxter Psychiatrie-Insasse johlend die Infrastruktur unsicher macht. Schmatzt, groovt und knarzt – Punk oder nicht, so geht ein Hit. Als solcher geriert sich auch "Being stupid again", das annähernd industriell mit Reverb-Effekten wuchert und den Sänger voll und ganz in seinem Pöbel-Element zeigt. Aber irgendwie auch in der Tradition reaktionärer Mittsechziger, die beleidigt jugendliche Aktivisten verlachen und vegetativ von ihren Steuergeldern faseln. Launiger treiben es der janglige, mit Zweizeilern wie "You smell like a bag of mice / Hope to never see you twice" hantierende Club-Track "Pretty awful" oder das groovige "Walls", das die Gitarre zunächst funky klackern und dann bluesig verhallen lässt. Und plötzlich steht auch Subtilität Public Image Ltd. gut zu Gesicht.
Doch auch "End of world" hat ein wenig mit der eigenen Inkonsistenz zu kämpfen, wenn "Strange" oder "Down on the clown" bis auf magere Instrumentierung und Vocal-Ad-Libs kaum über eine Dub-nahe Bass-Schlagzeug-Figur hinausgehen. Jede Menge "Dirty murky delight" setzt es dafür im gleichnamigen Stück, das über 40 Jahre nach "This is Radio Clash" listig in der Ursuppe des Rap-Rock rührt, oder bei "L F C F", einem giftigen Rant gegen die Ex-Kollegen, die 2021 die gemeinsamen Songs für Danny Boyles Mini-Serie "Pistol" an Disney verhökerten – so zumindest Lydons Wahrnehmung. Erst im verhinderten ESC-Beitrag macht er seinen Frieden mit dem Leben, dem Tod und vielleicht auch mit dem Ende der Welt. Und sollte die Apokalypse bald kommen, kann man dabei zu diesem Album prima die Trümmer aufsammeln. Denn schön war's im Grunde doch.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Penge
- Car chase
- Walls
Tracklist
- Penge
- End of the world
- Car chase
- Being stupid again
- Walls
- Pretty awful
- Strange
- Down on the clown
- Dirty murky delight
- The do that
- L F C F
- North West passage
- Hawaii
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Armin
2023-08-16 21:02:50- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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