The Underground Youth - Nostalgia's glass

Fuzz Club / Cargo
VÖ: 18.08.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Wie die Motten zum Licht

Manchmal ist das so: Eine Band existiert seit geraumer Zeit und kann auf eine umfangreiche Diskografie zurückblicken – auf Plattentests.de sucht man sie aber vergeblich. Das führt in der Folge nicht nur mitunter zu Entrüstungsstürmen im Forum, sondern auch zu Überschriften wie dieser. The Underground Youth sind ein ähnlicher Fall: 2008 gegründet und damit noch nicht so lange am Start wie The Brian Jonestown Massacre, aber mit beachtlichen elf Alben auf dem Kerbholz, von vergleichbaren psychedelischen Ausdünstungen beseelt und nun auch mit einer Rezension bedacht. Das Line-Up wechseln Frontmann Craig Dyer und seine Frau Olga genauso munter durch wie Anton Newcombe, was am diesigen Sound jedoch nichts ändert: Ausgelatschter Shoegaze, knörmelige Twangs und Post-Punk treten sich auf den wunden Füßen herum, und obwohl der gebürtige Mancunian Dyer inzwischen in Berlin lebt, würde seine Band genauso gut in das verrauschte, proto-punkige New York der ausgehenden sechziger Jahre passen.

Oder genauer gesagt: in das von The Velvet Underground, die auch im Namen des Quartetts mitschwingen. Darauf einen guten Schluck aus "Nostalgia's glass" – irgendetwas Bewusstseinserweiterndes wird schon drin sein. Und wenn nicht, gibt es immer noch diese zehn Songs, die mehr oder weniger den gleichen Effekt haben und wie der Opener "Émilie" zu selbstvergessenen Gitarrenfiguren und schlürfendem Gesangsvortrag oft leicht angetütert neben der Spur herhumpeln. Als wäre Moe Tucker bei The Jesus And Mary Chain eingestiegen, um auch auf ihre alten Tage mit Sonnenbrille im Dunkeln zu einer nuscheligen, latent ramponierten Schummer-Ballade Standschlagzeug spielen zu können. Nach diesem delikat verstolperten Beginn kommt "I thought I understood" auf Anhieb prächtig ins Rollen, ehe sich in "Finite as it is" jaulende Leads und raues Feedback vom gleichen Samtvorhang umpuscheln lassen und das Stück schließlich in einer Lärmschlaufe landet. Und schon hängt der Noise-Pop-Himmel voller gerissener Saiten.

Besonders viel Zucker gibt Dyer seinem inneren Lou Reed in der wunderbaren Lo-Fi-Miniatur "Another country", wenn die Kesselpauke grollt und die Vocals zweistimmig in die zum Schneiden dicke Luft entschweben – knappe drei Minuten spröde Sixties-Seligkeit, die in der Folge immer schwerere Melancholie hinter sich herziehen: Die fein gesponnenen Akustik-Akkorde des Titelstücks könnten auch aus David Tibets Neo-Folk-Ecke mit Gothic-Familienanschluss herüberwehen, "Frame of obsession" gönnt sich abschließend immerhin eine unsanfte Kreischsägen-Eruption. Zuweilen droht "Nostalgia's glass" gegen Ende ob seiner Fragilität jeden Moment ächzend zu kollabieren – wäre da nicht das zwar gedrückte, aber auch hymnisch ausformulierte Dream-Pop-Prachtexemplar "The allure of the light", das alles zusammenhält, bis die letzten Piano-Tupfer von "Epilogue" verklungen sind. Der gravitätische Schlusspunkt eines dunklen Albums, auf das man dennoch fliegen sollte wie die Motten zum Licht. Manchmal ist das so.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Finite as it is
  • Another country
  • The allure of the light

Tracklist

  1. Émilie
  2. I thought I understood
  3. Finite as it is
  4. Another country
  5. Frame of obsession
  6. Interlude
  7. Nostalgia's glass
  8. The allure of the light
  9. Omsk lullaby
  10. Epilogue
Gesamtspielzeit: 35:18 min

Im Forum kommentieren

Sloppy-Ray Hasselhoff

2023-08-20 14:44:53

Haben wie auf jedem Album einige schöne Shoegaze-Stampfer dabei, aus denen sich eine schöne Best-Of zusammenzimmern lässt.

Armin

2023-08-16 21:03:23- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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