
Treeboy & Arc - Natural habitat
ClueVÖ: 07.07.2023
Das zweite Debüt
Viel hätte nicht gefehlt, und Sammy Robinson und George Townend wären in den Top Ten gelandet. Was dagegensprach? Hauptsächlich, dass beide schon 2019 bei den ebenfalls im nordenglischen Leeds beheimateten Post-Punks Yard Act ausgestiegen waren, um sich auf ihre Band Treeboy & Arc zu konzentrieren. Während die Ex-Kollegen mit "The overload" die heimischen Charts aufrollten, guckten Treeboy & Arc jedoch in die Röhre: Kaum war das eingetütet, was ihr Debüt hätte werden sollen, verhinderte die Pandemie sowohl Veröffentlichung als auch Promotion und Tour. Und als das Quintett zwei Jahre später noch einmal ein Ohr riskierte und feststellte, wie abgestanden das Ganze plötzlich klang, gab es nur eins: alles über den Haufen werfen und wieder von vorne anfangen. Das erste Album von Treeboy & Arc ist genau genommen also bereits ihr zweites – und da liegt vermutlich auch der Grund, warum die Band darauf so souverän wirkt, als sei sie längst mit allen Brackwassern des Post-Brexit New Wave gewaschen.
So nennt man es neuerdings nämlich, wenn Gruppen wie Ditz, Italia 90 oder Life die soziale Schieflage in Großbritannien mit eiskalt schneidenden Gitarren und patzigem Granteln begleiten. Und wo Yard Act listig mit Andrew-Weatherall-Rave und HipHop mauscheln, schlagen Treeboy & Arc im Einstieg "Midnight mass" ihr "Natural habitat" per elektronischem Sprotz-Intro in der Nähe von Kaiser Chiefs' "Everyday I love you less and less" auf – wenn auch weitaus weniger gut gelaunt, denn Grund zur Humorlosigkeit gibt es genug. Vor allem im bassig schiebenden "Retirement", in dem Ben Morgan angesichts prekärer Scheißjobs schon mit Mitte 20 Rente holen will und seine Gitarre zu leicht schadhaftem Groove angewidert aufjaulen lässt. Genauso unrund humpelt das aschgraue "False objects" daher, klaubt sich dann um ein stoisches Plärr-Riff wieder zusammen und entpuppt sich schließlich als vorzügliche, auf Stahlsaiten aus Stacheldraht eingefräste Abwärtsspirale von einem Song. Unmissverständliche Befehle von ganz unten.
Und wenn die Briten diesem Album zwei derart schleppende Rattenschwänze vorausschicken, kann das im Grunde nur heißen, dass sie neben dem temporeichen Opener noch genug Zündstoff in der Hinterhand haben. "Box of frogs" tarnt sich nur anfangs als klebriger Schleicher und schwingt ab der Mitte die frisch gewetzte Post-Punk-Sense, "Virtual reality check" und "Character building" hetzen sich in kantigem Schweinsgalopp gegenseitig um den abgeranzten Wohnsilo, während das dynamische "Human catastrophe" dem rigiden, mit The Strokes kumpelnden Rhythmusgerüst eine Krautwickel-Tamponade verpasst. Und was sagen beziehungsweise maulen Treeboy & Arc über ihr eigenes Habitat? "Over the weekend I had an epiphany / It's such a privilege to live in this city / With all you people so well-intentioned / And all of those we failed to mention." Sarkasmus? Fatalismus? Heimatliebe? Alles auf einmal? Möglich, aber auch unwesentlich, solange man mit "Natural habitat" auch prekäre Scheißjobs und soziale Schieflagen übersteht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Retirement
- Human catastrophe
- Character building
Tracklist
- Midnight mass
- Retirement
- Virtual reality check
- Box of frogs
- Human catastrophe
- False objects
- Character building
- Behind the curtain
- Winter of existence
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Glufke
2023-07-14 23:02:39
Klingt aufs erste Ohr ganz vielversprechend, auch wenn es erstmal nicht aus den vielen aktuellen Post-Punk-Veröffentlichungen heraussticht. Die Verbindung zu Yard Act hört man schon, wobei das hier wesentlich düsterer ist.
MM13
2023-07-14 18:44:25
klingt bisschen wie der männliche gegenpart von dry cleaning,mit etwas mehr melodie im sprechgesang,fürs erste eine 7/10
Armin
2023-07-13 17:00:59- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Treeboy & Arc - Natural habitat (3 Beiträge / Letzter am 14.07.2023 - 23:02 Uhr)