Queens Of The Stone Age - In times new Roman...
Matador / Beggars / IndigoVÖ: 16.06.2023
Audio ergo sum
""In times new Roman…" "Villains" come "...Like clockwork"!" Wie meinen? Klar, schon zu Zeiten der alten Römer konnte man die Sonnenuhr danach stellen, dass die Bösewichter aus ihren Löchern gekrochen kommen, sobald es was zu holen gibt – oder so ähnlich zumindest. Queens Of The Stone Age und ihr Frontmann Josh Homme jedenfalls haben die letzten drei Alben offiziell zu einer Trilogie erhoben und feiern heuer deren Abschluss. Quo vadis, Joshua? Wurde zuletzt noch beschwingt im Studio mit Mark Ronson getanzt, um die existentielle Schwere abzuschütteln, die "…Like clockwork" so äußerst elegant zelebrierte, gibt es nun zum größten Teil auf die Glocke: Die skelettierten Riffs von "Era vulgaris" treffen auf den Schalk und Schmiss von "Rated R" und manchmal sogar die Dampframme aus "Songs for the deaf". Dazu gesellt sich ein bestens aufgelegter Homme, der, nun ja, Bock auf (Psych-)Rock, kryptische Dichtkunst und ordentlich Beckenarbeit hat – gemeint ist hier nicht das Schlagzeug – sowie hörbar einen wieder etwas zugänglicheren Ansatz verfolgen möchte. Oder wie es in "Negative space" heißt: "There's gotta be some way back to Earth." "In times new Roman…" klingt gleichzeitig frisch und nach alten Zeiten, destilliert vieles, was Queens Of The Stone Age seit jeher auszeichnet. Vor allem groovt es wie Bolle, wie schon der simple, aber dramatische Chorus von "Emotion sickness" im Vorfeld angekündigt hatte. "Baby don't care for me / Had to let her go." Konsequenz ist Trumpf.
Omne initium difficile est: "I am making music for all stereotypes", zu Beginn ist eine doch eher irreführende Äußerung. "Obscenery" rumpelt freudig los wie umkippender Sperrmüll, Homme fordert Seltsamkeiten wie "Jihad me", die "consequences, schmonsequences" kümmern ihn nicht, und der Song glänzt durch einen edlen, einigermaßen archetypischen Refrain. "Ain't it a little strange?" Absolut, aber darauf haben ja schließlich alle gewartet. "Paper machete" stolpert auf einem Powerchords-Riff mitten hinein in ein schiefes Gniedelsolo, kann in Sachen Drive mit "Go with the flow" mithalten und geht ab wie Schmidts Katze auf Steroiden. Generell kommt die Band diesmal oft direkt und lässig auf den Punkt. So unverschämt gute Laune wie in "What the peephole say" findet sich sogar selten in der Diskografie der Kalifornier. "No time in life for shit / Tonight is the night!" Nuff said. Dass Hommes Wortspiele mittlerweile gewisse Dad-Joke-Dimensionen angenommen haben (man siehe auch Vokabeln wie "Technolojesus" oder ganze Songtitel wie "Carnavoyeur"), sei ihm gegönnt, denn es passt ausgezeichnet zu dem grauen Bart, den er neuerdings voller Überzeugung spazieren trägt. Barba decet virum! Hüftsteif ist hier nix. Wäre dann schließlich auch schwierig, immer noch den Elvis zu machen.
Weitaus Roboter-mäßiger als die vorangegangenen Dicke-Eier-Rocker präsentieren sich die duellierenden Licks aus "Time & place", dem klassische Verse-Chorus-Verse-Schemata zu öde sind und das sich in einen psychedelischen Rausch steigert, weil Homme vermutlich die falschen Pilze goutiert hat. Errare humanum est! Zu den Glanzleistungen der Bandgeschichte zählt der Track zwar nicht, unterstreicht aber, wie sehr sich das Quintett auf's Bauchgefühl verlässt. Auch "Made to parade" hängt irgendwo zwischen seinen fiependen Lead-Gitarren in der Schwebe und bleibt janz weit draußen, wagt sich schlussendlich sogar an einen recht gefälligen, späten Chorus. "Run like a rabbit / Run as fast as you can!" Die verdrogt-benebelte Komponente, die "In times new Roman…" neben den Kloppern genüsslich auskostet, findet ihren Höhepunkt in "Sicily" zu beinahe Drone-artigem Slide-Riff und anzüglichen Schilderungen von feuchten Tagträumen. Trips wie dieser geraten aufregender als das doch eher auf Nummer sicher gehende "Negative space" und die etwas betrübtere, vorsichtigere Single "Carnavoyeur". "And there's nothing I can do / Except enjoy the view / When there's nothing I can do / I smile." Bleibt ja auch nicht viel Anderes übrig als das und die Musik.
Der krönende Abschluss "Straight jacket fitting" täuscht zunächst handelsüblichen Alternative-Rock an, fällt in den folgenden neun Minuten aber zunehmend dem Wahnsinn anheim, droppt den mysteriösen Albumtitel und ebbt erst ab, bevor er zu Oper wird. Erschöpfung macht sich breit, und schließlich darf auch die Akustische zum Einsatz kommen, während sich die Nacht über die Dünen senkt und die Geier über den Kakteen und verdursteten Wanderern kreisen. Alea iacta est: Nun ist eigentlich alles wieder beim Alten. Das achte Album des Kollektivs Queens Of The Stone Age gehört ganz den Gitarren, die Keyboards und Synths wurden samt Mark Ronson in die "Obscenery" – oder, höhö: die Wüste – geschickt, und auch im Tunnel von "…Like clockwork" finden sich nur noch sandige Fußspuren. Stumpf oder albern ist es trotz dem intuitiveren Ansatz dennoch nicht geworden, sonst hieße es vermutlich "In Comic Sans…", dafür aber schwitzig, brutal laut, high as a kite und natürlich viel zu cool für diese Welt. Gut für Homme, gut für die Fans und für alle anderen auch. Venit, vidit, vicit!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Paper machete
- What the peephole say
- Sicily
- Emotion sickness
Tracklist
- Obscenery
- Paper machete
- Negative space
- Time & place
- Made to parade
- Carnavoyeur
- What the peephole say
- Sicily
- Emotion sickness
- Straight jacket fitting
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Jaggy Snake
2023-11-12 17:22:45
Neid! Das klingt echt vielversprechend. Hoffentlich schauen sie in dieser Verfassung auch nochmal in Hamburg vorbei…
fuzzmyass
2023-11-12 16:18:10
Schön zu lesen... die Band scheint eine komplett neue Gelassenheit und Freude für sich entdeckt zu haben, ohne dass dies auf Kosten einer tighten und kraftvollen Performance gehen würde - genau dieser Eindruck zieht sich wohl bisher durch die gesamte Tour....
Bin trotzdem recht froh, dass in Frankfurt nicht halbnackte Dudes und fliegende Biere vorne dominiert haben, sondern auch genug Frauen da waren :D ;)
Ralph mit F
2023-11-12 13:11:06
Muss gestehen: Gestern in Düsseldorf (am 11.11. und ich musste durch Köln - die Verrückten!) wohl oder übel eine der Top 10 Shows, die ich bisher erleben durfte. Alter, wie krass die einfach waren.
"Regular John" als Opener, "Time & space" im Set (würde ich nachträglich nun doch als Highlight setzen), "Burn the witch" auf Publikumszuruf, in der Zugabe dann mein All-Time-Fave "God is in the radio". Kleinere Ausflüge wie "Into the hollow" mittendrin.
Josh hatte so dermaßen Bock, und die Crowd war mega. Höhepunkt natürlich "Straight jacket fitting", was sie auf 15 Minuten ausgedehnt haben und wo der Herr sich eine ordentliche Crowdsurfing-Aktion gegönnt hat. Wahnsinn.
Vorne rechts vor der Bühne ging's übelst rund, nur halbnackte Dudes am Ausrasten und fliegende Biere, ordentlich Grasdunst und zwischenzeitlich einfach pure Eskalation. Ein, joa, derbes "Rock'n'Roll"-Erlebnis, wenn man so will. Dass sowas heute überhaupt noch möglich ist.
Chron-o John
2023-11-09 23:33:18
Trifft meinen Eindruck zu hundert Prozent.
fuzzmyass
2023-11-09 23:29:26
Fand es in Frankfurt auch besser als das Villains Konzert in München damals - letzteres war okay, aber da war irgendwas nicht 100% in Ordnung... Sound nicht ideal und Josh Homme nicht mit echtem Spaß bei der Sache, den er bei der Clockwork Tour noch hatte... jetzt ist er wieder mit Freude am Werk...
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