Django Django - Off planet

Because / Virgin / Universal
VÖ: 16.06.2023
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Im Kometenschweif der Ich-Zersetzung

Laut Roland Barthes besteht die ganze Welt nur aus Zitaten. Django Django schienen das Ethos des französischen Philosophen verinnerlicht zu haben, als sie auf ihrem selbstbetitelten Debüt aus allerlei Verweisen eine faszinierende Psych-Pop-Collage strickten. Hört man eine gute Dekade später nun "Complete me", die einzige Single aus dem vierteiligen, nach und nach veröffentlichten EP-Zyklus "Off planet", der Django Djangos fünftes Album bildet, irritiert das dennoch. Von Vincent Neffs Stimme ist nichts zu vernehmen, stattdessen gleitet seine Landsfrau Self Esteem über ein fideles Stück Neunziger-Dance-Pop samt Breakbeats und House-Piano. Die repetitive Eingängigkeit und der Retro-Fetisch stimmen mit dem bisherigen Werk der Briten überein, der Rest eher nicht – als wäre im Rausch der Zitate alles Eigene verlorengegangen. Mit diesem Eindruck bildet der Song keine Ausnahme, steht vielmehr exemplarisch für eine Platte, die so einiges anders als ihre Vorgänger macht.

Es war das erklärte Ziel der vier Männer, ihre Identität als Band aufzulösen, und das gelingt ihnen über weite Strecken hervorragend. Der Opener "Wishbone" klingt noch einigermaßen vertraut: Neffs Organ hallt sich zur Selbstharmonie, während es ein Groove-Kokon aus Xylofon und Drumcomputer umschließt. Einzig die relaxte Atmosphäre deutet die folgende Zurückhaltung des Quartetts an. Nachdem bereits die vorigen Platten immer synthlastiger wurden, beruft sich Kreativkopf David MacLean nun ganz auf seine DJ-Wurzeln. Im Wesentlichen spielen Django Django auf "Off planet" nur eine Nebenrolle, steuern detaillierte, aber wenig Aufmerksamkeit beanspruchende Beats bei, über die sich eine Vielzahl internationaler Feature-Gäste mit dem aufdrückbereiten Stempel in der Hand austobt. Die neuseeländisch-belgische Sängerin Isabelle Woodhouse driftet auf dem nokturnalen Flackern von "Lunar vibrations" immer weiter ins All, ehe die japanische Rapperin Yuuko Sings in "Don't touch that dial" den zweiten Part mit dezent atonalem Hyper-Pop eröffnet.

Die dominante Präsenz der unterschiedlichen Künstler*innen fällt dabei keineswegs negativ ins Gewicht. Das von Patience unterstützte "Back 2 back" ist ein veritabler Hit, Jack Peñate erdet den Trompeten-befeuerten Disco-Drängler "No time" mit beschwichtigendem Soul. Interessanterweise sind es eher die Solo-Tracks von Django Django wie die nie wirklich zündende Leuchtrakete "Golden cross", die etwas abfallen. Über erschlagende 80 Minuten kann die EP-Sammlung ihre Qualität nicht aufrechterhalten, weil dafür zu oft die musikalischen Ideen und großen Hooks fehlen. Dass das Vorhaben der Identitätsdekonstruktion mit einer so deutlichen Soundveränderung einhergeht, ist weniger das Problem. Nur ihre Vorliebe für charmant-bekloppte Einfälle hätten die auf "Glowing in the dark" noch Klingelstreiche spielenden Schelme besser nicht vor dem interstellaren Abflug abgeben sollen.

Jegliche Enttäuschung verfliegt allerdings im letzten und besten Part, der aufzeigt, wie virtuos eine seriös weiterentwickelte Version der Band klingen kann. "Slipstream" verwandelt in bester Hot-Chip-Manier die Tanzfläche in Gelee, ohne je den Halt zu verlieren, bevor sich "Black Cadillac" mit Blues-Riffs, Geister-Orgeln und freidrehendem Saxofon ins obskure Nebenzimmer verdrückt. Ganz zum Schluss wartet mit "Gazelle" nicht weniger als einer von Django Djangos besten Songs überhaupt, in dem die Streicher zwischen Glitzerkugel-Begleitung und Prärie-Seufzer changieren und damit den wundersamen Brückenschlag zwischen früheren Großtaten und dem Hier und Jetzt markieren. Im Kometenschweif der Ich-Zersetzung fügen sich die abgestoßenen Fragmente des Eigenen wieder neu zusammen. Roland Barthes würde das gefallen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lunar vibrations (feat. Isabelle Woodhouse)
  • Back 2 back (feat. Patience)
  • Black Cadillac
  • Gazelle

Tracklist

  • Part 1
    1. Wishbone
    2. Complete me (feat. Self Esteem)
    3. Osaka
    4. Hands high (feat. Refound)
    5. Lunar vibrations (feat. Isabelle Woodhouse)
  • Part 2
    1. Don't touch that dial (feat. Yuuko Sings)
    2. Back 2 back (feat. Patience)
    3. Squid inc.
    4. Come down
    5. Golden cross
  • Part 3
    1. No time (feat Jack Peñate)
    2. A new way through
    3. Galaxy mood (feat. Toya Delazy)
    4. The oh zone
    5. Dead machine (feat. Stealing Sheep)
    6. Dumdrum
  • Part 4
    1. Fluxus
    2. Slipstream
    3. Who you know (feat. Bernardo)
    4. Black Cadillac
    5. Gazelle
Gesamtspielzeit: 79:56 min

Im Forum kommentieren

Chron-o John

2023-11-21 13:42:51

Ja, das war wohl nichts. Mit dem Album haben sich Django Django keinen Gefallen getan.

Bis auf Fluxus und Gazelle (in der PT-Kritik zurecht als einer ihren besten Songs beschrieben) kann ich dem Output auch nichts abgewinnen. Sehr schade, gehören sie doch zu meinen Lieblingsbands und bis auf jeweils ein, zwei Lieder je Album haben sie auch immer abgeliefert.

Hoffen wir, dass sich der Trend nicht fortsetzt und zu alten Tugenden gefunden wird.

Gordon Fraser

2023-11-17 12:45:35

Ziemlich übel. Mehr als zweimal wollte ich mich aber auch nicht durch diese endlosen 80 Minuten quälen. Thank u, next.

oldschool

2023-06-18 18:07:02

Habe das album nun einige Male gehört - nicht mehr wirklich mein Ding. Bisher mochte ich jedes Album. Das eine vielleicht etwas mehr als das Andere....aber mit dem hier kann ich wenig anfangen.

Chron-o John

2023-06-16 10:40:12

Die Vorab-Veröffentlichung des Albums in vier Teilen habe ich nur am Rande verfolgt und mir auch nur den ersten Teil angehört. Ich mag Django Django und finde alle Alben großartig, meine Reihenfolge dieser wäre:
01. Self-Titled
02. Glowing in the Dark
03. Born under Saturn
04. Marble Skies

Aber irgendwie wurde ich mit dem ersten Teil nicht wirklich warm. Einige Melodien sind toll, aber für die Songs sind für mich irgendwie zu club/house-lastig und experimentell. Vor allem die HipHop/Rap-Anteile sind mir ein Dorn im Auge, da sie echt nicht mein Genre sind. bei Gorillaz noch einigermaßen geduldet, gehört einfach dazu, finde ich es bei Django Django total unpassend.

Das komplette Album kenne ich demnach nicht, ich freue mich aber trotzdem darauf. Leider überschneidet sich der Release genau mit dem achten Album von QOTSA, dem ich den Vorzug lasse. Mal schauen, wie lange ich mich mit Times beschäftigen werde, bevor ich mich dann Off Planet widmen kann.

oldschool

2023-06-08 16:04:29

Tame Impala würde ich als referenz noch hinzufügen.
3 songs gehört.....hmmm....warte erst mal auf das Album. Bisher hält sich die Begeisterung in Grenzen

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