Foo Fighters - But here we are
Roswell / RCA / SonyVÖ: 02.06.2023
Blick nach vorn
"I've been hearing voices / None of them are you": Im März 2022 starb Taylor Hawkins, der langjährige Drummer von Foo Fighters. Lange Zeit war unklar, wie es mit einer der größten Rockbands unseres Planeten weitergehen sollte. Aber Frontmann Dave Grohl wäre nicht Dave Grohl, wenn er nicht für alles einen Ausweg im Ärmel hätte – oder zumindest ein Ventil, ein Pflaster, irgendetwas gegen den Schmerz eben. Schon das selbstbetitelte Debüt, welches das damals als "Ex-Nirvana-Drummer" bekannte Allround-Talent im Alleingang einprügelte, wurde aus Verlust geboren. Mit "But here we are" schließt sich nun in gewisser Weise ein gigantischer Kreis. Das elfte Foo-Fighters-Album steht nicht nur im Zeichen Hawkins', sondern verarbeitet auch den Tod von Grohls Mutter Virginia. Und ähnlich wie damals eine ungestüme Post-Grunge-Platte die Leere füllte, die Kurt Cobain zurückgelassen hatte, liefern Foo Fighters auch heute einen Rettungsanker in schweren Zeiten: Krankten "Sonic highways" und "Concrete and gold" noch an mangelnder Inspiration, spielt die Band nun befreit auf und liefert ein zwar selten spektakuläres, aber äußerst gelungenes Album ab, dem man die Hingabe – und die Last – in jeder Sekunde anhört. Es heilt vielleicht nicht. Aber es hilft.
Eigentlich wolle er nach dem ohnehin schon aus der Reihe tanzenden "Medicine at midnight" ein "wahnsinniges Prog-Album" kreieren, hatte Grohl 2022 noch frech angekündigt. Stattdessen besinnt sich die Band aber ganz auf ihre Stärken, dreht die Amps auf Anschlag und bleibt die meiste Zeit erfrischend bodenständig. "Under you", das ganz explizit Grüße an Hawkins aussendet, hätte sich auch gut auf "There is nothing left to lose" samt dessen verwaschenem Sound gemacht. Der Titeltrack schraubt sich wild und euphorisch nach oben, packt die altbekannten "Ooooh"s aus und stellt eindeutig klar, dass Foo Fighters sich trotz der Umstände nicht ins Jammertal zurückziehen möchten. Ähnlich konsequent kommt "Nothing at all" daher, dem nicht im Traum einfällt, einfach so klein beizugeben. Dennoch verfällt die Band nicht in tumbe Durchhalteparolen, sondern trotzt tapfer und überlegt allen Widrigkeiten. Richtig melancholisch wird es erst nach hinten raus: "You must release what you hold dear", fordert Grohl auf klassischer Steigerung im beatlesesken "Beyond me", bevor er sich zum Schluss doch noch ein wenig austoben will.
"Hey kid, what's the plan for tomorrow?": Wie man sich ganz Prog-mäßig an einen aus mehreren Teilen bestehenden Zehnminüter wagt, beweist die Band mit "The teacher". Nach etwa drei Minuten franst der Spannungsbogen zwar ein bisschen aus, aber es wird sowohl träumerisch, gar psychedelisch geschwelgt als auch halsbrecherisch gerockt, während Grohl Mutter Virginia verabschiedet (die tatsächlich bis zuletzt als Lehrerin gearbeitet hat). "You showed me how to breathe / Never showed me how to say goodbye." Auch das in diesem Sinne als Geschwistersong durchgehende "Show me how", in dem Foo Fighters tatsächlich gelungenen Dreampop wie aus dem Lehrbuch präsentieren, widmet sich der Verstorbenen und liefert mit Unterstützung von Grohls Tochter Violet am Mikro noch dazu einen echten "family effort". Das alles funktioniert tadellos – gegen derartige kleinere Experimente beeindrucken "The glass" oder der Opener "Rescued" weniger, sind aber immer noch grundsolides Foos-Futter. "Is this happening now?" Gelebt wird im Hier und Jetzt.
Im Studio eingetrommelt hat Grohl die Platte selbst, zur Live-Besetzung ist mittlerweile Profi-Schlagzeuger Josh Freese dazugestoßen. Aber schlussendlich gehört das Album ganz dem Frontmann. "Rest" zwischen Bedroom-Demo und erhabenem, beinahe schrägem Noise-Finale schüttelt sämtliche Fesseln ab und beschließt "But here we are" mit einer tröstenden Entwarnung: "You will be safe now." Die ganz, ganz großen Arena-Momente sind selten, Foo Fighters zeigen sich roh, direkt, unmittelbar. Dabei halten sie optimistisch die Köpfe über Wasser: Das erste Album unter den veränderten Umständen ist weder Requiem noch Nachruf geworden, sondern ein entschiedener Blick nach vorn. Und selbst wenn kein Meisterwerk entstanden ist, so bleiben doch ein Appell – "Gebt niemals auf!" – und ein freundlicher Reminder: nämlich, was Musik zu leisten imstande ist, wenn der Rest der Welt über einem zusammenbricht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Under you
- But here we are
- Show me how
- Rest
Tracklist
- Rescued
- Under you
- Hearing voices
- But here we are
- The glass
- Nothing at all
- Show me how
- Beyond me
- The teacher
- Rest
Im Forum kommentieren
Mr Oh so
2024-08-13 15:50:35
"Rest" hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen.
Oh ja, das tut es.
Ich finde bei den Foo Fighters interessant, dass sie sich immer wieder auch nach schwächeren Alben an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. War schon bei Wasting Light so (okay, das Album davor war nicht soo schlecht).
Robert G. Blume
2024-08-13 15:47:22
Ziemlich spät zur Party, da mich die Foos seit "Sonic Highways" eigentlich gar nicht mehr interessieren. Aber jetzt hab ich durch nen Zufall reingehört und ich finde das Album wirklich stark. "Rest" hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen.
Mr Oh so
2023-11-17 23:59:50
Ich finde Wahnsinn, was Grohl hier nochmal rausgehauen hat. Wie man den Schmerz und die Trauer in jeder Zeile spürt! Musikalisch zieht sich die Band am eigenen Schopf aus dem Sumpf und liefert ein Album voller teils wunderschöner Songs. Zumindest was die ersten 8 angeht. Dann kommt mit The Teacher ein echtes Highlight, bei dem ich nach 10 Minuten nur das Gefühl habe "Was schon vorbei?". Und dann Rest. Ich saß vorhin flennend im Auto. "Rest, you can rest now" - ich meine WTF!
jo
2023-06-30 08:51:56
Ja, hör' es mal zur Probe. Für mich ist der Unterschied schon ziemlich klar hörbar. Ist auch logisch, da meistens andere Masterings herangezogen werden.
MartinS
2023-06-29 23:56:04
Geht mir grundsätzlich auch so, aber erstens habe ich bei mir schlicht keine Möglichkeit, CDs abzuspielen und zweitens würde ich die Songs gerne mit weniger "übersteuertem" (oder so) Sound hören.
Ich glaub, da hilft nur der lokale Plattenladen zum Probehören.
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Foo Fighters - But here we are (134 Beiträge / Letzter am 13.08.2024 - 15:50 Uhr)
- Foo Fighters-Support für AIDS-Denial-Kampagne? (64 Beiträge / Letzter am 11.01.2024 - 11:46 Uhr)
- Foo Fighters (275 Beiträge / Letzter am 23.05.2023 - 20:44 Uhr)
- Foo Fighters - The essential Foo Fighters (4 Beiträge / Letzter am 30.11.2022 - 22:04 Uhr)
- Foo Fighters - The colour and the shape (22 Beiträge / Letzter am 09.04.2022 - 22:33 Uhr)
- Foo Fighters - One by one (101 Beiträge / Letzter am 04.04.2022 - 16:13 Uhr)
- Foo Fighters - Medicine at midnight (271 Beiträge / Letzter am 04.04.2022 - 10:10 Uhr)
- Foo Fighters live (186 Beiträge / Letzter am 31.03.2022 - 15:25 Uhr)
- Foo Fighters - Sonic highways (142 Beiträge / Letzter am 28.03.2022 - 18:03 Uhr)
- Dee Gees - Hail Satin / Foo Fighters - Live (12 Beiträge / Letzter am 22.08.2021 - 16:10 Uhr)
- Foo Fighters - Concrete and gold (81 Beiträge / Letzter am 09.11.2020 - 02:06 Uhr)
- Foo Fighters - Wasting light (329 Beiträge / Letzter am 09.09.2017 - 11:53 Uhr)
- Foo Fighters – Saint Cecilia EP (6 Beiträge / Letzter am 09.03.2016 - 20:03 Uhr)
- Was habt ihr eigentlich alle gegen die Foo Fighters? (110 Beiträge / Letzter am 03.08.2015 - 16:06 Uhr)
- Foo Fighters vs. Nickelback - Der Mainstreamrock-Krieg! (45 Beiträge / Letzter am 04.02.2013 - 12:51 Uhr)
- Foo Fighters - sind dann mal weg (10 Beiträge / Letzter am 03.10.2012 - 19:31 Uhr)
- Bruce Springsteen vs. U2 vs. Coldplay vs. Foo Fighters (23 Beiträge / Letzter am 07.08.2012 - 16:44 Uhr)
- Darf man die Foo Fighters ( noch ) gut finden? (15 Beiträge / Letzter am 12.07.2012 - 20:06 Uhr)
- Foo Fighters vs. Nirvana ( oder: Dave Grohl vs. Kurt Cobain ) (21 Beiträge / Letzter am 09.06.2012 - 18:15 Uhr)
- Foo Fighters - The color and the shape (100 Beiträge / Letzter am 02.02.2012 - 18:43 Uhr)
- Foo Fighters - Echoes, silence, patience and grace (237 Beiträge / Letzter am 13.09.2011 - 10:51 Uhr)
- Foo Fighters - Lanxess Arena Köln - 23. August 2011 (3 Beiträge / Letzter am 24.08.2011 - 13:30 Uhr)
- Bester Song von Foo Fighters (9 Beiträge / Letzter am 06.06.2011 - 17:32 Uhr)
- Foo Fighters - Mit welchem Album anfangen? (15 Beiträge / Letzter am 07.04.2011 - 22:46 Uhr)
- Foo Fighters - Greatest hits (47 Beiträge / Letzter am 13.12.2009 - 14:31 Uhr)
- Foo Fighters - There is nothing left to lose (34 Beiträge / Letzter am 05.04.2009 - 17:26 Uhr)
- Foo Fighters - Brain damage (2 Beiträge / Letzter am 19.03.2007 - 13:23 Uhr)
- Foo Fighters - Skin & bones Live-CD/DVD (27 Beiträge / Letzter am 01.01.2007 - 19:14 Uhr)
- Foo Fighters - In your honor (532 Beiträge / Letzter am 18.11.2006 - 11:12 Uhr)
- Foo Fighters - Five songs and a cover (EP) (13 Beiträge / Letzter am 04.01.2006 - 15:57 Uhr)
- Foo Fighters - In conversation / Maximum Foo Fighters (3 Beiträge / Letzter am 21.11.2005 - 09:45 Uhr)