Foo Fighters - But here we are

Roswell / RCA / Sony
VÖ: 02.06.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Blick nach vorn

"I've been hearing voices / None of them are you": Im März 2022 starb Taylor Hawkins, der langjährige Drummer von Foo Fighters. Lange Zeit war unklar, wie es mit einer der größten Rockbands unseres Planeten weitergehen sollte. Aber Frontmann Dave Grohl wäre nicht Dave Grohl, wenn er nicht für alles einen Ausweg im Ärmel hätte – oder zumindest ein Ventil, ein Pflaster, irgendetwas gegen den Schmerz eben. Schon das selbstbetitelte Debüt, welches das damals als "Ex-Nirvana-Drummer" bekannte Allround-Talent im Alleingang einprügelte, wurde aus Verlust geboren. Mit "But here we are" schließt sich nun in gewisser Weise ein gigantischer Kreis. Das elfte Foo-Fighters-Album steht nicht nur im Zeichen Hawkins', sondern verarbeitet auch den Tod von Grohls Mutter Virginia. Und ähnlich wie damals eine ungestüme Post-Grunge-Platte die Leere füllte, die Kurt Cobain zurückgelassen hatte, liefern Foo Fighters auch heute einen Rettungsanker in schweren Zeiten: Krankten "Sonic highways" und "Concrete and gold" noch an mangelnder Inspiration, spielt die Band nun befreit auf und liefert ein zwar selten spektakuläres, aber äußerst gelungenes Album ab, dem man die Hingabe – und die Last – in jeder Sekunde anhört. Es heilt vielleicht nicht. Aber es hilft.

Eigentlich wolle er nach dem ohnehin schon aus der Reihe tanzenden "Medicine at midnight" ein "wahnsinniges Prog-Album" kreieren, hatte Grohl 2022 noch frech angekündigt. Stattdessen besinnt sich die Band aber ganz auf ihre Stärken, dreht die Amps auf Anschlag und bleibt die meiste Zeit erfrischend bodenständig. "Under you", das ganz explizit Grüße an Hawkins aussendet, hätte sich auch gut auf "There is nothing left to lose" samt dessen verwaschenem Sound gemacht. Der Titeltrack schraubt sich wild und euphorisch nach oben, packt die altbekannten "Ooooh"s aus und stellt eindeutig klar, dass Foo Fighters sich trotz der Umstände nicht ins Jammertal zurückziehen möchten. Ähnlich konsequent kommt "Nothing at all" daher, dem nicht im Traum einfällt, einfach so klein beizugeben. Dennoch verfällt die Band nicht in tumbe Durchhalteparolen, sondern trotzt tapfer und überlegt allen Widrigkeiten. Richtig melancholisch wird es erst nach hinten raus: "You must release what you hold dear", fordert Grohl auf klassischer Steigerung im beatlesesken "Beyond me", bevor er sich zum Schluss doch noch ein wenig austoben will.

"Hey kid, what's the plan for tomorrow?": Wie man sich ganz Prog-mäßig an einen aus mehreren Teilen bestehenden Zehnminüter wagt, beweist die Band mit "The teacher". Nach etwa drei Minuten franst der Spannungsbogen zwar ein bisschen aus, aber es wird sowohl träumerisch, gar psychedelisch geschwelgt als auch halsbrecherisch gerockt, während Grohl Mutter Virginia verabschiedet (die tatsächlich bis zuletzt als Lehrerin gearbeitet hat). "You showed me how to breathe / Never showed me how to say goodbye." Auch das in diesem Sinne als Geschwistersong durchgehende "Show me how", in dem Foo Fighters tatsächlich gelungenen Dreampop wie aus dem Lehrbuch präsentieren, widmet sich der Verstorbenen und liefert mit Unterstützung von Grohls Tochter Violet am Mikro noch dazu einen echten "family effort". Das alles funktioniert tadellos – gegen derartige kleinere Experimente beeindrucken "The glass" oder der Opener "Rescued" weniger, sind aber immer noch grundsolides Foos-Futter. "Is this happening now?" Gelebt wird im Hier und Jetzt.

Im Studio eingetrommelt hat Grohl die Platte selbst, zur Live-Besetzung ist mittlerweile Profi-Schlagzeuger Josh Freese dazugestoßen. Aber schlussendlich gehört das Album ganz dem Frontmann. "Rest" zwischen Bedroom-Demo und erhabenem, beinahe schrägem Noise-Finale schüttelt sämtliche Fesseln ab und beschließt "But here we are" mit einer tröstenden Entwarnung: "You will be safe now." Die ganz, ganz großen Arena-Momente sind selten, Foo Fighters zeigen sich roh, direkt, unmittelbar. Dabei halten sie optimistisch die Köpfe über Wasser: Das erste Album unter den veränderten Umständen ist weder Requiem noch Nachruf geworden, sondern ein entschiedener Blick nach vorn. Und selbst wenn kein Meisterwerk entstanden ist, so bleiben doch ein Appell – "Gebt niemals auf!" – und ein freundlicher Reminder: nämlich, was Musik zu leisten imstande ist, wenn der Rest der Welt über einem zusammenbricht.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Under you
  • But here we are
  • Show me how
  • Rest

Tracklist

  1. Rescued
  2. Under you
  3. Hearing voices
  4. But here we are
  5. The glass
  6. Nothing at all
  7. Show me how
  8. Beyond me
  9. The teacher
  10. Rest
Gesamtspielzeit: 48:14 min

Im Forum kommentieren

Mr Oh so

2023-11-17 23:59:50

Ich finde Wahnsinn, was Grohl hier nochmal rausgehauen hat. Wie man den Schmerz und die Trauer in jeder Zeile spürt! Musikalisch zieht sich die Band am eigenen Schopf aus dem Sumpf und liefert ein Album voller teils wunderschöner Songs. Zumindest was die ersten 8 angeht. Dann kommt mit The Teacher ein echtes Highlight, bei dem ich nach 10 Minuten nur das Gefühl habe "Was schon vorbei?". Und dann Rest. Ich saß vorhin flennend im Auto. "Rest, you can rest now" - ich meine WTF!

jo

2023-06-30 08:51:56

Ja, hör' es mal zur Probe. Für mich ist der Unterschied schon ziemlich klar hörbar. Ist auch logisch, da meistens andere Masterings herangezogen werden.

MartinS

2023-06-29 23:56:04

Geht mir grundsätzlich auch so, aber erstens habe ich bei mir schlicht keine Möglichkeit, CDs abzuspielen und zweitens würde ich die Songs gerne mit weniger "übersteuertem" (oder so) Sound hören.
Ich glaub, da hilft nur der lokale Plattenladen zum Probehören.

fuzzmyass

2023-06-29 23:49:27

Das Album interessiert mich nicht stark genug um es mir auf Vinyl zu holen, aber die CD ist okay..

MartinS

2023-06-29 23:20:39

Ich hab sie bisher zwei mal gehört: Songs im Grunde gut, aber zumindest auf Spotify für mich unhörbar.
Ist das auf Vinyl wirklich so viel besser?

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