Torsun & The Stereotronics - Songs to discuss in therapy
Audiolith / Broken SilenceVÖ: 12.05.2023
Die Natur ist sein Feind
Nanu? Gab es etwa "Stresz" bei Egotronic? Also untereinander? Dass die Elektro-Punks um Frontmann Torsun Burkhardt nach außen hin nie einer Konfrontation aus dem Weg gegangen sind, ist schließlich hinlänglich bekannt. Woran es auch immer gelegen haben mag: Egotronic sind nicht mehr. Gute Gelegenheit für Burkhardt, zusammen mit seiner Ehefrau Sina Synapse und Mischpult- und Gitarren-Buddy Christian Schilgen eine neue Band zu gründen, deren Name sich, sagen wir, nicht komplett von dem der ehemaligen unterscheidet. Das gleiche gilt für die Musik auf "Songs to discuss in therapy" – nur dass das Cover mit einer Psychologen-Couch vor Regenbogenfarben eher auf Persönliches und Humanität hindeutet als darauf, neurechtem Gesocks die verdiente Hölle heißmachen zu wollen. Und doch gibt es Gravierenderes im Leben als diese richtigen und wichtigen Anliegen: Torsun Burkhardt ist unheilbar an Krebs erkrankt. Ein trauriger Umstand, vor dem alles andere ziemlich verblasst. Aber bitte kein (Selbst-)Mitleid.
Lieber macht der gebürtige Hesse unter leicht veränderten Bedingungen einfach weiter – und würdigt im Opener "Alles neu" zunächst die Zeit mit Egotronic. In einem sowohl knarzigen als auch schmeichelnden Bums-Track, der brennende Tourbusse, Online-Zusammenstöße mit deutschnationalen Widersachern und die quasi-familiären Bande zum Qualitätslabel Audiolith per Rap verhandelt. Ehre, wem Ehre gebührt. Auch wenn im Hinterkopf die bittere Gewissheit lauert, dass sich für Burkhardt der Satz "Die Natur ist Dein Feind" einmal mehr bewahrheitet hat. Unterkriegen lässt er sich davon aber noch lange nicht und sagt zu fidelem Flexipop-Gesprotze und mit der Gattin als zweiter Stimme freundlich "Hi", ehe das Titelstück als aufgekratzter 8-Bit-Rocker mit reingeschmuggeltem "Blue Monday"-Break die Beschissenheit der Dinge gewohnt deutlich abkanzelt: "Die Welt ist schlecht belichtet und scheiße eingerichtet / Intelligent Designer ist hier nun wirklich keiner." Gut zu hören, dass Burkhardt das Meckern immer noch nicht lassen kann.
Trotzdem geht sein Gesundheitszustand nicht spurlos an "Songs to discuss in therapy" vorüber. Das zeigt vor allem "Nicht OK", in dem sich der Sänger ein anrührendes Duett mit Synapse liefert und das Paar so eng wie möglich zusammenrückt. Das der Neuen Deutschen Welle nahestehende "D.A.R.E." hingegen rattert mit schiefem, fatalistischem Humor eine Medikamentenliste runter, beklagt quälende Schlaflosigkeit und gibt eine Art schräg grinsende Upbeat-Version von "Feel low", das Burkhardt und Synapse 2018 als Oxy Music aufnahmen. Es ist nun mal kein Schicksal so schlimm, als dass man es nicht mit Verachtung strafen könnte. Oder mit demonstrativ unbeugsam nach vorne gehendem Starkstrom-Punkrock wie "Hater" oder "Das ziehe ich jetzt durch", der dem gemäßigteren Vocoder-Clash "Viel zu viel" mit Getöse Beine macht. Käsigkeiten? Immer noch nicht das Ding von Burkhardt und seinen Mitmusiker*innen – auf einem wie üblich hochwertigen Album mit Tiefenschärfe. Hoffen wir, dass er uns noch lange erhalten bleibt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hi
- Songs to discuss in therapy
- D.A.R.E.
- Hater
Tracklist
- Alles neu
- Hi
- Songs to discuss in therapy
- D.A.R.E.
- Viel zu viel
- 5 Sonnenstunden
- Nicht OK
- Therapie
- Schlafanzuganalyse
- Hater
- Das ziehe ich jetzt durch
- Hallo Dad
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2023-05-11 11:58:48
Scheiße, hab das mit dem Krebs erst jetzt mitgekriegt :(
Egotronic war ne Woche vor dem ersten Lockdown noch das letzte Konzert auf dem ich 2020 war und hat mich in jüngeren Jahren auch viel begleitet.
Alles Gute Torsun!
Armin
2023-05-10 21:24:04- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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