
Fatoni - Wunderbare Welt
LOL / Groove AttackVÖ: 19.05.2023
Fragezeichen
Fatoni ist schon ein Guter. Wer hat keinen Respekt vor seinem Werdegang, für Deutschrap immerhin einmalig? Seit 2000 als Teil von Creme Fresh im HipHop, daneben Schauspiel-Studium ohne Abitur, Poetry-Slams und Erzieher-Ausbildung. Richtig ins Rollen kommt die Karriere erst in den 2010ern, als heimlicher Rap-Veteran wird Anton Schneider relativ spät zum Berufsmusiker. Das Erfolgsrezept besteht aus seinem Talent als Texter, Medienkompetenz, Fan-Nähe und insgesamt doch vielen klugen Haltungen. Ob auf Bühnen, in seiner Radio-Show oder mit Podcasts, Interviews, Filmen – Fatoni bleibt fleißig, er müsste nicht mal ein fünftes Solo-Album droppen, um im gehobenen Gespräch zu bleiben. Eine "Wunderbare Welt" liegt ihm zu Füßen, die neue Platte erfüllt auch alle Erwartungen, aber verfehlt ein wenig ihren Titel.
Der selbsternannte "König der Zweifler" punktet mit der Underdog-Story, die ihm gebührt. Zu offensichtlich ein Augenzwinker-Liebeslied, als dass es mitreißend oder gar sinnlich wirkt, dafür hebt es die Laune. Noch mehr Sympathien erntet "Mid 90s", das instrumental wohl eine Art Versöhnungsangebot an die HipHop-Hardliner der alten Schule darstellt. Klassischer Jazz-Rap mag anders sein, trotzdem ist dieser Track, mit vielen schönen Referenzen zur Pop- und Rap-Kultur sowie mitreißenden Jugenderlebnissen ("Mein Blut spritzt mir auf mein Shirt / ich hab mich nicht einmal gewehrt"), mehr als gelungen. Das hätte "Links rechts" auch sein können oder eigentlich müssen, denn die sanften Boom-Bap-Instrumentals von Dexter sind eine wunderschöne Vorlage, doch der hastige Abschluss geht knapp vorbei. Es soll Schellen verteilen, nur an wen überhaupt? Deutsche Rapper sind ekelhafte Sexisten, wissen wir, bloß wer ist gemeint? Warum ist der einzige konkrete Namedrop ausgerechnet Shirin David? Und wieso schließen sich Studentenrap, eine nicht so geile mittlere Reife und Dorfkneipen überhaupt aus? Genauso besteht das Album-Intro aus einer Reihe von offenen Fragen, auf die der Künstler bewusst keine Antworten haben will, quasi das Leitmotiv der Platte. Im Fokus stehen nette Schmunzler ("Dumm"), das Verarbeiten schlechter Erfahrungen ("Alle ziehen") oder auch die fast obligatorische Kritik am digitalen Zeitgeist ("Ich surfe"). Musikalisch bleibt das alles okay bis solide, wieder mal sind die Inhalte am interessantesten.
Viel besser jedoch funktioniert das ausufernde Storytelling bei "Pete". Hier geht es um Pete Best, einst Schlagzeuger bei Fatonis Lieblingsband, doch 1962 gefeuert und durch einen gewissen Ringo Starr ersetzt. Die bittere Geschichte des fünften Beatle erhält mit diesem Track einmal mehr späten, doch sehr rührend inszenierten Ruhm. Ebenso ans Herz geht "Mein junges Ich", das keine anderthalb Minuten lang ist und fast nur aus Gesang mit Gitarrenstück besteht. HipHop steht zwar thematisch im Mittelpunkt, doch es klingt so provokant nach Acoustic-Indie (oder wie es im Song heißt: Britpop), dass die selbstironische Rechnung tatsächlich voll aufgeht. Gerade diese beiden Tracks verdeutlichen, wie wunderbar dieses Album wirklich hätte sein können. Leider stehen dem entgegen schlimme Anti-Ohrwürmer wie "Fröhlich" oder der unangenehme Closer "Mit dem Taxi in die Therapie", dessen Kinderchor-Hook wohl für Happy-End-Stimmung sorgen soll, als Song dagegen mehr anstrengt als erhellt. Schade drum, denn "Wunderbare Welt" hat viele starke Momente, die leider zu oft von unnötigen Adlips verschluckt werden, in den oft zu strikten Reimschemata untergehen oder einfach zu kurz sind. Aber: Das geht absolut klar. Ein verspieltes Album mit kleineren Experimenten dürfen sich erfolgreiche HipHopper nun mal leisten. Fatoni geht es heute so gut wie noch nie, rappt er stolz im Closer, und das ist auch gut so. Er hat es sich halt verdient.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Mid 90s
- Pete
- Mein junges Ich
Tracklist
- Wunderbare Welt
- Du wartest (feat. Tristan Busch)
- Fröhlich
- Danke dass Du mich verlassen hast (feat. Danger Dan)
- König der Zweifler
- Mid 90s
- Alle ziehen
- Ich surfe
- Dumm (feat. Deichkind & Roger Rekless)
- Links rechts
- Pete
- Mein junges Ich
- Wär doch schlimm (feat. Max Herre & Mola)
- Mit dem Taxi in die Therapie
Im Forum kommentieren
Mawi09
2023-06-03 10:09:28
Ich fand die Singles echt stark, bis auf Danke dass du mich verlassen hast, was ich aber mittlerweile auch mag. Insofern finde ich den Anfang des Albums richtig gut. Dann fällt es aber leider ab. Entweder nervt mich der Sound (mid90s, alle ziehen, mit dem Taxi...) oder die Texte sind einfach nicht gut. Dumm macht Spaß aber der Text ist grausig. Ebenso links rechts. Ich surfe fügt nichts neues oder originelles zum Thema hinzu. Und am Ende plätschert das Album so aus. Wäre bei mir wohl ne 6/10 trotzdem noch.
Armin
2023-05-10 21:22:46- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2023-05-05 15:32:57- Newsbeitrag
FATONI feat. TRISTAN BRUSCH - DU WARTEST (Musikvideo)
Fatoni veröffentlich mit „Du wartest“ einen neuen Vorab-Song aus seinem kommenden Album „Wunderbare Welt“, das am 19. Mai erscheinen wird. Als Feature-Gast ist Tristan Brusch zu hören (und im Musikvideo zu sehen).
Kojiro
2023-03-13 20:09:42
Fürchterliche Schrott-Musik.
Kuki Luke
2023-03-13 19:49:38
Krass, als ob mich jemand nach der tollsten denkbaren Feat. Kombination gefragt hat und das dann tatsächlich umgesetzt hat.
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Referenzen
Spotify
Surftipps
- https://fatoni.shop
- https://de.wikipedia.org/wiki/Fatoni
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- https://www.laut.de/Fatoni
- https://www.discogs.com/artist/1708935-Fatoni
- https://www.filmmakers.eu/actors/anton-fatoni-schneider
- https://www.instagram.com/fatoniyo
- https://www.kkt.berlin/artist/fatoni
- https://www.last.fm/de/music/Fatoni
- https://www.allmusic.com/artist/fatoni-mn0002745404
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