Gothminister - Gothic electronic anthems
Drakkar / BMGVÖ: 24.11.2003
Richtig schön evil
Ein Musikjournalistendasein ist längst nicht so angenehm, wie sich das immer alle vorstellen. Man verbringt längst nicht jeden Abend drogenkonsumierend backstage bei den ganz großen Stars und von den zigtausend Promo-Platten, die täglich verteilt werden, kriegen immer nur die anderen das Beste ab. Deswegen ist man oft gefrustet und läßt seine Aggressionen an mittelguten Alben aus. Es gibt aber auch Tage, an denen einem Tonträger ins Haus kommen, die sowas von unterirdisch grottenschlecht sind, daß man es kaum erwarten kann, darüber zu schreiben. Dann holt man all seine Phantasie hervor und formuliert sich einen Text zusammen, den sicher alle Leser für unglaublich geistreich und unterhaltsam halten würden - wenn sich nicht eh kein Schwein für die Platte interessieren würde.
Ein solches Album von schier unfaßbarer Schrecklichkeit ist das bodenständig "Gothic electronic anthems" betitelte Debütwerk der norwegischen Band Gothminister. Was könnte man sich da alles aus den Fingern saugen von kleinen Jungs, die sich mit Schminke einschmieren, nur um zu beweisen, daß ihr Land viel böser ist, als a-ha und Kurt Nilsen zunächst vermuten ließen. Man könnte auch anfangen, von Kirmesindustrial zu schwafeln und die sogenannte Musik als Destillat aus 5000 Jahren Düstermucke entlarven. Und dann macht einem die Band einen Strich durch die Rechnung und liefert selbst die besten Gegenargumente und größten Lacher.
Das fängt mit den unglaublich bösartigen Namen der Bandmitglieder schon mal gut an: Machine, Android, Halfface und Dementia dürften auch bei norwegischen Einwohnermeldeämtern auf nüchterne bis entsetzte Ablehnung stoßen und sind von daher sicher ganz sorgsam ausgewählte Kampfnamen für die vier Möchtegern-Clowns. Okay, sowas wäre jedem, der älter als 14 ist, unglaublich peinlich, aber wen interessiert schon die Meinung der Masse? People = Shit, you know? Dem Faß den Boden aus schlägt aber die Tracklist, auf der sich (unglücklicherweise ernstgemeinte) Titel wie "Gothic anthem", "Angel", "Devil", "Shadows of evil sins" oder "March of the dead" die Gruftklinke in die Hand geben. Wer sich von diesem Lachkrampf erholt hat, hat keine Lust mehr, sich irgendwelche Spitzen gegen diese Band auszudenken. Da hat man doch fast schon Mitleid.
Also verwirft man die Idee mit dem lustigen Verriß ganz schnell wieder und versucht sich in einer etwas analytischeren Herangehensweise. "In the shadows of evil sins cries a little child / She is drawing forbidden things from the dark side of her mind," röchelt da eine Stimme, die auch mit Zigarettenpackungs-Warnhinweisen nicht mehr zu retten ist. "Dreht euch nicht um, denn der Plumpssack geht herum," denkt der Zuhörer und macht abermals von der Skip-Taste Gebrauch. Das, was hier am meisten böse ist, ist die Musik - böse schlecht. Und während der Rezensent noch überlegt, ob er nicht mal in Berlin anrufen und die Einrichtung eines Gothministeriums anraten soll, stellt er fest, daß er über so eine Platte eigentlich gar nichts schreiben kann - und läßt es lieber bleiben.
Highlights & Tracklist
Highlights
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Tracklist
- Gothic anthem
- Angel
- The holy one
- Pray
- The possession
- Devil
- Shadows of evil sins
- Hatred
- March of the dead
- Wish
- Post ludium
- Angel (Club version)
Referenzen