Christian Cohle - Wetlands
Christian Cohle / CD BabyVÖ: 12.05.2023
Perlentaucher
Wie definiert sich eigentlich ein Geheimtipp? Nicht jede oder jeder abseits des eigenen Wahrnehmungsradius muss schließlich zwangsläufig auch für breite Massen unbekannt sein. Christian Cohle ist als solcher aber mit großer Wahrscheinlichkeit gut beschrieben. Der gebürtige Ire hat mit "Holy trouble" 2021 ein ordentliches Debüt vorgelegt, konnte der Einstufung als "best kept secret" aber auch damit nicht entfliehen. Zwei Jahre nach dem ersten Aufschlag sendet er nun das nächste künstlerische Lebenszeichen. Und das verdient tatsächlich eine genauere Betrachtung, denn aus einem spannenden Konglomerat, das sich aus höchst unterschiedlichen Einflüssen wie Anohni, Moderat und James Blake speist, schimmern wahre Perlen heraus.
Anstatt von der ersten Sekunde an die Weichen für das zu stellen, was in der kommenden guten Stunde zu erwarten ist, wählt Cohle einen durchaus sperrigen Einstieg. Das Titelstück mäandert mit einem unterschwelligen Raunen, allerlei elektronischen Spielereien und kaum verständlichen Durchsagen geheimnisvoll vor sich hin und wird final abgelöst von einer Sprachaufnahme. Dann: Auftritt Christian Cohle. "My hands in the waters / I struggle, I'm startled, these days" singt er im grandiosen "Spinning heart" mit gebotener Zurückhaltung in seiner charismatischen Stimme. "So reminiscent / I'm charged when I listen to your voice": Es ist nicht irgendwer, dem der Ire lauscht. Es ist eine verflossene Liebe. Und damit sind wir mittendrin in dem, was den Musiker auf Albumlänge umtreibt. Das Zurückschauen, das Vermissen, das sehnsuchtsvolle Erinnern.
Das alles hüllt Cohle in eine dichte Atmosphäre, in der die Beats dort sitzen, wo sie hingehören, und in der sein Leiden oft nahezu greifbar ist: "And now I'm burning memories as fuel / To keep me alive / And now I'm looking at this broken future / Nothing's alive" heißt es im wundervoll arrangierten "Broken future". Neben all den Ausflügen in die Elektronik weist "Wetlands" unterdessen auch klassisch instrumentierte Momente auf. Großartiges Beispiel ist das stille, feinfühlig reduzierte "Wrap around me", in dem nicht nur die Piano-Klänge zu hören sind, sondern auch die Betriebsgeräusche des Klaviers selbst – Grüße gehen raus an Carlos Cipa, der dieses auf "Ourselves, as we are" zur Perfektion gebracht hat.
Auf seinem erst zweiten Album hat Christian Cohle verblüffend sicher nahezu alles unter Kontrolle. Nur ganz gelegentlich bricht seine Stimme wie in "Centred" eine Nuance zu sehr und verhindert den unmittelbaren Sprung in die absolute Oberklasse. Dieser wiederum kommt er sehr nahe, wenn gegen Ende von "Wetlands" noch einmal große Momente durchklingen: "Offline" und "Jungle" markieren echte Highlights. "I'm going offline, we've run out of time / Don't connect me, don't connect me", heißt es in "Offline" und "The light won't be or play on my time / Just look at me I'm grey my springtime / On and on and on I fade" in "Jungle". Die Gemütslage mag zwischen Verzweiflung und Resignation liegen, die Voraussetzungen für einen Ausstieg aus der Kategorie Geheimtipp hat Christian Cohle mit seinem zweiten Streich voller Songperlen mit Bravour geschaffen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Spinning heart
- Broken future
- Baby brown eyes
- Offline
- Jungle
Tracklist
- Wetlands
- Spinning heart
- Strength
- Centred
- Broken future
- Wrap around me
- Baby brown eyes
- Another life
- Out of my hands
- Illuminations
- Wasted
- Over the hill
- Offline
- Jungle
- Our last dance
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Armin
2023-05-10 21:21:53- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Christian Cohle - Wetlands (1 Beiträge / Letzter am 10.05.2023 - 21:21 Uhr)
