
Bipolar Feminin - Ein fragiles System
Buback / Indigo / ZebralutionVÖ: 19.05.2023
Hol den Vorschlaghammer
Wie war das noch mit den Rissen, die wir haben müssen, damit das Licht rein kann? Eigentlich müsste so ein fragiles System dann doch was Gutes sein. Etwas, das bröckelt und bricht und deshalb von Strahlen nach und nach durchdrungen wird. Wenn man dem wahlwiener Quartett Bipolar Feminin allerdings so zuhört, dann steht das System zwar tatsächlich auf wackeligen, rissigen Beinen, aber es wird uns eher unter sich begraben. Und das dazugehörige Album trägt den passenden Namen "Ein fragiles System" und ist ein emotionales Fundament, das so frisch wirkt, dass man darin untergehen kann.
Denn die Österreicher*innen um Sängerin Leni Ulrich sind wütend und traurig, laut und leise, intim und kalt. Und all dies steht ihnen gut. Es reicht nicht, dass Ulrich in "Kreis" gesteht: "Wenn ich weine, weine ich, bis ich nichts mehr seh." Im Hintergrund hört man sie in einer leiseren Spur kreischen. Hier bröckelt der Verstand. Aber es gibt ja auch so viele Gründe für die nachweislichen Tocotronic-Fans, sich zu beschweren. Der Konsumwahn wird in "Attraktive Produkte" in einem Gitarrenschwall ertränkt. "Sie reden so laut" erinnert mit seinem Mittelfinger für stumpfe Mackertypen an eine feministische Nina Hagen für die nächste Generation. Und selbst in der eigentlich wohl ganz liebevollen Ode "Herr Arne" heißt es: "Fick dich ins Knie, Elbphilharmonie / Hab schon lange nichts verbrannt / Reich mir die Hand, oh Arne Zank."
Noch einen oben drauf setzt "Am Boden". Beziehungsweise nicht direkt oben drauf, sondern es wird eher irgendwo zwischen Wichstaschentüchern in die Ecken gekackt. So könnte Pop-Rock der Hamburger Schule klingen, wäre er einen Ticken vulgärer. Oder vielleicht Culk in ein bisschen punkiger, um ein moderneres Beispiel zu nennen. Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gesang: Mehr brauchen die düsteren Hymnen der Band mit der "Rächerin am Patriarchat" nicht, die auch gerne mal den Tod eines jungen Seemanns in Kauf nimmt, wenn sie ihre Zigaretten an der Kerze anzündet. Was Bipolar Feminin machen, wird sicher nicht jedem passen. Weil sie nicht warten, bis das fragile System einstürzt, sondern sich Vorschlaghammer von Judith Holofernes schnappen und am helllichten Tag Risse in das baufällige Gebäude hauen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Wie es ist
- Kreis
- Herr Arne
Tracklist
- Wie es ist
- Mami
- Attraktive Produkte
- Am Boden
- Tüchtig
- Kreis
- Sie reden so laut
- Herr Arne
- Matrose
- Struktur
Im Forum kommentieren
Francois
2024-01-17 15:48:03
Gefällt mir wirklich gut.
Musikalisch ist das hochwertig... Text und Gesang in Richtung Wiener Grant... kann sicher nicht jeder auf Albumlänge hören.
Mami ist ganz stark, der Opener auch!
Herr Arne überzeugt ebenfalls.
Die 7/10 geht schwer in Ordnung
Z4
2023-09-28 22:18:33
Ein sehr fragiles System, die Woche schon Konzerte wegen Krankheit abgesagt und gerade eben, nach der Vorband(!) das Konzert in Köln wegen Kreuzbandriss. Sehr ärgerlich, hätten sie ruhig früher abblasen können, ich hatte besseres zu tun.
Immermusik
2023-05-24 06:54:33
Ich bin schwer begeistert. Album und EP in Dauerschleife.
8,5/10
myx
2023-05-19 14:17:33
Mir ging mit der Zeit der Gesang etwas auf den Zeiger. Aber vielleicht legt sich dieser Eindruck noch, musikalisch gefällt es mir gut.
Enrico Palazzo
2023-05-19 13:50:33
Ich höre es grad zum ersten Mal - wow, ist das gut! Leider bin ich zum Konzert in HB im Urlaub in Schweden, sonst würde ich hin.
Also nach meinem Ersteindruck könnte das Album gut in meinen Top10 des Jahres landen, wenn es sich nicht schnell abnutzt.
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