Juli - Der Sommer ist vorbei

Polydor / Universal
VÖ: 28.04.2023
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Nochmal mit der Ex

Geht eine Beziehung in die Brüche, heißt das ja nicht, dass gleich alles schlecht war. Wenn der gröbste Rauch verzogen ist, erinnert man sich doch gerne an die Vertrautheiten, die gemeinsamen Rituale und die liebgewonnenen gegenseitigen Seelen- und Körperschmeichelungen. Bei beidseitig verbleibender Ungebundenheit führt das schnell dazu, dass man dann doch wieder gemeinsam in der Kiste landet. Die Frauenzeitschrift Brigitte listet 5 gute Gründe auf, warum ein erneutes Liebesspiel mit dem Ex eine gute Idee ist. Einer davon ist: "Wegen der bekannten Qualität".

Ganze neun Jahre ist das letzte Album von Juli schon her. Mit "Der Sommer ist vorbei" kommt nun der Nachfolger, der trotz des diskutablen Titels nach eigener Aussage explizit kein Abgesang auf sich selbst sein soll. Der Sound greift 1:1 das Erfolgsrezept aus den Anfängen der 2000er auf, und Eva Briegels Stimme trägt immer noch die sympathische Melancholie in sich, mit der die Band vor 20 Jahren ihre "Perfekte Welle" losgetreten hatte. Auch inhaltlich beschäftigen sich große Teile des Albums mit der vergangenen "Geilen Zeit", auf die hier nostalgisch und rein positiv geblickt wird und gleich mehrfach explizit referenziert wird. Das ist nett, aber wenig erhellend und variierend, und das, obwohl sich Songschreiber Simon Triebel in der Zwischenzeit als Komponist für alle erdenklichen Chart-Größen (u.a. Alvaro Soler, Lena, Adel Tawil, Udo Lindenberg) betätigt hat. Juli ist hier tatsächlich die beste Juli-Coverband der Welt. Besser wird es mit "Gehen oder bleiben", in der eine aktuelle Liebesbeziehung in den Fokus gerückt wird. Hier passt Briegels Stimme gut zur beschriebenen Unsicherheit im Song, für das später folgende "Alles geht weiter" gilt das sogar noch stärker. Mittendrin taucht dann "Fahrrad" auf, eine bereits vor vier Jahren erschienene Single, die ohne jeden Widerstand wie eine gut geölte Kette über das Ritzel gleitet. Der von Joe Walter absolut poppig-glatt produzierte Track, der auch den neue Sound von Juli hätte darstellen können, wirkt so auf diesem Album komplett deplatziert. Beim eigentlich schönen Closer "In unseren Händen" wird man hingegen schon wieder nachdenklich, da er wie beim Titeltrack erneut gewollte oder ungewollte Anspielungen auf ein Ende macht.

So nachvollziehbar, wie es ist, sich einfach wieder in das Bekannte fallen zu lassen, genauso erzeugt es jenseits einiger kuschlig-vertrauter Momente schnell ein schales Gefühl. "Wegen der bekannten Qualität" kann man als Grund für diese Rückkehr nur mit Abstrichen gelten lassen, denn wie schon beim Vorgänger-Album "Insel" fehlen hier die großen Melodien und Momente. Wo soll es hinführen, wenn man nach so vielen Jahren zurückkommt und doch fast nur von dem leben will, was einmal war?

(Malte Schierenberg)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Gehen oder bleiben
  • Alles geht weiter
  • In unseren Händen

Tracklist

  1. Der Sommer ist vorbei
  2. Traurige Lieder
  3. Fette wilde Jahre
  4. Die besten Dinge
  5. Vier Wände
  6. Irgendwann
  7. Gehen oder bleiben
  8. Fahrrad
  9. Wolke
  10. Alles geht weiter
  11. In unseren Händen
Gesamtspielzeit: 36:46 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2023-05-14 17:54:40

@Kamm:
Schön zusammengefasst.

jo

2023-05-14 10:57:05

Also, ich hatte "In Love" zu dem Zeitpunkt mal gehört und nicht so empfunden wie in der (mir damals nicht bekannten) Rezension dargestellt. "Eisenherz" hatte darüber hinaus textlich genau das Unangenehme, was hier vorher als "floskelhaft" in Richtung Silbermond beschrieben wurde.

Wenn ich das Album mal noch mal höre, werde ich überprüfen, ob die genannten Referenzen doch passen könnten.

Solange ist mein Standpunkt aber natürlich eher der, dass nicht ich derjenige hier bin, der "biased" ist ;) (als anscheinend der Einzige, der hier nicht "Juli-Fürsprecher/Verteidiger" ist).

Kamm

2023-05-14 02:47:20

Nachtrag: Habe gerade die Rezi zu In Love gelesen. Da steht schon alles zum Unterschied zu Silbermond. Es fallen Begriffe wie "Noise-Brocken", es heißt "sind endgültig im künstlerischen Bereich angekommen", es werden Vergleiche mit The Notwist und Naked Lunch gezogen.

Etwas übertrieben vielleicht, aber es sollte klar sein, dass das nichts ist, was man je in einer Silbermond-Rezension lesen würde.

Kamm

2023-05-14 02:34:09

Kann man hören, muss man aber nicht. Ich würde behaupten, dass eine kleine Schnittmenge zwischen den beiden Bands besteht, nämlich, wenn man die schlechtesten Songs von Juli mit den besten von Silbermond vergleicht. Wenn man also durch Zufall genau diese erwischt, fällt der Unterschied womöglich kaum auf.

@jo, falls es dich wirklich interessiert:
Silbermond waren von Anfang an sehr brav. Bei denen findet man die Blaupause für das, was heute in großen Teilen den Deutschpop ausmacht, Mark Forster, Bendzko und Konsorten. Die Lyrics oft maximal affirmativ; perfekte Untermalung von CDU-Wahlspots und konservative Muttertags-Happenings. Musikalisch zwar professionell, aber sehr glatt und melodisch auf Altbekanntes setzend, manchmal den Schlager streifend. Ich kenne, das muss ich zugeben, nicht viel von denen (weil ichs so furchtbar finde in dessen Bravheit); genau ein Song ragt für mich ein bisschen heraus, das ist "Ja". Klingt in der Instrumental-Variante ein bisschen wie Explosions in the Sky auf Wish bestellt mit seinen soften Postrock-Elementen. Falls die mehr so etwas haben: Entschuldigung für die Fehleinschätzung.

Juli dagegen hatten auch eine lebensbejahende Seite, die aber etwas anders daherkam: Weniger floskelhaft verschwurbelt, sondern relativ direkt und mit einfachen, der Alltagssprache entnommenen Worten. Der Ansatz ist in unseren zynischeren Zeiten (im Gegensatz zu den frühen/mittigen 00ern) nicht besonders gut gealtert, aber man kann das auch einfach ehrlich finden.
Musikalisch riss das auf den frühen Alben keine Bäume aus, aber ein gewisses Händchen für Melodien war schon da. Netter Pop(-Rock) im gar nicht mal soo negativen Sinne.

ABER, da gibt es bei denen schon noch mehr, und das ist eben der Unterschied zu Silbermond. Spätestens auf dem Album In Love wurde die Stimmung deutlich düsterer, und die guten musikalischen Ansätze wurden konsequent weiterentwickelt. Da gibt es auf einmal Songs, die fast experimentellen Charakter haben (Seenot), fast an sowas wie Get Well Soon erinnern (Ich bin in Love), oder auch einfach eleganten, melancholischen Pop (Du lügst so schön). Und Eisenherz gibt es da, vielleicht der beste Song von Juli, der zumindest mich sehr überrascht hat. Das ist eine Ebene an lyrischer Dunkelheit im Verbund mit wirklich gut geschriebener Musik, die sogar ein bisschen herausfordert und für den Standard-Pophörer deutlich zu weit geht, die Silbermond schlicht nie ansatzweise erreicht hat.
Also: Du lügst so schön, Ich bin in Love, Seenot, und Eisenherz hören - dann sollte der Unterschied offensichtlich sein.

Mr Oh so

2023-05-13 15:27:18

jo
Juli waren schon immer ein ganz anderes Level als Silbermond, vor allem musikalisch.

Inwiefern? Höre ich da überhaupt nicht raus...


Kann man schon hören ...

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