Feine Sahne Fischfilet - Alles glänzt

Plattenweg / Warner
VÖ: 12.05.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Silberfische

Alles glänzt. Oder auch nicht. Während es zu Zeiten von "Sturm & Dreck", dem 2018 erschienenen, vorerst letztem Album von Feine Sahne Fischfilet mit hohen Chartplatzierungen, ausverkauften Konzerten und umjubelten Festivalauftritten wahrlich glänzend lief, wurde es durch eine selbstgewählte Auszeit noch vor Ausbruch der Pandemie etwas stiller um die Herren aus Mecklenburg-Vorpommern. Seit ungefähr einem Jahr liegt ein gewisser Schatten auf der Band. Gegen Sänger Jan "Monchi" Gorkow wurden über einen anonymen Instagram-Account schwere Vorwürfe erhoben, wie sie natürlich im Grundsatz sehr ernst zu nehmen sind. Die Band bestritt die Unterstellungen entschieden, und diese sind inzwischen vom Landgericht Stralsund als Verleumdung eingestuft worden. Die Hintergründe der Vorwürfe sind für Außenstehende schwer zu beurteilen.

Ansonsten scheint die Auszeit der Band gut getan zu haben. Befreit aufspielen wäre zu hoch gegriffen, aber eine gewisse Leichtigkeit und Frische hört man den meisten Songs des neuen Albums auf jeden Fall an. Ob es an Monchis Abstecher unter die Buchautoren, dem generellen Abstand nach endlosen Jahren des Aufeinanderhockens oder den bandinternen Umbesetzungen – Christoph Sell und Jacobus North verließen die Band, während Hauke Segert neu hinzustieß – liegt, sei mal dahingestellt. Am Ende vermutlich von allem etwas. Ein sattes Riff, ein prügelndes Schlagzeug, laute Trompeten, eine kurze Strophe, und dann der erste Refrain: "Und die Kiddies im Block (woh-oh-oh) / Spielen "City of God" (woh-oh-oh) / Hier ändert sich nichts / Hoffnung zerbricht, hier ruft niemand die Cops." Der wuchtige Opener gibt die Marschroute vor und spannt den Bogen zwischen den Favelas in Rio und den Plattenbauten Schwerins. Es ist nach wie vor eine Hassliebe, die Feine Sahne Fischfilet mit ihrer nordostdeutschen Heimat verbindet. Vieles im Argen, aber eben ein Zuhause. So auch die Ostsee, die in der stampfenden Offbeat-Nummer "Komm mit aufs Boot" eine Art Hommage als Zufluchtsort und Ruhepol gewidmet bekommt, wenn man die Katastrophenmeldungen der heutigen Zeit einfach mal kurz ausblenden will.

Paradoxerweise hat eine dieser Katastrophen wieder mit einem Meer zu tun. Im ruhigen und bedächtigen "Wenn wir uns sehen" beschreibt die Band das Trauma eines befreundeten Kapitäns, der im Mittelmeer als Seenotretter unterwegs war. "Wieviel Tote hast Du aus dem Meer gezogen? / Du kriegst Applaus dafür / Auch Dich werden sie zu Tode loben." Ernste und nachdenkliche Themen kommen auf "Alles glänzt" quasi an jeder Ecke vor, doch im Regelfall wird das Ganze im "meist simplen, aber hymnischen und effektivem Punkrock samt Bläser-Einschlag" verpackt, wie es der Redaktionskollege beim Vorgängeralbum so treffend formuliert hatte. Während sich Monchi im musikalisch eher unspektakulären "Angst zu erfrieren" mit rechter Konfrontation auseinandersetzt, geht es in "Irgendwann" um den Verlust eines Menschen. Mit dem locker-fluffigen "Tut mir leid" erzählt Neuzugang Hauke Segert seine Geschichte. Das neuformierte Quintett hat auch hinter den Reglern für frischen Wind gesorgt und dieses Mal mit Philipp Hoppen einen Produzenten ergattert, der u.a. auch schon für Die Ärzte, K.I.Z., Deichkind und Kraftklub tätig war. Broilers waren anscheinend nicht dabei, was bei einer gewissen Ähnlichkeit von "Wenn's morgen vorbei ist" mit "Meine Sache" der Düsseldorfer Punks durchaus nicht verwunderlich gewesen wäre. Bleibt unter dem vielzitierten Strich ein reifes, wohldurchdachtes und kurzweiliges Album für zwischendurch. Da glänzt nicht nur die Bierdose.

(Jochen Gedwien)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kiddies im Block
  • Wenn's morgen vorbei ist
  • Irgendwann
  • Tage zusammen

Tracklist

  1. Kiddies im Block
  2. Komm mit aufs Boot
  3. Diese eine Liebe
  4. Wenn's morgen vorbei ist
  5. Gib mir mehr
  6. Wenn wir uns sehen
  7. Angst zu erfrieren
  8. Tut mir leid
  9. Irgendwann
  10. Pass auf mich auf
  11. Tage zusammen
  12. Freaks dieser Stadt
Gesamtspielzeit: 41:20 min

Im Forum kommentieren

nörtz

2023-05-17 15:46:00

Echt öde Platte und diese Blasinstrumente gehen gar nicht.

Die Musik rechtfertigt jedenfalls nicht die mediale Präsenz der Band.

Sick

2023-05-12 19:41:42

Oh, ich kenne viele. Mehr als du ahnst. Hat ich mal ein Faible für. Mir ist heute nur nicht mehr ganz klar warum. :)
Wenn du das schon als Beispiel aufführst: Das letzte Pascow-Album fand ich extrem langweilig. Eigentlich nicht nur das letzte Album. Bis auf einzelene Songs vielleicht. Was daran jetzt "kreatives Songwriting" sein soll erschließt sich mir jetzt nicht.

Interessant finde ich das du von deiner einsilbigen Meinung "langweilig" über "kann man leicht feststellen" deine subjektive Ansicht als allgemeingültig darstellen willst. Dabei ist das nur eine Meinung von vielen.

Rochen

2023-05-12 19:14:10

Dann kennst du vielleicht nicht viel deutschen Punk? Wenn man sich beispielsweise Bands wie Pascow oder Duesenjaeger oder Chefdenker oder Pisse anhört und dann zum Vergleich Feine Sahne Fischfilet, kann man leicht feststellen, dass die Ersteren kreatives Songwriting haben, das in der Masse an aktuellen Bands positiv heraussticht, während FSF seit jeher klingen wie eine Schülerband.

Sick

2023-05-12 18:35:55

Ist das so? Warum?

Nicht langweiliger als andere Deutschpunk-Bands. Es sei denn man findet das prinzipiell langweilig...

Rochen

2023-05-11 03:40:02

Man sollte bei all den Diskussionen aber auch nicht vergessen, wie langweilig die Musik eigentlich ist.

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