Therapy? - Hard cold fire

Marshall / FUGA
VÖ: 05.05.2023
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Gegen die Routine

Wenn man zu den nicht mehr ganz jungen Zeitgenossen gehört und in seiner musikalischen Sozialisation mit den frühen Werken der Band Therapy? in Kontakt gekommen ist, bietet spätestens deren mittlerweile 16. Studiowerk die Gelegenheit zum Innehalten. 16 Alben? Eine über 30-jährige Historie im Dienste rockiger Klänge? Herrje! Ist man nicht eben noch zu "Going nowhere" zappelnd über die Tanzfläche gestolpert? Die Nordiren jedenfalls haben immer weitergemacht, kein Wechsel des Labels – und davon gab es ausreichend viele – konnte Sänger Andy Cairns und seine wechselnden Mitstreiter ausbremsen. Seit 1989 liefern Therapy? verlässlich ab; im Studio und auf der Bühne.

Das Songschreiben allerdings passiert mit schwankender Qualität. Es gab auf dem langen Weg herbe Rückschläge wie "Never apologize, never explain", aber auch erfrischende Lichtblicke wie 2015, als "Disquiet" ein kraftvolles Lebenszeichen aussendete. Wo sich in dieser Entwicklung "Hard cold fire" einordnet? Das ist gar nicht so einfach festzulegen. "They shoot the terrible master" jedenfalls rockt ordentlich los, während Cairns fast mantraartig immer wieder "In the head" singt. Der Song nimmt Bezug auf den Schriftsteller David Foster Wallace und dessen einstige Rede vor College-Absolventen. Dort hatte er unter anderem über Erwachsene gesprochen, die Suizid begehen – per Kopfschuss. Und so den "terrible master" in sich selbst auslöschen. Foster Wallace selbst nahm sich 2008 das Leben.

Im bandtypischen Gewand kommt anschließend "Woe" daher, während "Joy" einen entschlossenen Gruß in Richtung Page Hamilton und Helmet sendet. Inhaltlich wendet Cairns seinen Blick hier erneut zur Literatur, "Another day / Another deadener" findet seine Wurzeln bei "Warten auf Godot" von Samuel Beckett. Überhaupt haben Therapy? diebischen Spaß an Rückgriffen auf kulturelle Taten anderer. "Bewildered heart" etwa lebt unter anderem von einem Sample aus dem Film "Naked" von 1993. Diese kleinen Spielereien sind es, die Akzente setzen in einem gelegentlich zu routinierten Vorgehen des Trios. "Two wounded animals" ist so ein Fall – keinesfalls schlecht, aber doch wenig herausstechend.

Glücklicherweise gibt es auf "Hard cold fire" viele messerscharfe Gitarrenriffs, trocken auf den Punkt gebrachte Drumparts und gelungene Gesangsdarbietungen. Und eben auch: kleine, schmucke Ideen und Zutaten. Im finalen "Days kollaps" lassen sich sogar The-Cure-artige Gitarrenläufe heraushören; nur ein weiteres Detail, das bei allzu oberflächlicher Betrachtung dieses allemal guten Therapy?-Albums durchzurutschen droht. Ohnehin könnte sich "Hard cold fire" als eines jener Werke erweisen, die man immer und immer wieder ansteuert – und die den Sprung in eine noch höhere Bewertungskategorie erst nach vollständigem Begreifen schaffen.

(Torben Rosenbohm)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Woe
  • Mongrel
  • Days kollaps

Tracklist

  1. They shoot the terrible master
  2. Woe
  3. Joy
  4. Bewildered herd
  5. Two wounded animals
  6. To disappear
  7. Mongrel
  8. Poundland of hope and glory
  9. Ugly
  10. Days kollaps
Gesamtspielzeit: 31:20 min

Im Forum kommentieren

fuzzmyass

2023-11-12 17:04:16

Tolles Album, gleich geht es aufs Konzert - freu mich!

fuzzmyass

2023-05-09 13:42:19

ich finde es lohnt sich in alle Alben reinzuhören, wenn man die Band ein wenig mag - es gibt super viel zu entdecken, einiges an Abwechslung und Experimenten wird geboten und jeder kann sich nach seinem Geschmack das beste rausfiltern... Tips von dritten sind zwar gut als Orientierung, aber ich denke der subjektive Geschmack kann da zu ganz anderen Urteilen führen...

Meine signierte Hard cold fire Vinyl ist jedenfalls soeben eingetroffen, heute Abend wird gehört :)

Hogi

2023-05-09 12:40:30

Ach stimmt, die gesellt sich auf jeden Fall zu Infernal love und OCFA...
Gilt die Pleasure death eigentlich als vollwertiges Album oder EP?

Zeke

2023-05-09 12:20:16

Die tolle "Disquiet " nicht zu vergessen.

Hogi

2023-05-09 12:00:00

grundsätzlich würde ich sagen, dass bei denen alle von Chris Sheldon produzierten Alben etwas hymnischer und eingängiger sind:
Also
-Troublegum
-Semi-Detached
-High Anxiety
-Cleave
-Hard cold fire

Außerdem in diesem Sinne gut hörbar sind ebenfalls
-Infernal love
-One cure fits all

recht sperrig sind in großen Teilen
-Sucide pact
-Never apologise
-Brief crack of light
-Crooked timber

Die Shameless und die Nurse liegen für mich irgendwie dazwischen. Hoffe, ich hab keine vergessen:-)

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