Floor Jansen - Paragon

ReVamp / PIAS / Rough Trade
VÖ: 24.03.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Der Star ist die Stimme

Die TV-Show "Sing meinen Song" auf Vox kann durchaus für Herausforderungen an Geschmack und Toleranz sorgen: Fünf stilistisch leidlich unterschiedliche Künstler tauschen, mittlerweile moderiert von Johannes Oerding, manchmal belanglose, manchmal tiefgründige, bisweilen wirklich berührende Episoden ihres Lebens aus und covern gegenseitig ihre Songs. Das kann fürchterlich ins Beinkleid gehen, wenn man einen Blick auf die Teilnehmenden der letzten Jahre wirft – auch Nena und Xavier Naidoo luden bereits zum Fremdschämen ein –, kann aber auch ganz erstaunliche Momente ergeben. Zum Beispiel im Jahr 2022, als die allen anderen Künstlern offensichtlich bis dato komplett unbekannte Floor Jansen teilnahm, unbeholfenerweise als "Metal-Queen" tituliert, deren einzige Qualität anscheinend aus dem Sängerinnen-Posten bei Nightwish besteht – wo sie am Songwriting nicht beteiligt ist. Es sollte nicht lange dauern, bis Jansen mit wenigen Performances zeigte, warum ihr Landsmann Arjen Anthony Lucassen sie schon seit über 20 Jahren für Ayreon rekrutiert. Was die Kolleginnen und Kollegen im letzten Jahr ebenfalls nicht wussten: Bereits zwei Jahre zuvor nahm Jansen in den Niederlanden an der dortigen Ausgabe jenes Formats mit dem Namen "Beste Zangers" teil – und überzeugte mit einer bühnenreifen Interpretation von "The phantom of the opera" ebenfalls auf ganzer Linie.

Das Ganze ist natürlich nicht nur Gossip, sondern hat einen Grund. Denn damals begann in Jansen, die bereits mit 16 Jahren mit ihrer ersten Band After Forever erste Erfolge verzeichnen konnte, die Idee eines Soloalbums zu reifen. Erstes Zwischenergebnis war die Single "Fire", die pünktlich zur Ausstrahlung von "Sing meinen Song" im März 2022 erschien. Und schon dieses Stück bewies, dass Jansen mit ihrer Ausdrucksstärke und ihrer klassisch ausgebildeten Stimme auch ein zunächst gar nicht einmal so spannendes Nümmerchen zu einer bombastisch-emotionalen Performance reifen lassen kann. "Fire" zeigte aber auch direkt, dass die Richtung des Soloalbums überallhin gehen sollte, nur nicht in Richtung Metal. Und das sollte sich als goldrichtige Entscheidung für ihr Debüt "Paragon" herausstellen.

Denn das Singer-Songwriter-Gewand steht Jansen ganz ausgezeichnet, kann sie so doch immer wieder ihr Können zur Entfaltung bringen. Der Opener "My paragon" könnte mit seinem tanzbaren Beat und dem wuchtigen Refrain locker beim ESC mithalten, worauf mit "Daydream" und "Invincible" gleich zwei dramatische Radiopop-Powerballaden folgen. Immer nach dem Motto: Mag der Song an sich noch halbwegs okay sein – wenn der Star die Stimme ist, reicht das aus, um selbst hartgesottene Metal-Fans schmachten zu lassen. Genau genommen braucht es dafür nur einen einzigen Song, nämlich "Storm". Gibt es in der Nische von Rocksängerinnen auf Solopfaden einen Vergleich, dann höchstens noch die unvergleichliche Anneke Van Giersbergen.

Und exakt hier liegt der Unterschied zu zahllosen Künstlerinnen und Künstlern, die stilistisch mitunter allzu ähnlich agieren. Die Kernfrage ist: Wofür steht Floor Jansen? Rein vom Songwriting her trägt "Paragon" das Risiko, als eines von vielen Alben in der Versenkung zu verschwinden, sprüht es doch nicht gerade vor Innovationen. Doch letztlich sind die Songs eine Plattform, um die herausragenden Fähigkeiten der Niederländerin unter Beweis zu stellen, in Szene gesetzt von Produzent Gordon Groothedde. Ansonsten verzichtet Jansen auf externe Unterstützung, selbst für ihren Ehemann, Sabaton-Schlagzeuger Hannes van Dahl, blieb nur die Zuschauerrolle. Am Ende jedoch werden jegliche Bedenken durch die unfassbare Performance der Frontfrau förmlich hinweggefegt. Nicht auszudenken, wie gut diese Platte hätte werden können, wenn mehr als nur die Stimme der Star wäre.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • My paragon
  • Storm
  • Fire

Tracklist

  1. My paragon
  2. Daydream
  3. Invincible
  4. Hope
  5. Come full circle
  6. Storm
  7. Me without you
  8. The calm
  9. Armoured wings
  10. Fire
Gesamtspielzeit: 34:44 min

Im Forum kommentieren

Socko

2024-05-06 07:56:17

Wer in symphonic metal bands spielt oder singt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren

Corristo

2024-05-05 23:14:49

Zum ersten Mal gehört habe ich sie ja, ohne es zu wissen, als Gast auf einem Devin Townsend-Album. Das sagt bereits einiges aus.

Habe mich an das Pop-Album hier mal rangewagt. Die Rezi trifft das schon ganz gut. Ihre Stimme ist halt wie immer großartig, aber beim Songwriting gibt es einige Schwächen. Kenne mich im Pop nicht so gut aus, aber muss das heute wirklich so sein, dass die Melodien und Harmonien teilweise 1:1 so klingen, wie man es gefühlt von allen anderen aktuellen Popsongs und dem ESC kennt?

Die kann theoretisch mit ihrer Stimme bis hin zu growlen alles mögliche anstellen, aber beschränkt sich hier halt darauf, eher brave, wenn auch persönliche Popsongs hochprofessionell und nuancenreich und auch teilweise mit extrem viel Power einzusingen. Was völlig OK ist, aber wäre bestimmt vor allem vom Songwriting her mehr drin gewesen. Trotzdem irgendwie schönes Album. Stimme 9/10, Songwriting 5/10. Hätte wohl insgesamt 6/10 gegeben. "Storm" ist das Highlight.

Armin

2023-04-12 20:35:55- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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