
Enter Shikari - A kiss for the whole world
SO / Ambush Reality / Rough TradeVÖ: 21.04.2023
Kommt in seine Arme
Ein Dirigent auf der Leiter, ein Typ mit einem Laubbläser, ein Planschbecken inklusive Kinderrutsche, eine Frau an der Schreibmaschine, eine andere mit einem Goldfischglas, eine Rad schlagende Turnerin, angekettete Menschen, eine festlich gedeckte Tafel, zwei Autos, eine Glühbirne als Mikro, Leute in Einwegoveralls und überall umkreidete Leichen. Mittendrin irrt Rou Reynolds hektisch und planlos im Stroboskoplicht von einer Ecke zur anderen. "Have you ever seen a messier set? All sorts going on", fragt Enter Shikaris Frontmann im Behind-The-Scenes-Video zum famosen "It hurts" mehr oder weniger rhetorisch und mit ein wenig Stolz in der Stimme. Müsste man Enter Shikari in einem Clip zusammenfassen, würde sich dieses völlig verrückte Chaos bestens eignen. Der Song an sich beginnt sanft und ruhig, geht dann aber in typischer Art und Weise zügig in die Vollen, bevor das Tempo in den gerappten Strophen kurzzeitig wieder heruntergefahren wird, um kurz darauf wieder zu explodieren. Intensiv, lebendig und krachend, aber insgesamt sehr melodisch und eingängig.
Das trifft insgesamt für einen Großteil der Songs auf "A kiss for the whole world" zu, das mit dem gleichnamigen Opener furioser und passender nicht hätte beginnen können. "Be embraced, billions!" lauten die freundlich einladenden Worte, bevor der Song mit aller Wucht loslegt, zwischendurch immer mal wieder abbremst, um im darauffolgenden Moment wieder durchzustarten. Laut, leise, schnell und langsam: Alles ist dabei und fügt sich stimmig zusammen. Trommelwirbel und Fanfaren verleihen dem Stück nahezu etwas Majestätisches. Dürfte live zu den Highlights eines Konzertes gehören, was uneingeschränkt auch für "(Pls) set me on fire" zutreffen sollte. Trotz Zeilen wie "I wanna be ash in the atmosphere / Please set me on fire, set me on fire / Can you strike a match, make me disappear? / Please set me on fire, set me on fire" ist der Song wie die meisten auf diesem Album überaus positiv und hoffnungsvoll gestimmt. Ein vor Kraft nur so strotzendes Etwas, bei dem Reynolds abermals beweist, wie facettenreich sein Gesang zwischen rappenden Strophen, balladesken Tönen und purem Geschrei sein kann.
Der Versuch, die Band aus dem südenglischen St Albans in eine bestimmte Schublade zu verfrachten, ist auch dieses Mal zum Scheitern verurteilt. Quietschfidel und munter überspringt der flotte Vierer Genregrenzen und bastelt sich etwas Stimmiges zusammen. Bei Songs wie "(Pls) set me on fire", "Goldf?sh ~" oder "Jailbreak" sticht die (geheime) Vorliebe für Synthie-Pop hervor. Rou Reynolds klingt dabei mitunter wie Davey Havok (AFI) auf den ersten Blaqk-Audio-Alben. Apropos Vergleiche: Nahezu obligatorisch hat man bei Tracks wie "Bloodshot" oder dem durchaus verzichtbaren Interlude "Feed yøur søul" The Prodigy auf dem Schirm. Beinahe exotisch, unkonventionell, gleichsam aber auch überraschend kommt "Dead wood" daher: Bis zur Hälfte eine von Streichern begleitete Ballade, die dann in eine opulente, seltsamerweise an Meat Loaf (sic!) erinnernde, mantraartige zweite Hälfte übergeht. Kein Wunder, dass Gitarrist Rory Clewlow selbst in einem Interview zitiert wurde, dass dieser Song so klingt wie nichts anderes von ihnen zuvor. Demnächst gerne noch mehr solcher Abwechslungen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- A kiss for the whole world x
- (pls) set me on fire
- It hurts
- Jailbreak
Tracklist
- A kiss for the whole world x
- (Pls) set me on fire
- It hurts
- Leap into the lightning
- Feed yøur søul
- Dead wood
- Jailbreak
- Bloodshot
- Bloodshot (coda)
- Goldfish ~
- Giant pacific octopus (I don't know you anymore)
- Giant pacific octopus swirling off into infinity…
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Croefield
2023-04-22 16:38:51
Bei mir seit den letzten 3 Alben immer das gleiche Phänomen: "Ich höre die Vorabsingles und denke: Uhh nee, das klingt nicht mehr so druckvoll und gut produziert wie früher und ist mir zu wirr und nicht hart oder melodiös genug" und wenn ich dann das Album höre, ergibt's doch wieder Sinn und die Singles sind sogar wieder die Top Tracks.
Gerade der Einstieg mit "A Kiss..", "...Set Me On Fire" und "It Hurts" ist wirklich sehr stark und ich kann sogar Peacetrail mit der Postal Service-Referenz verstehen. Allerdings nicht bei "..Set Me On Fire", sondern bei "Jailbreak". Ist von der Gesangsmelodie mMn (im Pre-Chorus) immer sehr nah an "Brand New Colony" dran.
Lyrisch sind diesmal aber für mich ein paar größere Stirnrunzler dabei ("Goldfish" so im Ganzen z.B.) und etwas wenig humoristische Einlagen, dafür mag ich die Text-Referenzen auf vorige Hits ("dreamer's hotel", "live outside"). Und Interludes/Outros braucht wirklich niemand :D
PaintingClouds
2023-04-21 07:04:04
Heute Nacht nach dem 1. Durchgang: Geil.
Kreativ, knackig, kurzweilig. Zum Teil deutlich geradliniger als frühere Sachen. Heute noch ein paar Runden geben, aber das riecht schon stark danach das es eines der besseren enter shikari alben ist.
Peacetrail
2023-04-15 19:19:58
„Erinnert dich so in dem Sinne "Oh, das hört sich ja an, als wollte es wie das komplette Gegenteil von The Postal Service klingen"?“
Ja, genau das meinte ich. Aber gut, dass Du es jetzt hörst.
Autotomate
2023-04-15 18:14:07
Ah jetzt ja, nun hör ich's auch!
2L8 Cptn O :(
Autotomate
2023-04-14 09:15:34
Erinnert dich so in dem Sinne "Oh, das hört sich ja an, als wollte es wie das komplette Gegenteil von The Postal Service klingen"?
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