Ne Obliviscaris - Exul
Seasons Of Mist / SoulfoodVÖ: 24.03.2023
Everything everywhere all at once
"Seit wann bist Du Experte für Ne Obliviscaris?" – "Seit gestern Nacht." Funde wie der dieser australischen Formation sind der Grund, weswegen es sich auch nach zig Jahren Musikkonsum immer noch lohnt, Neues entdecken zu wollen. Wer sind Ne Obliviscaris? Eine schon seit zwei Dekaden existierende Band, die in dem weiten Feld Progressive Metal agiert und dabei sowohl viele, viele Klischees erfüllt – und doch in gewisser Weise einzigartig ist. Songlängen im zweistelligen Minutenbereich? Natürlich. Zerstückelte Titel in Part 1 und Part 2, weil sonst viel zu lang? Sicher. Teils gewöhnungsbedürftiger Cleangesang? Hallo Tim Charles. Völlig übertriebenes Übereinanderlegen von Tonspuren, sodass das Gefühl aufkommt, es laufen mindestens zwei Songs gleichzeitig? Check. Kompositorisch höchst anspruchsvoll? Laut Wikipedia wurde der Song "And plague flowers the kaleidoscope" in das Curriculum der Sydney Conservation of Music aufgenommen (verdient!). Kitschige Fantasycover? Muss! Black Metal und Violinen? Black Metal und Violinen!
Und hier, liebe Leser*innen, liegt das Besondere. Tim Charles ist nicht nur für die – sagen wir speziellen – Cleanvocals verantwortlich, er spielt auch wahnsinnig wunderschön ins Konzept passende Streicher, die selbst dann noch ihren Weg finden, wenn dazu der Doublebass klöppelt und Marc "Xenoyr" Campbell feinste Growls ins Mikrofon haucht. Auf "Exul", dem nun schon vierten Longplayer der Australier, haben sie den Einsatz von Violine und Viola auf ein neues Level gehoben. Recht haben sie, was hier im Zusammenspiel mit den anderen insbesondere in "Misericorde II – Anatomy of quiescence" und "Graal" hingezaubert wird, ist trotz der Härte des Sounds einfach nur wahnsinnig schön. "Misericorde II", überwiegend instrumentell, samt Pink-Floyd-Gedächtnissoli und packendem, szenischen Aufbau ab der Mitte: eine Blaupause für düstere Filmscores. Ein Lehrstück in Dramatik. "East Hastings" lässt grüßen.
Bevor einen dieser Moment komplett ergreifen kann, vergehen jedoch schon einige Minuten: Zwölf davon gehören dem Opener "Equus", welcher sofort mit gefälligem Drumming – entfernt an Tool erinnernd – einsteigt, ehe sowohl Charles' Gesang, sein Instrument und obendrein noch Xenoyr versuchen, die Aufmerksamkeit jeweils auf ihre Spur des Songs zu ziehen. Wirkt im ersten Moment recht chaotisch, nach mehreren Durchläufen spielt sich das Zusammenwirken auch in den Ohren ein. Zwischendrin – als wäre nicht eh schon genug zu entdecken – Ausflüge mit Akustikgitarren, Ausbrüche monotonsten Black-Metal-Gekloppes, diverse Soli aller Beteiligten.
Ein Rezept, welches später in "Suspyre" und "Graal" wiederholt wird. Auch hier nimmt man sich je um die zehn Minuten Zeit für diverse Ausflüge in den Prog, teils Richtung Opeth schielend, teils zu Steven Wilson. Die Art und Weise, wie Ne Obliviscaris dazu die Streicher einsetzen, wertet hier so viel auf. Nach dem letzten wilden Ritt in "Graal" legt die Band im abschließenden "Anhedonia" einmal alles beiseite, was lärmt. Klavier, Streicher, sprachliche Lautmalerei. Ein Rausschmeißer ohne Schmiss, dafür umso mehr Atmophäre. Und danach? Erst einmal "Urn", "Citadel" und "Portal of I" nachholen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Equus
- Misericorde II - Anatomy of quiescence
Tracklist
- Equus
- Misericorde I - As the flesh falls
- Misericorde II - Anatomy of quiescence
- Suspyre
- Graal
- Anhedonia
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ToRNOuTLaW
2024-03-07 15:25:37
The Ocean liebe ich auch, kann bloß nicht einschätzen, ob das noch als progressiv oder mehr als post einzuordnen ist, oder ob solche Unterscheidungen überhaubt sinnvoll sind ^^
regger
2024-03-07 15:16:57
Ja Disillusion taugt mir auch sehr, Katatonia, die letzte Butterfly Effect, The Ocean find ich Hammer. Und auch progressive Sachen im ruhigeren Bereich wie Dool.
ToRNOuTLaW
2024-03-07 11:51:52
Ach so, Disillusion sollte ich noch nennen.
ToRNOuTLaW
2024-03-07 11:50:57
@regger
Hat bei mir mit Dream Theater, Symphony X und kurz darauf Opeth angefangen, dann die ganzen britischen 70er Prog-Rock Bands. Cynic. Sleepytime Gorilla Museum.
Ihsahn würde ich als einen meiner Prog-Metal Lieblinge aufführen, auf dessen Konzert habe ich auch Ne Obliviscaris als Support gesehen. Dann gibt es softere Acts, Katatonia (ab den 2000ern), Riverside und Leprous.
Ne Obliviscaris hätten mir vor 20 Jahren vielleicht mehr gegeben, da fand ich auch Haggard zum Beispiel toll, die zwar nicht als Prog geführt werden, aber in Punkto Härte, Stilmitteln und vielschichtigen Arrangements vergleichbar sind.
Socko
2024-03-07 11:13:27
Dieses Rumgebrülle mochte ich bis vor 1 oder 2 Jahren rund 30 Jahre lang. Jetzt kann ichs nicht mehr ausstehen. Instrumental ist das genau mein Ding. So leider nur 5/10
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