Deftones - White pony
Maverick / WarnerVÖ: 19.06.2000
Die Pferdeflüsterer
Groß, düster und wütend. Das sind die passenden Attribute für das neue Deftones-Album. Vergeßt alles, was im Vorfeld über das Album gesagt wurde: Die unendlichen Querelen, bis das Ding endlich erhältlich war. Die Debatten über Stil- und Namenswechsel. "White pony" ist da, und alles wird gut. Oder besser gesagt: Alles ist schlecht. Denn genau so klingt das Album. Chino Moreno muß es wirklich dreckig gehen, sonst hätte er nicht ein solches Album schreiben können. Schon immer war es das Markenzeichen der Deftones, daß man sich in deren Psyche versetzen konnte, jeder Ton und jeder Schrei zum eigenen wurde. Doch diesmal gehen sie besonders weit: Man glaubt, die Schmerzen und die brodelnde Wut, die Chino beim Schreiben der Songs gefühlt haben muß, in jeder Sekunde am eigenen Körper zu spüren. Die beschwörenden, verlorenen Gesänge über Erfahrungen und Emotionen, in denen man die stark unterdrückte Wut über die Schattenseiten des Lebens fühlen kann, kanalisieren sich zu noisigen Ausbrüchen. Chino schreit sich die ganze Wut vom Leib, pusht nach vorne und läßt einen schließlich wieder völlig entkräftet zurück.
Der Opener "Feiticeira" ist noch das Stück, das am stärksten stark an das Vorgängeralbum "Around the fur" erinnert. Im weiteren Verlauf der Platte wird es immer düsterer und hoffnungsloser. Die Stücke werden länger und lassen auch mal Platz für ausuferndes Gitarrenspiel. Aggressive Parts stehen neben beeindruckender Melodiosität, Wut und Verzweiflung verschmelzen zu einem kompakten Ganzen. Auch die Kunst des Tempowechsels wurde perfektioniert. Nahezu jeder Song verfügt über einen extremen Spannungsbogen und entwickelt sich während des Spiels. Abwechslung wird ganz groß geschrieben. Kaum eine andere Band versteht es derart, in einem einzelnen Song so viele Wechselbäder zu durchlaufen, so viele Emotionen zu verpacken und dabei trotzdem immer auf den Punkt zu kommen. Vom wütenden Angriff auf die "Big Brother"-artige Kontrolle als Schattenseite des moderenen Lebens im genialen "Digital bath" über die Veränderungen eines Kindes in der wohl ersten echten Deftones-Ballade "Teenager" bis hin zu Beziehungsproblemen - alles wird verarbeitet. Keineswegs bleiben die Deftones dabei immer durchschaubar. Vieles wirkt verschlüsselt oder abstrakt, doch die Texte leben von ihrer Intelligenz und Emotionalität, die ihre Bedeutung bereits im Klang zum Ausdruck bringt. Einen der absoluten Höhepunkte findet "White pony" im Teamwork mit Tool- und A-Perfect-Circle-Frontmann Maynard James Keenan. In "Passenger" finden die wahrscheinlich wichtigsten Köpfe intelligenter und harter Musik in einem Duett zusammen und lassen etwas wahrhaft Großes herauskommen. Das Beste aus beiden Welten findet hier eine wunderbare Melange.
Das von Terry Date produzierte Album stellt endgültig den Durchbruch für diese absolute Überband dar. War "Around the fur" ein Achtungserfolg, der die Freunde harter Musik auf die Fähigkeiten der Band aufmerksam machte, stellt "White pony" die Vervollkommenung des Bandstils dar. Die Deftones haben sich ihrer Musik mit Haut und Haaren verschrieben, leben und atmen sie und lassen jeden an ihrer Gefühlswelt teilhaben. Eben diese Offenheit verhindert, daß die Band an den eigenen Problemen kaputtgeht, ermöglicht eine Verteilung der Wut auf viele Schultern und erklärt Faszination und Abhängigkeit gleichermaßen. Man selbst wird Teil der Band, versteht ihre Gefühle, kämpft mit und drückt wie ferngesteuert nach jedem Durchlauf erneut den Play-Knopf. Waren auf dem letzten Album noch viele gute Songs hintereinander gereiht und sogar einzelne Singlehits enthalten, stellt diese Platte vielmehr eine Einheit dar. Man sollte "White pony" als homogenes Ganzes begreifen. Die Atmosphäre entfaltet sich erst, wenn man sich vollständig auf das Album einläßt und Teil des Gesamtkunstwerks Deftones wird.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Digital bath
- Rx queen
- Passenger (feat. Maynard James Keenan)
- Change (in the house of flies)
Tracklist
- Feiticeira
- Digital bath
- Elite
- Rx queen
- Street carp
- Teenager
- Knife prty
- Korea
- Passenger (feat. Maynard James Keenan)
- Change (in the house of flies)
- Pink maggit
Im Forum kommentieren
Sloppy-Ray Hasselhoff
2024-09-08 23:29:20
Laut Moreno die härteste Aufgabe ihrer Karriere, weil sie nach Adrenaline und "Fur" nicht wussten, wie sie weiterkommen sollten und wollten. Vor allem zwischen Moreno und Carpenter (Stephen - for the Fuckers) soll es gekracht haben. Carpenter als Meshuggah-Fan, wollte härtere Riffs und vertrackte Richtungen. Moreno bringt ins Studio "digital bath" und die Grundidee zu "Change (in the house of flies)". Letzlich schaffte es mit "Elite" ein Song von Carpenter auf das Album. Die Band bezeichnet "Flies" heute noch als ihr bestes Stück. Bin unwürdig, dem zu widersprechen. Die Welt braucht mehr Deftones.
Rote Arme Fraktion
2024-09-08 22:13:13
Elite das Low-Light der Scheibe. Oder einfach ein guter Song neben Giganten, daher wirkt es so.
Bin gerade wieder dabei, das erste mal mit meinen Sennheiser Momentum 4.
fuzzmyass
2023-11-21 13:56:48
"Es geht nichts über "Feiticeira" als Opener und "Pink Maggit" als Closer."
Ich hatte bisher nie eine andere Version gesehen - auch die Jubiläumsreissue auf Vinyl vor Paar Jahren hatte Feiticeora als Opener... wisste gar nicht, dass es eine Version mit Back To School als Opener gibt, schreckliche Vorstellung :)
Oceantoolhead
2023-11-14 08:00:01
@Felix H
Der Smilie hinter diesem Statement (den du im Zitat ausgelassen hast) sollte eigentlich zeigen wie Ernst diese Aussage gemeint war.
Huhn vom Hof
2023-11-13 21:28:48
Finde die normale 11-Track-Version auch am besten. Weder "Back to School" noch "The Boy's Republic" passen da drauf.
*zustimm*
Es geht nichts über "Feiticeira" als Opener und "Pink Maggit" als Closer.
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