
Altin Gün - Aşk
Glitterbeat / IndigoVÖ: 31.03.2023
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Ein Wiedersehen mit guten Freunden nach längerer Zeit ist in den allermeisten Fällen ein Grund zur Freude, aber auch immer mit einem ganz bedachten Abtasten verbunden – wie geht's, was macht die Kunst, was ist passiert im Leben seit dem letzten Aufeinandertreffen? Nun begibt es sich passenderweise so, dass der Schreiber dieser Zeilen und Altin Gün sich relativ genau zwei Jahre nach ihrer letzten Begegnung zum anstehenden Release des neuen Albums "Aşk" wiedersehen. Was in der Zwischenzeit so passiert ist? Nun, beim Schreiberling letztendlich nur der übliche glamouröse Büroalltag im vollverglasten Redaktionsgebäude. Aufregender waren die vergangenen Jahre definitiv für Altin Gün: "Yol" war anno 2021 das dritte Studioalbum des türkisch-holländischen Sechsers und erschloss im Bandkosmos einige neue Sphären: rein musikalisch mit dem neu gewonnenen Fokus auf elektronisch angehauchten Synths und einem deutlich luftigeren Klangbett. Was dann in Folge wiederum für einen Karriere-Boost sorgte und – nach der Corona-Zwangspause – bestens besuchte und gefühlt nie enden wollende Tourneen durch alle Ecken der Welt nach sich zog. Langeweile wird im Hause Altin Gün also eher keine aufgekommen sein.
Wohl aber der Wunsch, den fluffigen Songs des Vorgängers eine Rückbesinnung auf die deutlich verschrobeneren, wilderen und vom Anatolian Rock abgeleiteten Erstwerke folgen zu lassen. Ein Versprechen im Vorfeld, dessen Erfüllug "Aşk" umgehend deutlich macht: Schon das Opener-Duo aus "Badi sabah olmadan" und "Su siziyor" gibt sich deutlich umtriebiger und hemmungsloser als noch vieles auf "Yol" – die von Sänger Erdinç Ecevit gespielte Saz tritt wieder deutlich stärker in den Vordergrund, während die Instrumentalfraktion rund um Bassist und Mastermind Jasper Verhulst sehr straight nach vorne prescht. "Badi sabah olmadan" gönnt sich dabei gar ein wildes, ausschweifendes Instrumental-Break zur Songmitte – kann man machen und ist hier ganz und gar famos umgesetzt. Auch die Vorab-Single "Leylim ley" gibt sich spritzig, tränkt ihren Background-Gesang in Flanger-Effekte und lässt hier und da eine schwelgerische Note durchscheinen. Durchaus ein erfolgreicher Callback zu den auf "On" und "Gece" gefeierten Re-Interpretationen von türkischen Volksliedern, allerdings auch ohne den ganz neuen Twist. Hauchdünne Abnutzungserscheinungen am bewährten Bandsound lassen sich hier nicht gänzlich verbergen.
Denn trotz des erfrischenden Energie-Boosts, den "Aşk" an vielen Stellen repräsentiert, liegen die besten Momente in den etwas zurückgenommeneren Songs, die sich Zeit für reichlich Facettenreichtum nehmen und ihre Arrangements etwas mehr atmen lassen. Besonders das psychedelische Duo aus "Dere geliyor" und "Çit çit çedene" sticht hier heraus: Ersteres gibt sich sehr reduziert und wird von einer behutsam agierenden Instrumentalfraktion und der schallenden Stimme von Sängerin Merve Dasdemir getragen – ein paar Percussions spielen sich im Hintergrund mit in den Soundmix, dezente Synths wollen auch noch mitmischen. Eine vereinnahmende Dynamik, der man sich in ihrer fantasievollen Ausarbeitung nur schwer verwehren kann. "Çit çit çedene" setzt auf schräge Elektro-Fiepsereien und funky Gitarrenläufe, konstrastiert dabei straighte Drumbeats mit ein paar vertrackten Einschüben und steht damit für die Blaupause des Altin-Gün-Sounds: absolute Tanzbarkeit, die immer wieder von melancholischen und hinterfragenden Untertönen durchbrochen wird. In eine ähnliche Richtung gehen auch das tolle "Güzelligin on para etmez" mit seinen Western-Anleihen und der schräge Closer "Doktor Civanim". Schön, dass Altin Gün wieder da sind und ihren Wurzeln stärker frönen als noch auf "Yol" – ebenso schön allerdings, dass die Fantasie und das Weiterdenken des Bandsounds immer noch auf der Agenda stehen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Badi sabah olmadan
- Dere geliyor
- Doktor Civani
Tracklist
- Badi sabah olmadan
- Su siziyor
- Leylim ley
- Dere geliyor
- çit çit çedene
- Rakiya su katamam
- Canim oy
- Kalk gidelim
- Güzelligin on para etmez
- Doktor Civanim
Im Forum kommentieren
fakeboy
2023-04-10 23:33:11
Kann es sein, dass dem Rezensenten nicht bewusst ist, dass Cit Cit Cedene eine Coverversion von Baris Manco ist? Eine ziemlich schwache übrigens. Und wie kann es sein, dass Baris Manco oder Selda Bagcan nicht bei den Referenzen auftauchen?
vinylium_senfterum
2023-04-10 23:21:14
richtig gut! https://youtu.be/8IXG-g1jqJg
Telecaster
2023-04-06 20:33:57
Für mich ganz klar die beste seit On.
cargo
2023-03-31 10:44:06
Schade, dass man den Weg von "Yol" nicht noch weiter verfolgt hat. Das neue Album kommt schon fast etwas bieder daher im Vergleich. Finde es deutlich schwächer.
Armin
2023-03-22 20:39:46- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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Referenzen
Surftipps
- https://glitterbeat.com/artists/altin-gun/
- https://en.wikipedia.org/wiki/Alt%C4%B1n_G%C3%BCn
- https://www.facebook.com/altingunband
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- https://genius.com/artists/Altin-gun
- https://www.discogs.com/artist/5793123-Alt%C4%B1n-G%C3%BCn
- https://altingunband.bandcamp.com/
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