Unknown Mortal Orchestra - V

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 17.03.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Panik unter Palmen

Eine beruhigt schwingende, aufsteigende Akkordfolge auf dem Keyboard, darunter mischen sich allmählich Synthesizerklänge, bevor in vertrauter LoFi-Manier eine sanft verzerrte E-Gitarre einsetzt. Untermalt ist dieser gelassene Sound von einer gemütlich tänzelnden Bassspur und einigen reduzierten Schlagzeug-Auftakten, es folgt die Stimme: "Hold on tight‚ cause it’s violent after dark in the garden."

Dass sich Unknown Mortal Orchestras Gründer und Songwriter Ruban Nielson in seinem musikalischen Schaffen vollkommen von seinem jeweiligen äußeren und inneren Zustand beeinflussen lässt, ist kein Geheimnis. Wurde das 2015er-Album "Multi love", das sich mit der polyamoren Beziehung Nielsons zu seiner Ehefrau und einer weiteren Liebhaberin beschäftigt, komplett im Keller des Multiinstrumentalisten aufgenommen, entstanden die Folgeplatten "Sex & food" sowie "IC-01 Hanoi" in Auckland, Reykjavík, Seoul, Portland und Hanoi. Aus extremen Situationen resultieren so mit jeder LP neue Klänge, denen man ihre Inspirationen anhört – sei es Jazz nach Miles Davis oder Psych-Pop nach Tame Impala. Für "V" machte sich der neuseeländisch-hawaiianische Nielson seit 2019 wiederum samt seiner Familie nach Palm Springs in Kalifornien auf. Einerseits die wohlsam wärmende US-amerikanische Westküste genießend, sah er sich hier andererseits konfrontiert mit seinem eigenen Burnout und gesundheitlichen Problemen seiner Familie auf Hawaii. In den folgenden Monaten entstand mit "V" die erste Doppel-LP des Unknown Mortal Orchestra.

"V" lebt von einem luftig gewebten, tropisch flirrenden Klangteppich, der in gemächlicher Gelassenheit die Atmosphäre eines sonnendurchfluteten Tags zwischen der US-amerikanischen Westküste und den Stränden Hawaiis fixiert. Doch unter jenem scheinbar makellosen Teppich der Sorglosigkeit brodeln Verlustängste, Depressionen, Schuldgefühle und die schiere Überforderung in der Bewältigung täglicher Aufgaben. So spielt der Chorus des vorwärts treibenden "That life" im funky Call-and-Response-Prinzip mit Nielsons Stimme und einem lebhaften Gitarrenriff – porträtiert wird hier eine ausgelassene Stimmung in der hawaiianschen Mittagshitze. Doch lyrisch zeichnet "That life" die Diskrepanz zwischen der konsumorientierten, unbekümmerten Lebensweise und der tiefer liegenden, vollkommenen Bitterkeit und dem naiven Luxus der US-amerikanischen Gesellschaft auf. Und auch das Animal-Collective-eske "Layla" versucht verzweifelt, die richtigen Worte für eine junge Frau zu finden, die am Ausbruch aus den eigenen, aussichtslosen Lebens- und Arbeitsverhältnissen scheitert. Die von ihrem drastischen Storytelling lebenden Tracks auf "V" werden im Albumverlauf durchbrochen von einigen dynamischen Instrumentalstücken, die sich eindeutig am Funk und Soul der Siebziger- und Achtzigerjahre orientieren. Dazu kommen Einflüsse des hawaiianischen Genres "Hapa-Haole", das traditionelle Instrumente und Rhythmen mit populärer Musik, englischen Lyrics und naturbezogenen Thematiken mischt.

"V" klingt gegen Ende so gemächlich, wie es auch begann: Der Track "I killed Captain Cook" ist aus der Perspektive Kalaimanokaho'owahas formuliert, jenes Häuptlings, der 1779 tatsächlich den kolonialistischen Kartographen James Cook umbrachte. Musikalisch ist von dieser Brutalität aber nichts zu hören, "I killed Captain Cook" begleitet in reduzierter akustischer Weise in das gelöste Ende eines Tages an der hawaiianschen Küste.

(Nicola Koch)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Layla
  • Shin ramyun
  • Nadja
  • I killed captain cook

Tracklist

  1. The garden
  2. Guilty pleasures
  3. Meshuggah
  4. The widow
  5. In the rear view
  6. That life
  7. Layla
  8. Shin ramyun
  9. Weekend run
  10. The beach
  11. Nadja
  12. Keaukaha
  13. I killed Captain Cook
  14. Drag
Gesamtspielzeit: 60:12 min

Im Forum kommentieren

smrr

2023-03-23 18:04:10

Wird bei mir sowas von laufen, wenn die verschissene Sonne mal wieder auf 18°plus stellt.

Und dann will ich auch die 50+ Postings hier sehen. Ist ja viel zu ruhig dafür, dass die Platte eigentlich für die plattentests-Zielgruppe quasi wie gemacht ist.

kingbritt

2023-03-23 18:00:36

"Richtig gut bekifft-versponnenes Album"

. . . right, mit surf california/westcoast vibes.
Auch der Sound schön bekifft zusammengeschraubt im radio-tune homerecording style.

Schon mal ein Favorit und auch Tipp @all für den kommenden Sommer.

smrr

2023-03-20 17:57:32

Richtig gut bekifft-versponnenes Album. Geile Melodien, ohne aufdringlich zu sein.

kingbritt

2023-03-11 19:30:57


. . . was für mich, dem experimentellen Soundscaper. Geordert, dann mehr.

Schöne Rezi, da wird mir warm ums Herz.

Armin

2023-03-08 21:15:10- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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