The Lathums - From nothing to a little bit more

Island / Universal
VÖ: 03.03.2023
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Do you remember?

Ein kleiner, bebrillter Junge steht mit Gitarrenkoffer am Straßenrand im nordenglischen Nirgendwo. "From nothing to a little bit more" steht auf dem Pappschild, das seine Mitfahrgelegenheit sichern soll. Die Symbolkraft dieses Albumcovers samt Titel ist klar: die Musik als Ausweg aus dem trostlosen Arbeitergrau in eine unabhängige Zukunft. The Lathums machen weiterhin keinen Hehl aus ihrer geografischen wie spirituellen Herkunft. Ihre Songs kanalisieren Sehnsüchte und Euphorie, ohne die Gefahr des Scheiterns zu verdecken – neben dem von Kollege Fritzenkötter in der Vorgänger-Rezension gepriesenen, märchenhaften Pokalerfolg ihres Heimatclubs Wigan Athletic steht ja auch das triste Tagesgeschäft zwischen zweiter und dritter Liga. Ihre Songs sind sensibel, aber hemdsärmelig genug, um zu einer Stadt zu passen, in der jährlich die Weltmeisterschaft im Fleischpasteten-Essen stattfindet. Nichts am Quartett um Alex Moore ist auf nennenswerte Weise überraschend – außer vielleicht, dass dieser an Generationen britischer "The"-Bands geschulte Indie-Rock auch in den 2020er-Jahren noch so erfolgreich sein kann, dass ihr Debüt "How beautiful life can be" den ersten Platz seiner heimischen Charts erreichte. Doch Erwartungen zu erfüllen, ist ja nichts wirklich Schlimmes, oder?

Jein. The Lathums wissen natürlich genau, was sie tun. "I sometimes think to when I was young / To happier times, but now they have gone", klagt Moore im eröffnenden "Struggle", das sein Dasein als Piano-Ballade nur kurz antäuscht. Es dauert nicht lange, bis die Band auf Stadion-Lautstärke aufdreht, "Oh-oh"s anstimmt und Zeilen wie "And the world kicked back, it forced me to my kness" aufmüpfig statt niedergeschlagen erklingen. "Turmoil" baut sich ungleich eleganter auf, wirft Keane in den Referenz-Cocktail und kapert ein angekitschtes Kaufhaus-Orchester für die obligatorische Klimax. Etwas sehr bemüht klingen die herausgepressten Emotionsfluten jedoch in solchen Momenten konstruierter Dramatik. Besser machen es "Say my name", in dem Scott Concepcions Gitarre zwischen Stakkato-Riffs und entfesseltem Wah-Wah-Solo alles kann, oder das twee-poppig durch seine "mixed up, messed up, fucked up world" pflügende "Sad face baby". Der Uptempo-Hoppler "Lucky bean" knüpft indes feinstes Smiths-Gejangle an Ska-Bläser – und spätestens hier kehrt ein musikalisches Lebensgefühl zurück, das ein wenig abhanden gekommen ist, seitdem die Aushängeschilder des Nullerjahre-Indies in der Irrelevanz verschwunden (hallo, The Kooks) oder in völlig andere Sphären (hallo, Arctic Monkeys) gedriftet sind.

Nicht nur in diesem Sinne bleibt die Sehnsucht der Kernantrieb einer Platte, die immerzu nach weit entfernten Orten oder vergangenen Zeiten zu greifen scheint. Zwischen Handclaps und einem gut aufgelegten Bass schlendert Moore in "I know pt. 1" eine famose Gesangsmelodie entlang, die an Sixties-Girlgroups erinnert. Das ambitioniertere "Land and sky" nimmt am Ende die Ausfahrt Richtung mexikanischer Wüste, während Concepcion seine konstanten Johnny-Marr-Verbeugungen für ein kurzes Zunicken vor Carlos Santana unterbricht. Stilistisch stecken The Lathums damit allerdings weitgehend das gleiche Feld wie auf dem Vorgänger ab – was in Kombination mit insgesamt weniger sitzenden Hooks und dem zwar schönen, aber mit acht Minuten überüberlangen Akustik-Closer "Undeserving" dazu führt, dass sich "From nothing to a little bit more" etwas wie ein Rückschritt anfühlt. Zu wenig, um den in Wahrheit eh nicht wirklich hilfsbedürftigen Indie-Rock zu retten, wahrscheinlich genug, um weitere Achtungserfolge auf Festival-Bühnen und in den Charts zu erzielen – Noel Gallagher hat ja mal nicht zu Unrecht "You don't have to be great to be succesful" auf Kosten des armen Phil Collins gesagt. Ganz so schlimm steht es um Moore und Co. nun auch nicht.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I know pt. 1
  • Sad face baby
  • Land and sky

Tracklist

  1. Struggle
  2. Say my name
  3. I know pt. 1
  4. Lucky bean
  5. Facets
  6. Rise and fall
  7. Sad face baby
  8. Turmoil
  9. Land and sky
  10. Crying out
  11. Undeserving
Gesamtspielzeit: 45:15 min

Im Forum kommentieren

Herr

2023-04-09 13:18:32

Die Rezi trifft es genau!
Morgen Konzert in Berlin….

Gordon Fraser

2023-03-02 15:44:21

Der Link zum Vorgängeralbum führt zu Xiu Xiu.

Armin

2023-03-02 11:15:45- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2023-01-22 13:13:40- Newsbeitrag

The Lathums veröffentlichen heute ihre Single “Struggle” + Musikvideo
Album „From Nothing To A Little Bit More” erscheint am 3. März 2023


die britische Indiepop-Band “The Lathums” arbeitet weiter an ihrem Aufstieg an die Spitze: zuletzt ist mit „Turmoil“ der Nachfolger ihrer ersten Single „Say My Name“ aus ihrem neu angekündigten zweiten Album „From Nothing To A Little Bit More“ veröffentlicht worden. Heute folgt „Struggle“, der bisher persönlichste Song aus ihrem neuen Longplayer.



The Lathums – Struggle (Official Music Video)





Die Veröffentlichung des zweiten Albums ist für den 03. Februar 2023 datiert und soll – laut der Band – „ein Akt der Rebellion sein“. Ihr könnt Euch auf mehr „Trauriges und Seltsames“ in insgesamt elf Songs freuen.

Produzent des Albums ist Jim Abbiss, der unter anderem schon für Adele, Arctic Monkeys und Bombay Bicycle Club produziert hat.

Armin

2022-12-17 16:43:03

"Turmoil" finde ich klasse - das schlicht-unprätentiöse Video dazu auch.

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