Black Belt Eagle Scout - The land, the water, the sky

Saddle Creek
VÖ: 10.02.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Nicht weit vom Stamm

"The land, the water, the sky". Nein, Katherine Paul hat nicht den Soundtrack für die nächste Fuhre "Avatar"-Sequels gemacht, ihre Naturverbundenheit ist purer und persönlicher als ein von Hollywood reproduziertes Stereotyp. Die als Black Belt Eagle Scout bekannte Musikerin indigener Abstammung wuchs in einem Swinomish-Reservat im US-Staat Washington auf, was ihr einen disparaten Mix musikalischer Prägungen bescherte: den Grunge des nahen Seattle auf der einen, die traditionelle Trommelgruppe ihrer Familie auf der anderen Seite. Als erwachsene Frau zog Paul nach Portland, Oregon, kehrte im Zug der Pandemie jedoch in ihre Heimat zurück. Sie suchte Trost in dunklen Zeiten, und fand ihn in den atemberaubenden Landschaften, die den Geist vergangener Generationen atmen. Stilistisch bleibt sie zwar ihrem in Shoegaze getränkten Indie- und Alternative-Rock treu, doch schwingt auf ihrem dritten Album der emotionale wie spirituelle Einfluss der Umgebung immer mit.

Dieser ist nicht immer beruhigend. Der Opener "My blood runs through this land" versteht seinen Titel durchaus wörtlich: Sein verzerrter Sturm nah am Metalgaze vorbeirauschender Gitarren, böser Drums und unverständlicher Vocals vertont die sinnliche Überwältigung inmitten der Natur ebenso wie die Gewalt, die nicht nur in dieses indigen bevölkerte Land eingeschrieben ist. Das luftigere "Sedna" fischt aus einer ähnlichen Palette, erinnert mit seinem strukturierteren Geschrammel aber eher an Soccer Mommy und Konsortinnen – auch wenn diese mit dem besungenen "you" vermutlich nicht die Inuit-Göttin der Meere meinen würden. Ein Trick, den Paul öfter auffährt. Zärtlich gehauchte Zeilen wie "I see the way you look at me dancing / I see the way you love me" aus "Sčičudᶻ (A narrow place)" klingen nach Liebeslied, richten sich hier jedoch an den titelgebenden Pfad, auf dem Paul mit ihrer Klampfe bewaffnet Teile der Platte schrieb. "The land, the water, the sky" kommuniziert mit dem Ort wie mit einem lebendigen Wesen, kartografiert einen Raum gegenseitigen Verständnisses, in dem auch ein etwas zielloses Quasi-Interlude namens "On the river" Sinn ergibt.

Gemeint ist damit der Fluss Skagit, ebenso Bezugspunkt von "Salmon stinta": einem Kondensat reiner Melancholie, in dem Phil Elverum alias Mount Eerie als Duettpartner auftritt und stromaufwärts schwimmende Lachse als Symbol für die Beschwernisse von Pauls Community nutzt. "Nobody sang it to me like I wanna sing it to you", heißt es in "Nobody" im Verweis auf das Fehlen medialer Native-Vorbilder in Pauls Kindheit, auch wenn dieser satt auf seinem Synth-Bett groovende Dream-Pop-Dynamo ungleich beschwingter daherkommt – ein Momentum, das sonst nur der naive Zuckerschock von "Fancy dance" aufgreift, wenn er sich ausnahmsweise mal nach ganz unspiritueller Liebe sehnt. Am anderen Ende des Stimmungsspektrums schwebt das mysteriöse "Treeline", das mit gedämpften Tribal-Drums und im Schatten wachsenden Gitarren-Ranken die Nähe von Waldgeistern sucht und dabei sogar ganz leichte Radiohead-Assoziationen weckt.

Es ist einer der wenigen Ausreißer eines Albums, das seine weitflächige Gleichförmigkeit jedoch stets mit emotionaler Direktheit ausgleicht. "I know it's wrong to love everyone but myself but / Sometimes I can't even hold me", singt Paul in "Understanding", doch manchmal bedarf es gar keiner Worte. Wenn "Blue" etwa in seinem Crescendo die großen Post-Rock-Sternschnuppen in den Himmel schießt – oder sich in "Spaces" Streicher und Slide-Gitarren umeinanderschlingen, bevor Pauls Eltern in den sprachlosen Wohlklang einsteigen und gerade der kraftvolle Pow-Wow-Gesang ihres Vaters den Track zu einem der bewegendsten des bisherigen Musikjahres emporhebt. "You heard it here today / I told you my story / That I found healing in you", erklärt Paul ihrer liebsten Gesprächspartnerin im kathartischen Closer "Don't give up". "The land, the water, the sky", erklingt als Echo, das endlos nachhallt, solange trostbedürftige Seelen einen Zufluchtsort brauchen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • My blood runs through this land
  • Spaces
  • Don't give up

Tracklist

  1. My blood runs through this land
  2. Sedna
  3. Salmon stinta
  4. Blue
  5. On the river
  6. Nobody
  7. Fancy dance
  8. Sčičudᶻ (A narrow place)
  9. Treeline
  10. Understanding
  11. Spaces
  12. Don't give up
Gesamtspielzeit: 46:41 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2023-03-02 12:00:56

Es gibt schon einen Thread, in dem aber der Bindestrich im Titel fehlt. Vielleicht kann man den ergänzen.

Armin

2023-03-02 11:13:10- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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