Team Scheisse - 042124192799

SoulForce / BMG
VÖ: 24.02.2023

Anarchie für alle

Manchmal halten Hypes dann doch, was sie versprechen: Team Scheisse haben Fun-Deutschpunk salonfähig gemacht, spielen auch außerhalb von winzigen Ranzläden und auf fachfremden Festivals und bespaßen außerdem ein Publikum, das ansonsten in eher anderen musikalischen Gefilden unterwegs ist. "Ich habe Dir Blumen von der Tanke mitgebracht (Jetzt wird geküsst)" hat noch keine eineinhalb Jahre auf dem Buckel, da liefern die Bremer auch schon den Nachfolger, geben ihm mit "042124192799" eine obskure (Telefon-)Nummer als Titel und veranstalten zum wiederholten Male eine Mordsgaudi. Wie viel Mehrwert hat das Konzept noch? Kommt drauf an, ob man sich auf den Schabernack einlässt. Ihre Erfolgsformel variieren Team Scheisse nämlich nicht, sondern machen halt weiterhin kleine Hits aus kleinen Themen.

Punk ist immer noch, was man selbst draus machst: Den Dadaismus von Schmetterling" könnte man durchaus als Kommentar zu grandiosem Narzissmus oder mindestens zu Überheblichkeit lesen, muss man aber auch nicht. Der Dadaismus aus "Käsesortiment" kann dagegen definitiv als außerordentlich deep ausformulierte Metapher zum Leben an sich interpretiert werden – "Riesen Auswahl, aber alles stinkt." Ist so, nicht nur für Misanthropen. Objektophile Romanzen inklusive Fremdgehen gehören ebenso zum Repertoire, wenn das Fahrrad des Kumpels dann doch ein bisschen hotter ist als das eigene und einem schöne Augen macht. Hier sind Team Scheisse musikalisch wieder sehr nah am Anfänger-Indie-Rock der Marke Frühneunziger-Tocotronic. Fast schon Hardcore-Vibes mit "Frieda und die Bomben"-Geschmack hingegen verteilt "FA", das mal nicht den Humor in den Mittelpunkt stellt, sondern Klartext spricht: Bist Du nicht entschieden gegen Rechts, bist Du vermutlich dafür. Es muss nicht immer alles albern sein.

Nicht nur wegen derartigen ernsthaften Anwandlungen – siehe auch "Safeword Einzelfall" – gilt: Einen satirischen Kommentar zum Genre Deutschpunk kann man "042124192799" als Ganzes nicht nennen, mindestens aber machen Team Scheisse sich noch ordentlich darüber lustig. Das Album ersäuft einerseits in Sprachsamples, andererseits wird auch über den Tellerrand geblickt. Es gibt nämlich ebenfalls ein bisschen Synthie sowie ein hochprofessionell vorgetragenes Blockflötensolo in "Ich dreh mich nochmal um". Unbedingt erwähnenswert: "Vorratskammer", welches "Denkmal" von Wir Sind Helden verwurstet und in eine Pop-Punk-Nummer mit Kajal-Kante verwandelt. Geil! Ein bisschen die Luft raus ist allerdings spätestens bei eher Durchschnittlichem (respektive Nervigem) wie "Cobratattoo" oder "Stöpsel".

Mit ihrem unwahrscheinlichen Signing und explosiven Live-Shows haben Team Scheisse sich auch außerhalb von Szeneschranken und Subkultur einen Namen gemacht. Und Überraschungseffekte lassen sich grundsätzlich nur schwer wiederholen, klar. Hits wie "EDK", "Disko" oder "Vorgesetzter" aber, die das Debüt noch auszeichneten, wiederholen sich auf "042124192799" auch nicht. Die Single "Elfmeterschießen" zieht ein Fazit, das an sich gut zum Album passen würde: "Manchmal schießt Du, triffst Du links / Manchmal schießt Du, triffst Du rechts." Das gilt aber leider nicht immer auch für Team Scheisse: Bisweilen trifft die Band genau ins Schwarze, mitunter aber eben auch nicht. Das soll und wird der Partypunk-Gesellschaft vor den Bühnen der Nation aber ihren Spaß nicht verderben.

(Ralf Hoff)

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