Philip Selway - Strange dance
Bella Union / Rough TradeVÖ: 24.02.2023
Heiter bis folkig
Eigentlich könnte diese Rezension nach dem nächsten Satz enden. Philip Selway, der Schlagzeuger von Radiohead, macht auch auf seinem dritten regulären Soloalbum "Strange dance" wunderschöne Musik. Aber irgendwie wäre das auch ein wenig gemein. Selway, der bei seiner Hauptband stets stoisch im Halbschatten sein Werk verrichtet, hat Aufmerksamkeit verdient. Ein großer Sänger wird er in diesem Leben freilich nicht mehr werden, das muss er allerdings auch gar nicht, da seine Stärken woanders liegen. Selbstverständlich warten seine Kompositionen mit zahlreichen cleveren rhythmischen Ideen auf, diese wären jedoch ohne Selways Fähigkeiten als Arrangeur wirkungslos. Und was für ein Arrangeur er mittlerweile ist!
So beginnt "Picking up pieces" als unscheinbare Ballade, ehe sich die Musik zunehmend verdichtet. Am Ende erstrahlt der Song im Geigenglanz. Ebenso eindrucksvoll geht Selway in "What keeps you awake at night" zu Werke. Auch hier lässt er sich viel Zeit, bis alle Motive eingeführt sind. Danach kombiniert er sie nach Lust und Laune, ohne dabei die Dramaturgie des Songs aus den Augen zu verlieren. Der Lohn: ein herrliches Finale, das Lust auf mehr weckt. Da dem Künstler das Wohl des Konsumenten am Herzen liegt, macht er auf diesem hohen Niveau weiter.
Bisweilen schrammt er dabei zwar am Kitsch entlang, "The other side" wirkt beispielsweise aufgrund seiner süßlichen Melodieführung überzuckert. Wer kein Problem mit allumfassendem Schönklang hat, wird allerdings auch hier an einem glücksseligen Lächeln nicht vorbeikommen. Dieses verlässt das Gesicht im weiteren Verlauf nur selten. Songs wie "Make it go away" sind einfach zu liebenswürdig, um nicht mit Anerkennung quittiert zu werden. Selway mag kein Genie sein, er weiß stattdessen aber sehr genau, was er kann und was er will.
Und wenn das dann in Spinnereien wie dem Titelsong resultiert, sei es ihm auch gegönnt. Mit einer gewissen Tapsigkeit wagt er sich hier in dunklere Gefilde. Der Honigtopf ist sein Ziel, die Taschenlampe sein einziges Werkzeug. Zielstrebig funzelt er sich voran, bis sich alles in Wohlgefallen auflöst. Absoluter Höhepunkt des Albums ist indessen das famos orchestrierte "The heart of it all". Nach einem mehrminütigen Spannungsaufbau explodiert der Song im letzten Refrain in schillernden Farben. Bläser, Streicher und Synthesizer winden sich in schwindelerregende Höhen, während im Hintergrund langsam die Sonne aufgeht. Ja, er kann schon was, dieser Philip Selway.
Highlights & Tracklist
Highlights
- What keeps you awake at night
- Picking up pieces
- The heart of it all
Tracklist
- Little things
- What keeps you awake at night
- Check for signs of life
- Picking up pieces
- The other side
- Strange dance
- Make it go away
- The heart of it all
- Salt air
- There'll be better days
Im Forum kommentieren
Old Nobody
2023-12-05 00:15:19
Pivo
2023-02-16 10:44:52
Picking up Pieces klingt schon einmal sehr schön.... Da kann man sich vorsichtig optimistisch an das Album wagen. Wenn der Wohlklang wirklich, wie in der Rezi versprochen, vergleichbare Höhen erreicht, dann wird es ein sehr angenehmes Hören.
Armin
2023-02-15 21:40:25- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Affengitarre
2023-01-12 22:49:19- Newsbeitrag
Am 24. Februar erscheint Selways neues Soloalbum "Strange Dance", die beiden Songs "Check for Signs of Life" und "Picking Up Pieces" kann man bereits hören:
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Referenzen
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