Gorillaz - Cracker island

Parlophone / Warner
VÖ: 24.02.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schweiß nicht, was Du meinst

Blickt da noch jemand durch? 2020 formulierten Gorillaz eine Abkehr von der klassischen Idee des Albums und spuckten mit einem Projekt namens "Song machine" in regelmäßigen Abständen Singles aus, die in ihrer Kompilation als "Strange timez" absurderweise die kohärenteste Gorillaz-Platte seit "Plastic beach" ergaben. Trotz der vielsagenden Etikettierung als "Season one" setzen Damon Albarn und Jamie Hewlett die Serie jedoch nun keineswegs fort, sondern veröffentlichen: ein Album. Ein mit zehn Tracks und 37 Minuten erstaunlich kompaktes Ding namens "Cracker island", das lose auf einem Konzept über einen seltsamen Kult fußt – sich im Wesen aber gar nicht mal so extrem von seinem Vorgänger unterscheidet, da es sich stilistisch wieder nicht festnageln lässt und mit einer sowohl Genres als auch Generationen überspannenden Gästeliste Stevie Nicks, Tame Impala und Bad Bunny zum wahrscheinlich einzigen gemeinsamen Tonträger ihres Lebens zusammenbringt.

Stimmungstechnisch ist "Cracker island" sogar gespaltener als "Strange timez": Die Affenbande stylt sich für an "Humanz" erinnernde Club-Banger auf, um kurz darauf die psychedelischen Hängematten-Trips dessen Nachfolgers "The now now" einzuwerfen – Hauptsache, der Schweiß fließt. Um als Hörer*in einen kühlen Verstand zu bewahren, sollte man all dem Gedöns, als was Gorillaz ihre neue Musik nun bezeichnen, am besten keine Beachtung schenken – und sich lieber darüber freuen, dass die beste (und einzig relevante) virtuelle Band der Welt auch im dritten Jahrzehnt ihres Bestehens den Spagat von Eigensinn und Zeitpuls-Sensibilität perfekt schafft. Diesmal ohne ein Karriere-Highlight wie "Desolé", dafür mit "New gold" als am hellsten glänzende Gallionsfigur: ein angefunkt durch Kevin Parkers Pastell-Disco pumpender Hit, dem Ex-The-Pharcyde-Rapper Bootie Brown genug Bisshärte verleiht, um nicht im Groove zu zerfließen.

Es ist einer von zwei Songs, die von den Features stärker als von der eigentlichen Band dahinter geprägt werden. Der andere, "Tormenta", überlässt Bad Bunny fast komplett die Bühne, um mit entspanntem Reggaeton dem Insel-Vibe ganz ohne okkulte Schlagseite zu frönen. Im Rest der Platte stellt Albarn sein eigenes Organ in den Vordergrund und verweist damit sogar ganz große Namen auf die Plätze. Beck vernimmt man in "Possession island" kaum, was jenem Closer aber keinen Abbruch tut: Ein so fragil-berührendes Gorillaz-Stück wie diese Akustikballade mit ihren perlenden Saiten und Tasten, dem kurzen Mariachi-Ausflug und dem Schluss-Mantra "We're all in this together 'til the end" hat man lange nicht gehört. Die Stimme der besagten Nicks liefert dahingegen trotz klarer Support-Rolle eine wertvolle Textur, die den triumphalen Elektro-Pop von "Oil" zum weiteren Highlight formt – und die Worte "interlocking clusterbombs" von der Fleetwood-Mac-Sängerin intoniert zu hören, kann man sich hier auch von der Bucket-Liste streichen.

Ähnlich kryptisch geht es im eröffnenden Titeltrack zu, einem verzerrten, von Thundercat vorwärts gebassten Tanzflächen-Stoiker. Doch weil nun wirklich niemand Gorillaz-Songsammlungen wegen der Texte hört, kann die Hintergrundgeschichte auch unentwirrt bleiben. Wesentlich mehr Spaß bereitet es, sich zwischen die Marimba-Kissen und Fake-Slide-Gitarren von "The tired influencer" fallen zu lassen, oder im knisternden "Tarantula" die abstoßenden Assoziationen seines Titels wegzuzucken. Seine Stimmungsschwankungen lebt Albarn in "Skinny ape" am konzentriertesten aus, das sich vom sphärischen Folk zum Midtempo-Kopfnicker wandelt und schließlich bei Moshpit-fertigem Synth-Punk ankommt. Es ist übrigens die vierte von insgesamt fünf Singles, die vor Redaktionsschluss veröffentlicht wurden, was erneut die Frage aufwirft, wo denn jetzt genau der Unterschied … nein, wir fangen jetzt nicht nochmal damit an.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Oil (feat. Stevie Nicks)
  • New gold (feat. Tame Impala & Bootie Brown)
  • Possession island (feat. Beck)

Tracklist

  1. Cracker island (feat. Thundercat)
  2. Oil (feat. Stevie Nicks)
  3. The tired influencer
  4. Tarantula
  5. Silent running (feat. Adeleye Omotayo)
  6. New gold (feat. Tame Impala & Bootie Brown)
  7. Baby queen
  8. Tormenta (feat. Bad Bunny)
  9. Skinny ape
  10. Possession island (feat. Beck)
Gesamtspielzeit: 37:26 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2023-09-26 17:32:28

Die letzten paar Tage dieses Sommers und das Album muss nochmal ran. Wunderbar.

The MACHINA of God

2023-07-20 20:13:21

Ich verbinde dieses Album so sehr mit meinem Argentinien-Urlaub diesen März, kurz nach Release. Auf der Fähre über der Nahuel Huapi hab ich es einmal durchgehört. Und auch sonst oft in der Sonne. Der Titeltrack, "Baby Queen" und "Skinny Ape" sind absolute Karriere-Highlights, der Closer eigentlich auch. Hach ja...

Polze

2023-05-18 13:07:10

Absolut tolles Album. Mit jedem Album gewinnt Albarn mehr Sicherheit über den Mix aus Mainstream und Alternative. Tolle Entwicklung. Absolutes Highlight ist der Schlusstrack Posession Island, das bekomme ich seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf.
Im direkten Vergleich gefällt mir aber Song machine noch besser. Den Hype um "Desole" verstehe ich nicht ganz. Das ist für mich eine gute und eingängige Nummer aber die wahren Highlights auf dem Album sind Friday 13th, Opium und Aries.
Anyway, schön dass es Damon Albarn gibt!

AliBlaBla

2023-04-18 18:10:06

1. Plastic Beach
2. Demon Days
3. Cracker Island
4. Gorillaz
....danach der Rest ...

MopedTobias (Marvin)

2023-04-18 17:20:03

Für mich auf jeden Fall nur Platz fünf hinter den ersten drei und "Song machine".

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