Sam Smith - Gloria

Capitol / Universal
VÖ: 27.01.2023
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Wohin denn nun?

Inmitten des kunterbunten und bisweilen auch leicht redundanten Mainstream-Getöses war die Karriere von Sam Smith schon immer eine der interessanteren. Seit den anzugtragenden Anfangstagen Mitte der 2010er-Jahre und dem Überhit "Stay with me" kam da rein musikalisch bereits einiges – ganz besonders offen ging Smith allerdings seit jeher mit seiner Identität und seinem Platz inmitten der Gesellschaft um. Hier war der musikalische Werdegang gleichzeitig auch eine Offenbarung und Aufarbeitung der eigenen Seele: Erst 2019 legte Smith die Geschlechter-Pronomen ab und definierte sich fortan als non-binär – ein wichtiger Schritt, der sichtlich beflügelte und neuen künstlerischen Antrieb gab. Leicht problematisch war bisher eigentlich nur: Dieser faszinierende Charakter, dieser mitreißende Werdegang schlug sich in Smiths Studioalben bisher nur zum Teil nieder. Mit "Gloria" serviert Smith nun sein viertes Werk – das endgültige Manifest einer musikalisch-persönlichen Katharsis?

Nur teilweise, leider. Denn "Gloria" ist geprägt von einer ungewohnten Unentschlossenheit. An vielen Ecken stechen die Stilbrüche aus der Tracklist heraus – allen voran der bereits im Vorfeld des Albumrelease viral gegangene Track "Unholy", welcher sämtlichen Schmonz über Bord wirft und stattdessen mit wuchtigen Beat-Salven, blechernem Geklimper und einem herrlich überzogenen, exaltierten Refrain aufwartet. Auch der Gastbeitrag von Kim Petras fügt sich hier ganz wunderbar ein – over-the-top, sicherlich, aber hier steht ganz offensichtlich der Spaß im Vordergrund. Generell sind es auf "Gloria" die Kollaborationen, welche Smith zu inspirierten Tracks anregen: Im launischen "Gimme" beispielsweise gastieren Koffee und Jessie Reyez zu launischen Latin-Rhythmen und dem omnipräsenten Mantra "Gimme what I want." Knackig, kurz und feinstens auf den TikTok-Hype-Radar zugeschnitten. Aber eben auch äußerst spaßig. Da verzeiht man glatt die obligatorische, unsägliche Schnulzballade "Who we love", in der sich Schmonz-Großmeister Ed Sheeran himself die Ehre gibt.

Das Problem: An vielen anderen Stellen von "Gloria" bedient Smith weiterhin risiko- und inspirationsarm die üblichen Formatradio-Trademarks und kann das Momentum der Highlights nicht ins Ziel retten. Das reflektierte "Love me more" weiß dabei zwar als Opener noch zu gefallen – nicht zuletzt dank starker Lyrics, in denen Smith die letzten Jahre Revue passieren lässt – aber bereits unmittelbar danach geht es mit Tracks wie "No god" und "Love you" zurück in seichte Gewässer, die von Smith und sämtlichen Genrekolleg*innen schon zu Genüge abgegrast wurden. Dabei sind die Ansätze durchaus vorhanden: "No god" entfacht eine sehr smoothe, loungige Atmosphäre, bleibt aber monoton und blass. "Love you" startet beatgetränkt und könnte durchaus ein schmissiger Banger werden – wenn da nicht der fade Refrain wäre. Vieles wirkt auf "Gloria" nicht zuende gedacht oder nicht so recht gewollt. Oder vielleicht ist es gerade diese Unentschlossenheit, die als Metapher für die Suche nach dem Glück im Leben steht? Sicher ist, dass "Gloria" viele verschiedene Wege ausloten möchte – aber in keinem so recht ein Zuhause finden mag.

(Hendrik Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Love me more
  • Unholy (feat. Kim Petras)
  • Gimme (feat. Koffee & Jessie Reyez)

Tracklist

  1. Love me more
  2. No god
  3. Hurting interlude
  4. Lose you
  5. Perfect (feat. Jessie Reyez)
  6. Unholy (feat. Kim Petras)
  7. How to cry
  8. Six shots
  9. Gimme (feat. Koffee & Jessie Reyez)
  10. Dorothy's interlude
  11. I'm not here to make friends
  12. Gloria
  13. Who we love (feat. Ed Sheeran)
Gesamtspielzeit: 33:10 min

Im Forum kommentieren

Nicht-binär

2023-07-25 21:29:05

"Erst 2019 legte Smith die Geschlechter-Pronomen ab" umfasst übrigens auch Possessivpronomen. Wäre schön, wenn der Rezensent das respektieren würde statt zu misgendern.

Armin

2023-02-08 20:48:14- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

qwertz

2023-01-14 15:12:52

Zustimmung! Zum Aufwachen und um am Zahn der Zeit in Sachen Popmusik zu bleiben, höre ich wochentags ca. 30 Minuten Formatradio am Tag. Das ist so sehr von uninspiriert gesampleten 90er-Hits bestimmt, dass ich mich jedes mal freue, wenn "Unholy" erklingt.

Diese verschleppte Industrialpercussion ist so eine geile Abwechslung zum Four-on-the-floor-Einerlei. Der Flow der zweiten Strophe, die von Kim Petras intoniert wird, ist der Wahnsinn und der übertrieben anklagend-sakrale Refrain zaubert mit ein Lächeln ins Gesicht. Ist das schon campy?

Nun lese ich, dass auch hier ein Beyoncé-Sample drin steckt, trotzdem sticht "Unholy" für mich aus der Masse der Charts-Musik meilenweit heraus. Für mich einer der besseren Radiohits der letzten Jahre.

Christopher

2023-01-14 14:29:48

Also "Unholy" ist schon sehr geil.

Francois

2023-01-13 11:22:24

Nerviger Tik-Tok/Charts Mist...

Schade, er hat mal richtig gute Musik gemacht...

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