Fettes Brot - Hitstory

FBS / Groove Attack
VÖ: 10.02.2023
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Vun Harten allens Gode

2023 gehen die drei Berufsjugendlichen von Fettes Brot in Rente und haben dann gewaltige dreißig Jahre Musikgeschichte auf dem Buckel. Eingeläutet wird das Abschiedsjahr mit dem erwartbar klamaukig betitelten Best-Of-Album "Hitstory", danach folgt eine mehrwöchige Ochsentour, die im September in der Heimatstadt ihren krönenden Abschluss findet.

Als Dokter Renz, König Boris und Björn Beton Anfang der Neunziger starteten, war das HipHop-Feld in Deutschland noch recht spärlich bestellt. Deutschrap hieß vielerorts Sprechgesang, die Anzahl der aktiven Rapper*innen konnte man an wenigen Fingern abzählen. Die drei Nordlichter gehörten als akzeptierte Klassenkasper zum HipHop-Zirkus der ersten Jahre dazu. Das änderte sich 1995, als ihr Posse-Track "Nordisch by nature" deutschlandweite Beachtung fand. Die Heidelberger HipHop-Pionierin Cora E. beschrieb das im Buch "Könnt Ihr uns hören?" so: "Solange sie bei uns waren, war der Klamauk-Rap gut für unsere Belustigung und okay. Aber dadurch, dass es auch Nicht-HipHopper lustig fanden, kam uns das wie Nestbeschmutzung vor." Fettes Brot machten das Beste aus der aufkeimenden Ächtung einer jungen Rap-Szene und hissten die Segel konsequent Richtung Mainstream. Mit "Jein" gelang ihnen 1996 ihr größter Hit, der noch heute auf keiner Ü40-Party von Deggendorf bis Warnemünde fehlen darf.

Die Bandgeschichte des Trios kann man auf "Hitstory" gut nachhören und stellt fest, dass Fettes Brot sich nicht auf einen Stil festlegen wollten oder konnten. Mit "Da draussen" versuchten sie sich 1998 an einer Art höflichem Battle-Rap, mit "An Tagen wie diesen" an einer ungelenken Medienkritik, die trotzdem ein kommerzieller Erfolg wurde. Irgendwann entdeckten Fettes Brot ihre Party-Tauglichkeit und erschlossen sich damit ein größeres Publikum. "Schwule Mädchen" aus 2001 und die beiden Nummern vom 2008er Album "Strom und Drang", "Bettina, zieh Dir bitte etwas an" und "Erdbeben", machten sie zum gerne gebuchten Act auf Großveranstaltungen wie Rock am Ring. In den letzten Jahren hielt sich der Erfolg in Grenzen, was der Blick auf die zehn Tracks – ohnehin eine recht magere Ausbeute – verrät. Mit "Echo" ist nur ein Song der letzten drei Alben vertreten, und selbst dieser dürfte wohl nur echten Fans etwas bedeuten. Man darf also resümieren, dass das Trio nicht auf dem Höhepunkt seiner Karriere abtritt, sondern ein gutes Stück über seinem Zenit ist.

Für die Abschiedstour wurde so manches Konzert aufgrund großer Nachfrage in eine größere Venue verlegt. Die Tickets gehen also weg wie warme Semmeln, was die nie um einen platten "Brot-Wortwitz" verlegene Band sicher freuen wird. "In Hamburg sagt man Tschüss, beim Auseinandergehen", sang einst Heidi Kabel. In diesem Sinne verabschieden wir uns und wünschen vun Harten allens Gode.

(Andreas Rodach)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Jein
  • Nordisch by nature (feat. Gaze Matratze, Der Tobi & Das Bo)
  • Emanuela

Tracklist

  1. An Tagen wie diesen (feat. Finkenauer)
  2. Bettina, zieh Dir bitte etwas an (feat. Modeselektor)
  3. Da draussen
  4. Schwule Mädchen
  5. Jein
  6. Nordisch by nature (feat. Gaze Matratze, Der Tobi & Das Bo)
  7. Erdbeben
  8. The Grosser (feat. Memphis Horns)
  9. Emanuela
  10. Echo
Gesamtspielzeit: 35:55 min

Im Forum kommentieren

DiSc.Ko

2023-02-09 20:59:51

Mir hätte noch "Falsche Entscheidung " gefehlt.

Peacetrail

2023-02-01 13:56:39

Silberfische in meinem Bett hätte auch noch draufgepasst.

Arne L.

2023-02-01 11:38:12

@oldschool Hast du eventuell Lust, das mit "Schwule Mädchen" weiter auszuführen? Die zeitgenössische Rezeption war ja ziemlich positiv und es würde mich ehrlich interessieren.

The MACHINA of God

2023-02-01 11:23:14

Und ihr bester Song "Welthit" ist nicht mit drauf, obwohl der sogar dem Compilation-Titel unterstützt hätte?

oldschool

2023-02-01 11:21:00

.....und selbst Ihre großen Hits der Frühphase sind schlecht gealtert. Ohne den verklärenden Nostalgiefaktor kann man "schwule Mädchen" nicht wirklich noch ertragen.

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