
The Waeve - The Waeve
Transgressive / PIAS / Rough TradeVÖ: 03.02.2023
Meerjungfrauen killen besser
Vierstöckiger Weinbrand-Cola gefällig? Aber gern doch – wer weiß, was eines Tages draus wird. Fragt mal Rose Elinor Dougall und Graham Coxon. Der Blur-Gitarrist war vor rund 20 Jahren nämlich so frei, der damaligen Sängerin von The Pipettes nach einem Auftritt ebendiesen großzügig bemessenen Drink zu spendieren. 2020 liefen sich Dougall und Coxon erneut über den Weg und sind inzwischen nicht nur ein Paar mit gemeinsamem Kind, sondern auch The Waeve – ein während eines grimmigen Lockdown-Winters ins Leben gerufenes Super-Duo. Mit diesem werfen beide jene musikalischen Einflüsse zusammen, die sich nicht unmittelbar am Schaffen ihrer jeweiligen (Ex-)Bands ablesen lassen: Spröder Folk klassisch britischer Prägung mit düsteren Dimensionen? Check. Motorische Beats, die ihre mitunter elektronische Herkunft weder leugnen können noch wollen? Auch mit von der Partie. Großangelegte Balladen über Liebe, Tod und Teufel? Sowieso. Und wussten Sie eigentlich, dass Coxon seine Karriere als Saxofonist begann?
Man sieht also: "Something pretty", wie die gleichnamige Standalone-Single versprach, sollte man von The Waeves Debüt nicht erwarten. Zumindest nicht in erster Linie. Mit "Someone up there" ist nur ein einziger Song dabei, der nach dem gleichen Prinzip wie der kantige Vorabtrack funktioniert: von einer ungemütlichen Drum-Machine in den Hintern gepiekst, mit dissonantem Quietschen aus Coxons Gitarre aufgeraut und in weniger als drei Minuten gegessen. "You lost your power / It's all gone sour"? Die Gefahr besteht bei diesem hyperaktiven kleinen Kracher sicher nicht. Dennoch sollte man sich für den Rest von "The Waeve" mehr Zeit nehmen – und darauf gefasst sein, wenn sich zu Beginn der Piano-schwere Torch-Song "Can I call you" plötzlich in einen von vorlautem Gebläse und zerrendem Jaul-Riff verwilderten Krautrocker verpuppt. Endlich mal jemand, der auf "Must I evolve?", den formidabel knatternden Hit der Pulp-Nachfolgeorganisation Jarv Is..., die passende Antwort hat und dabei generell ziemlich schlau unterwegs ist.
Was auch daran liegt, dass Dougall oft eine Art latent laszive Version von Fairport Conventions Sandy Denny gibt, der Coxon zu knarzig vorwärtsschiebender Groove-Schlaufe nur ein "Kill me again" entgegenschmachten kann. Kommt besonders gut bei "Undine", der weit ausholenden Moritat um den weiblichen Elementargeist, der den untreuen Geliebten unter Wasser zieht wie eine böse Meerjungfrau: "Take my hands, pull me down / In sweet surrender, sorrows drown:" Und nicht nur die. Zum Beweis blubbert der Synthie und schluchzen die Streicher – und hebt "Alone and free" zu einer mit dem "Twin Peaks"-Thema mauschelnden Bassfigur an, ist das Jenseits fast greifbar. Über von Coxons Saxofon notdürftig aufgefüllte, wiewohl charmante Nichtigkeiten wie "Over and over" oder "Sleepwalking", die eher dem Soft- als dem Folk-Rock nahestehen, sehen wir einmal hinweg: Ein paar einsame Stunden an der prähistorischen Käsereibe lassen sich auch mit so etwas rumkriegen. Es müssen ja nicht immer geistige Getränke sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Kill me again
- Someone up there
- Undine
Tracklist
- Can I call you
- Kill me again
- Over and over
- Sleepwalking
- Drowning
- Someone up there
- All along
- Undine
- Alone and free
- You're all I want to know
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Armin
2023-01-23 21:04:14- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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