Albrecht Schrader - Soft
Krokant / Indigo / ZebralutionVÖ: 20.01.2023
Alles weird gut
Albrecht Schrader beteiligte sich 2016 mit einem Song an der populären Reihe "Unter meinem Bett". Bei dieser komponieren deutsche Künstlerinnen und Künstler Musik für Kinder und schaffen dabei das Kunststück, dass sich auch die Eltern vortrefflich unterhalten fühlen. Wer selbst Nachwuchs hat, weiß dieses Unterfangen zu schätzen, denn gerade in diesem kulturellen Bereich gibt es oft wahrhaft gruselige Erlebnisse. Schrader sang in "Ich und die anderen" aus Kinderperspektive über eben diese anderen um sich herum und stellte fest: "Jeder ist anders, das weiß ich genau / Doch sind sie alle aufm Haufen / Wird's mir leider oft zu viel." Im Grunde handelt auch "Soft", das dritte Soloalbum des gebürtigen Hamburgers, von nichts anderem. Im Mittelpunkt: der Erzähler selbst, irgendwie dazugehörig und doch für sich stehend.
Lyrisch verpackt der Musiker, der auch schon für das Theater und Fernsehen tätig war, seine Gedanken beherzt in oft verrätselte Konstrukte, die beim Zuhören durchaus einen Knoten im Hirn entstehen lassen. Nicht immer löst sich dieser auf, Zeilen wie "Kleine rote Zahl / Woher kennen wir uns nochmal / Rotwein oder Tee / Mein Rücken tut so weh" im Auftaktstück "Kleine rote Zahl" stehen da zunächst einmal in der Gegend herum, und es ist nicht gesagt, dass sie tatsächlich final zu entschlüsseln wären. Musikalisch gerät der Opener auch direkt zur Herausforderung, denn das verschleppte Tempo und die überaus reduzierte Instrumentierung sind mindestens gewöhnungsbedürftig.
Schrader verbleibt allerdings nicht im Minimalismus, "So weird so gut" kommt hüftschwingend daher und gerät zur Hymne an die Nicht-Alltäglichen: "Als ich noch jung war / Galt ich als seltsam / Jetzt bin ich älter / Und fühl mich seltsam / Ich fühl mich seltsam." Und wenn er auf die Menschen um sich herum blickt, erkennt er: Ich bin nicht alleine. "Meine Freunde / Sind da nicht anders / Fühlten sich seltsam / Als sie noch jung waren / Jetzt sind sie älter / Und bleiben seltsam." Einen Ausflug in den Gender-Diskurs nimmt "Für Dich bleibe ich ein Mann", später stellt der Sänger in "Kaktus und Büste" einem den nächsten rätselhaften Exkurs vor die Füße: "Kleiner Bruder, gib mir Deinen Kaktus in die Hand / Großer Bruder, häng mir Deine Büste an die Wand." Weird? Aber ja.
Abseits all der vielen verschlüsselten Botschaften und schwer ergründbaren Textpassagen gelingt Albrecht Schrader auf dem Album, das er erstmals vollständig in Eigenregie produziert hat, ein durchaus spannendes Stück Pop-Musik. Mit zahlreichen wirklich gelungenen Momenten, in denen das clevere Songarrangement wie in "Frederike" oder "Jeden Tag ein bisschen" bleibenden Eindruck hinterlässt. "So viele Menschen und ich bin ja noch klein / Wie wird das erst als Erwachsener sein? / Sind dann alle mehr wie ich / Oder werden wir alle gleich?" Das, was Schrader 2016 in die Kinderperspektive packte, könnte auch heute noch als Frage über ihm stehen. Der Antwort ist er wohl ein Stückchen näher gekommen. Schrader? Weird. Und irgendwie doch gut.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Für Dich bleibe ich ein Mann
- Cardigan of love
- Donnerstags 8 bis 9
Tracklist
- Kleine rote Zahl
- So weird so gut
- Für Dich bleibe ich ein Mann
- Frederike
- Cardigan of love
- Kaktus und Büste
- Du wunderst Dich über den Zeitpunkt
- Jeden Tag ein bisschen
- Donnerstags 8 bis 9
- Hey Adapter
Im Forum kommentieren
Z4
2023-01-26 13:08:24
Super anstrengende Musik, PeterLicht passt als Referenz.
qwertz
2023-01-26 12:44:51
"Cardigan of Love" ist ein wunderbarer Hit. Ansonsten erscheint mir das Album viel luftiger und assoziativer getextet als der etwas prosaischere Vorgänger. Generell ist Schrader für mich so ein bisschen PeterLicht auf Valium, was positiver gemeint ist, als es sich vielleicht liest.
JJ
2023-01-25 09:02:20
Kleiner Tipp an dieser Stelle:
DAS PODCAST UFO, Folge 266, Hinter dem Mikrofon
Armin
2023-01-23 21:03:21- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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