Riverside - ID.Entity

InsideOut / Sony
VÖ: 20.01.2023
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Innerer Kehraus

Vielleicht muss sich jede Band einmal die Sinnfrage stellen, die eigenen Werte hinterfragen. Dabei muss sie noch nicht einmal zwingend ihre Existenz anzweifeln, sondern das dient durchaus dazu, sich wieder der eigenen Stärken bewusst zu werden. Denn – um konkret zu werden – Riverside sind durchaus durch turbulente Zeiten gegangen. Zum einen brauchten die Polen lange, um die Trauer um das 2016 verstorbene Gründungsmitglied Piotr Grudzinski verarbeiten zu können. Vor allem das aufwühlende Album "Wasteland" aus dem Jahr 2018 wirkte hier in höchstem Maße kathartisch für die in ihren Grundfesten erschütterte Progressive-Rock-Band aus Warschau. Insofern ist die Zäsur, die Frontmann und Bassist Mariusz Duda für das neue Album "ID.Entity" angekündigt hat, sicherlich nachvollziehbar – die Melancholie der letzten Alben solle weichen, so Duda, die Magie der Live-Auftritte noch mehr als zuvor auch im Studio eingefangen werden.

Auf jeden Fall müssen sich jede Menge Emotionen angestaut haben. Denn Riverside sind plötzlich zornig. Nur vordergründig gaukelt der Vierer mit "Friend or foe?" einen Rückgriff auf kühle Synthie-Sounds der Achtziger vor, um dann denjenigen, die sich und anderen in den sozialen Medien ein falsches Leben vorgaukeln, die Maske herunterzureißen: "Who is behind the filter? / Who is behind the mask? / How much of yourself is left in you? / Or maybe you're a collection / Of everything I want / And you've been customized for my desires." Klar, das mag zunächst wohlfeil erscheinen, doch schon das folgende "Landmine blast" unternimmt den Versuch einer Antwort: "We are polarised / We are atomised", singt Duda und zieht das pessimistische Fazit: "We have lost the sense of community / Racing past each other / Disconnected."

Das ist eine Menge starker Tobak, der so in den sonst eher philosophischen Lyrics der Polen nicht vorkam. Und auch "Big tech brother", das ausgiebig über die Datensammelwut der großen Technologie-Unternehmen wettert, verbreitet seine Botschaft mit eher ungewohnten Sounds. Sind die sanften Bassteppiche, die entspannten Grooves von Mariusz Duda etwa ebenfalls dem Willen zur Veränderung zum Opfer gefallen? Natürlich nicht. "The place where I belong" ist beispielsweise ein für die Osteuropäer so typischer Longtrack, der umgehend gefangen nimmt und den Bassläufen filigrane Keyboard-Klänge entgegen stellt. Doch Riverside sind nun einmal mehr als Duda mit Begleitmusikern, und so dürfen sich Keyboarder Michal Lapaj und der letztlich doch als festes Bandmitglied aufgenommene Gitarrist Maciej Meller über reichlich Gelegenheit zur Demonstration des Könnens freuen.

Was vor allem letzterer weidlich ausnutzt. Denn "The place where I belong" durchbricht durch seine Variabilität eine Phalanx von zwei knallharten Tracks, nämlich "Post-truth" und "I'm done with you". Gerade "I'm done with you" sprüht vor Aggression, lässt Meller die Riffs entfesselt herausprügeln – mehr Metal war noch nie im Hause Riverside. Es ist gleichwohl ein hohes Risiko, was die Polen hier gehen. Denn mit dem Verzicht auf die hypnotisch fließenden Songs nimmt das Quartett ganz bewusst eines seiner markantesten Markenzeichen aus dem Gesamtsound heraus. Doch das Prog-Metal-Gewitter, was vor allem "I'm done with you" abfeuert, ist mehr als nur ein würdiger Ersatz, sondern zeigt eine Band, die voller Überzeugung aus ihrer Komfortzone heraustritt, um sich selbst zu erneuern. Das Ergebnis mag sperriger sein als gewohnt. Doch mit jedem Durchlauf erlangt "ID.Entity" mehr Charisma. Und das sollte eine Band mit dem Willen nach künstlerischer Weiterentwicklung ausmachen.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Friend or foe?
  • The place where I belong
  • I'm done with you

Tracklist

  1. Friend or foe?
  2. Landmine blast
  3. Big tech brother
  4. Post-truth
  5. The place where I belong
  6. I'm done with you
  7. Self-aware
Gesamtspielzeit: 53:11 min

Im Forum kommentieren

Mr Oh so

2023-12-13 17:26:12

Sehr geehrte Band Riverside,

hiermit bewerbe ich mich bei Ihnen als Songtexter. Ich habe bereits in mehreren regional erfolgreichen Bands gespielt und wurde dabei immer wieder für meine Texte gelobt. Außerdem habe ich Erfahrung bei der Lokalzeitung, für die ich vom jährlichen Treffen der Kaninchenzüchter berichtet habe.

Ich stelle mir vor, zu 100 % aus dem Homeoffice zu arbeiten. Es wären also keine zusätzlichen Mahlzeiten auf Tour zu bestellen.

Ich freue mich, bald von Ihnen zu hören.

Mit freundlichen Grüßen

Mr Oh so

Gomes21

2023-06-13 18:54:41

Boa super sympathische Band, hab sie lange gefeiert, oft live gesehen, aber irgendwie komme ich auf diesen Prog überhaupt nicht mehr klar. An einem Stück wird das nichts mehr mit dem Album

Gesmashter Pumpkin

2023-06-13 18:44:49

Richtig viele interessante (scheinbare) Referenzen, insgesamt irgendwie 80s Vibes, aber überhaupt nicht abgedroschen. 9/10

Mr Oh so

2023-05-22 23:37:27

friend or foe, klingt als wenn er direkt von AHA ist...

Absolut. Ist mir auch aufgefallen. Ist ja nicht die schlechteste Referenz.

keenan

2023-01-13 08:24:50

friend or foe, klingt als wenn er direkt von AHA ist...

gefällt mir bis jetzt solala

den rest die tage mal hören

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