Zach Bryan - American heartbreak
WarnerVÖ: 20.05.2022
Akkordarbeit
47 Songs hat Zach Bryan innerhalb eines guten halben Jahres veröffentlicht. Nicht mal die dieses Jahr so hyperaktiven Red Hot Chili Peppers oder die generell vielschaffenden King Gizzard & The Lizard Wizard konnten mit dieser immensen Zahl 2022 mithalten – und der 26-Jährige hat direkt für 2023 ein weiteres Album angekündigt. 34 dieser 47 Stücke befinden sich auf seiner dritten LP "American heartbreak", neun weitere auf der nur zwei Monate später veröffentlichten EP "Summertime blues", der Rest verteilt sich auf Stand-Alone-Singles. Bryan vermeidet es trotzdem, sich in Wiederholungen zu verlieren, auch wenn diese Masse am Stück natürlich Stehvermögen abverlangt. "American heartbreak", welches nun im Fokus stehen soll, hat jedoch keine Längen und keine Ausfälle, sieht man mal vom wirklich verzichtbaren "If she wants a cowboy" ab. Dort verliert Bryan sich plötzlich in Country-Klischees, die er sonst so gut umschifft – und zu allem Überfluss setzt er noch, womöglich als Satire gemeint, Autotune ein. Eins von 34? Schwamm drüber. Bryan macht im Kern Country, obgleich er sich selbst nicht in dieser Ecke sieht und seine Herangehensweise sich um einiges von den Genregrößen unterscheidet.
Mit dem bierseligen Bro-Country hat "American heartbreak" ebenso wenig zu tun wie mit dem weichgespülten Boyfriend-Stil, auf dessen ranwanzende Masche neuerdings immer mehr Klampfenbediener aufspringen. Ach, und für irgendwelche flaggenschwenkenden Rednecks hat Bryan außerdem weder Zeit und Sympathie. Sein Ansatz ist roh, unpoliert. "Okay, one take", instruiert er zu Anfang von "Right now the best", welches mit seinem Rudiment Guided By Voices Konkurrenz macht. Man hört es auf den Aufnahmen rauschen und klackern, seine Stimme bleibt verletztlich, aber impulsiv. Der übliche Twang weicht einer rauen Intensität. Nirgendwo hört man davon mehr als im US-Hit "Something in the orange", auf "American heartbreak" in der "Z&E's version" enthalten, die noch ein Stück erdiger und direkter ist als die ebenso großartige, aber poliertere Single-Fassung. "The orange touches all things around / The grass, trees, and dew / How I just hate you / Please turn those headlights around", fleht er zu energischen Akkorden und Mundharmonika ins Mikro. Es verfehlt die Wirkung nicht.
Bryan erfindet das Rad im Songwriting nicht neu. Sein Ansatz hebt allerdings viele Stücke auf ein anderes Level. "Whiskey fever" ist zwar im Kern nur eine weitere Rocknummer fürs Brettern auf dem Highway, aber durch die kratzige Produktion trifft er den Nerv absolut, und die abschließende Bemerkung "That take fucking ripped, dude" hat er sich redlich verdient. Gleichermaßen reißen "Heavy eyes" und das elektrisch verstärkte "Younger years" mit. Oft jedoch braucht der aus Oklahoma stammende bodenständige Typ nicht viel mehr als seine Akustische und etwas Percussion nebenbei. "I want a home on the outskirts of town", wünscht er sich, um wenige Songs später festzustellen: "There ain't no choice for damaged boys like me." Ja, Bryan hat lyrisch oft mehr was von den Emo-Poeten Anfang der 2000er-Jahre als von seinen Country-Kollegen.
Überhaupt wenige können wiederum so etwas Ergreifendes wie "Billy stay" schreiben, aus der Perspektive einer Frau, deren Mann sich durch eine Alzheimer-Erkrankung langsam vom Leben abkapselt. Hat die Strophe viel Melancholie, dreht der Refrain auf und fordert: "Billy, stay a while / Lately you've been slipping in and out." Mit "You are my sunshine" findet sich außerdem ein hübsches Cover des Standards aus den 40er-Jahren, und "Cold damn vampires" wendet sich ab vom Land, hin zur eiskalten Stadt, die durch einen elektrischen Marsch zum Ende hin vertont wird. Viele dieser Details bevölkern "American heartbreak", welches zwar lang ist, aber nie langweilig wird. Irre, dass die Songs der danach veröffentlichten EP und der Singles sogar noch über dem Albumschnitt sind. Dieser Typ schreibt tolle Songs im Akkord, bleibt dabei unverstellt und berührend. Country kann einfach so viel mehr sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Something in the orange (Z&E's version)
- Heavy eyes
- Younger years
- Cold damn vampires
- Tishomingo
- Whiskey fever
- Billy stay
- From Austin
Tracklist
- Late July
- Something in the orange (Z&E's version)
- Heavy eyes
- Mine again
- Happy instead
- Right now the best
- The outskirts
- Younger years
- Cold damn vampires
- Tishomingo
- She's alright
- You are my sunshine
- Darling
- Ninth cloud
- Oklahoma City
- Sun to me
- Highway boys
- Whiskey fever
- Billy stay
- Sober side of sorry
- High beams
- The good I'll do
- Someday (Maggie's)
- Poems and closing time
- From Austin
- If she wants a cowboy
- Corinthians (Proctor's)
- Open the gate
- Half grown
- No cure
- '68 Fastback
- Blue
- Morning time
- This road I know
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Euroboy
2023-10-09 16:47:40
Ja, eine wirklich tolle Scheibe und endlich mal eine gute Platte auf dem 1.Platz der US Charts.
Wobei Zach Bryon im September auch schon wieder eine EP rausgebracht hat, sehr produktiv der Junge.
Eigentlich gibt es noch keine schlechte Platte von ihm. American Heartbreak ist für mich bis jetzt sein Meisterstück: 34 Songs ohne Ausfälle muss man erst mal schaffen. Leider ist die CD sehr lieblos aufgemacht, hatte gehofft die Texte wären abgedruckt, gibt aber nicht mal ein Booklet.
Otto Lenk
2023-10-06 13:20:58
Unbedingt ins neue Album reinhören. Klasse!
Grizzly Adams
2023-01-06 16:36:30
Das Album ist zu spät auf meinen Radar gekommen. @dreckskerl hatte es zwar empfohlen — und es findet sich auch in seiner persönlichen Bestenliste — aber ich hatte nicht mehr reingehört im letzten Jahr. Wahrscheinlich hätte es dann auch bei mir für einen guten Platz gereicht. Gefällt mir sehr. Daumen hoch.
Felix H
2023-01-04 23:28:45
@diggo:
"Cowboy" mag schon eine Parodie sein, aber für mich nervt er trotzdem leider musikalisch und passt auch nicht zum Rest. Davon abgesehen aber wirklich beeindruckend, wie hoch das Niveau sonst ist. Cooler Typ.
Walenta
2023-01-04 20:28:29
Passt zwar nur am Rande dazu, aber: sein aktuelles Livealbum All My Homies Hate Ticketmaster (Live from Red Rocks) ist auch richtig stark geworden.
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