Backxwash - His happiness shall come first even though we are suffering
Ugly HagVÖ: 31.10.2022
Wutkatharsis
"I confess / I'm a mess / I'm a dog / I‘m a pest / I need help / I'm possessed." So lauten die ersten Worte, mit denen Backxwash ihre Hörer*innen zum Jahresausklang 2022 empfängt. Und damit den Grundstein für das legt, was auch auf dem neuen Album "His happiness shall come first even though we are suffering" eine brachial-angepisste Revision der eigenen Vergangenheit darstellt. Sentimentale Verklärung der eigenen Lebensstationen? Arschlecken, hier gibts wie gehabt verbal und musikalisch auf die Fresse. Als dritter und letzter Teil einer wütenden, aber auf vielen Ebenen immens wichtigen autobiografischen Reise reiht sich die neue LP der in Sambia geborenen und in Montreal ansässigen Rapperin in eine Riege mit dem gefeierten 2020er-Album "God has nothing to do with this leave him out of it" und dessen Nachfolger "I lie here buried with my rings and my dresses" ein. Erzählerisch geht die antizyklische Vergangenheitsbewältigung noch ein Stück weiter: Geburt, Kindheit, Heranwachsen. Eine angenehme Auseinandersetzung werden auch diese knapp 38 Minuten nicht werden. Ashanti Mutinta ist wütend, angepisst – und musste ihre Gefühle jahrelang unterdrücken. "His happiness shall come first even though we are suffering" ist nun das giftige Finale einer musikalischen Auskotz-Trilogie.
Wie schon auf den beiden Vorgängern lässt Backxwash auch auf "His happiness shall come first even though we are suffering" rein gar nichts anbrennen und präsentiert einen Soundmix, der in seiner Brachialität nach wie vor hemmungslos herausragend ist. Direkt im eingangs zitierten "Vibanda" treffen zu Beginn schräge Chorklänge auf wuchtig polternde Industrial-Drums und wutentbrannte Rap-Passagen. Beeindruckend ist dabei nicht nur der völlig freidrehende Vortrag, sondern auch die nackte, offengelegte Emotionalität, die hinter Zeilen wie "I should gather all my demons / I feel blessed / For no reason / Lord forgive me, I feel blessed" steckt. "Muzungu" kontrastiert eine Malcolm-X-Rede mit Noise-Feedback und entfacht danach auf düsteren Beatsalven eine Identitätskrise – persönlich wie gesellschaftlich. "As I peel my skin / Dig in my vein / I'm watching my demons within / I'm watching this evil come out" zeichnet den persönlichen Konflikt nach, "In the land of the corpses of men / How hot can you get / Without forming a sweat?" ist die anschließende Frage in Richtung Allgemeinheit. Und über allem schwebt die grundlegende Aussage des selbst häufig kontrovers diskutierten schwarzen Bürgerrechtlers: "Who taught you to hate yourself?" Dagegen ist das zweiminütige Zwischenspiel "Mulungu" schon beinahe zurückhaltend – inhaltlich allerdings nicht weniger aufreibend in seiner puren Verzweiflung. "Coughing blood / Pain is attention / Dead and redemption."
Zur Vervollständigung der künstlerischen Vision integriert Mutinta erneut zahlreiche Features von musikalischen Weggefährt*innen. Herausragend in seiner Intensität ist dabei vor allem der Urschei "Nyama", in dem Pupil Slicer hemmungslos wie die Hölle über den Song hereinbricht und sämtliche Melodiestrukturen in wildem Geschrei ertränkt. Die pure Wut, als musikalisches Destillat mit allerheftigstem Nachdruck ausgekotzt: "Blood is thicker than everything!" Möchte man auf "His happiness shall come first even though we are suffering" nach minimalsten Abnutzungserscheinungen suchen, findet man sie jedoch am ehesten auf anderen Feature-lastigen Tracks wie "Juju" oder "Zigolo", die zwar mitnichten schwach sind, jedoch im Gesamtkontext dieses Projekts etwas abfallen. Vergessen ist das aber spätestens beim berührenden Closer "Mukazi", der sich so gar nicht wütend, sondern vorsichtig hoffnungsvoll und dankbar zeigt und das Album mit einem Licht am Ende des Horizonts beschließt. Man kann die Erleichterung förmlich spüren – nach über drei Jahren intensivster Auseinandersetzung mit den Dämonen der Vergangenheit ist das Ende erreicht. Alles gesagt. Es kann weitergehen. Auch wenn die Positivität noch nicht ganz Überhand gewinnen mag. "I wanna tell you that you made it alive / I wanna tell you no more places to hide."
Highlights & Tracklist
Highlights
- Vibanda (feat. Morgan-Paige & Michael Go)
- Nyama (feat. Pupil Slicer)
- Mukazi
Tracklist
- Kutali (feat. Vaelastrasz)
- Vibanda (feat. Morgan-Paige & Michael Go)
- Nyama (feat. Pupil Slicer)
- Muzungu
- Zigolo (feat. Censored Dialogue & Sadistik)
- Mulungu
- Juju (feat. Ghais Guevara & Michael Go)
- Nfwti (feat. Michael Go)
- Kumoto
- Mukazi
Im Forum kommentieren
Armin
2022-12-11 18:18:16- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Klaus
2022-11-18 14:42:31
chilliger Albumtitel. Release war 31.10.2022, seit ein paar Tagen auch bei den üblichen Streamingdiensten. Der Vorgänger war sehr, sehr gut.
https://www.backxwash.com/
https://backxwash.bandcamp.com/album/his-happiness-shall-come-first-even-though-we-are-suffering
"HIS HAPPINESS SHALL COME FIRST EVEN THOUGH WE ARE SUFFERING concludes a trilogy of albums by Backxwash which began 3 years ago. The series is primarily auto-biographical, with fragments of stories from her periphery. With every record, Backxwash travels farther back in time, reliving and experiencing the anger and despair that she had not granted herself at that time.
God Has Nothing To Do With This Leave Him Out Of It (2020) began as a candid processing of her experiences in her adult life in realtime, while her sequential record I LIE HERE BURIED WITH MY RINGS AND MY DRESSES (2021) was a reflection on her adolescent and early adulthood years.
HIS HAPPINESS SHALL COME FIRST EVEN THOUGH WE ARE SUFFERING (2022) delves into environmental influences during her youth and times pre-dating her existence, concluding this therapeutic practice with a return to the here and now with a stronger sense of self than when she began this therapeutic and cathartic trilogy."
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