Candlemass - Sweet evil sun

Napalm / Universal
VÖ: 18.11.2022
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Nicht so vorlaut

So richtig hatte wohl niemand mit diesem Comeback gerechnet. "The door to doom" war 2019 viel mehr für Leif Edling und seine Band Candlemass. Mit einem Sänger, der zwar das legendäre Debüt der Band in den Achtzigern einsang, gelang den Schweden nicht nur die Rückkehr in die Spitzenklasse ihres Genres. Mehr noch und im Grunde genommen viel wichtiger ist aber, dass Edling offenbar momentan seine psychische Erkrankung – er leidet an einem chronischen Erschöpfungssyndrom – einigermaßen im Griff hat. Wünschen wir ihm an dieser Stelle weiterhin alles Gute, während sich der Eindruck aufdrängt, dass mit der Rückkehr des Erfolgs die Arbeit eben nicht mehr als Last, sondern als Lust erscheint. Und da – auch das selten genug – Wechsel in der Bandbesetzung tatsächlich einmal ausblieben, dürfte das neue Album "Sweet evil sun" das erste seit langer Zeit sein, dass einem legendären Ruf nicht etwa nur hinterher läuft, sondern endlich einmal die Band selbst in einer Position der Stärke zeigen kann.

Mit vollen Hosen ist also gut stinken, weiß der Volksmund, und genau so selbstbewusst kommt der Opener "Wizard of the vortex" daher. Typisch Candlemass eben, möchte man sagen, doch eigentlich ist genretypisch so ziemlich alles typisch Black Sabbath. Schwer schleppende Riffs arbeiten sich durch knietiefe Bassläufe, und auch wenn Gründungsmitglied Johan Längquist nicht das ganz große Drama in seinem Gesang entfaltet wie der legendäre Messiah Marcolin, ist der Frontmann doch imstande, in den getragenen Melodien angemessen die Arme auszubreiten. Noch besser wird es, wenn ihm die Songs förmlich auf den Leib geschrieben werden wie beim Titelstück. Wenn der Weg weit zurück in die Siebziger geht, die Orgel-Läufe grollend aus den Leslie-Speakern blubbern, kann sich das eher bluesig-hardrockige Timbre des 59-Jährigen voll entfalten. Und wem das zu wenig Atmosphäre ist, der kann sich am Schluss von "Angel battle" durch einen herrlichen Spoken-Words-Part des 95 Jahre alten Filmemachers Kenneth Anger wohlige Schauer über den Rücken jagen lassen.

Die jedoch nichts sind gegen die Gänsehaut, die "When death sighs" zu erzeugen imstande ist. Als wäre der Spannungsbogen der Mini-Doom-Oper nicht schon ausreichend, wird der Refrain von Avatarium-Frontfrau Jennie-Ann Smith mit einer dezent entrückten Performance veredelt. Schön auch, wie sich der Bogen schließt von den Altmeistern Candlemass zu den von Leif Edling wesentlich aufgebauten jungen Wilden von Avatarium, die ja selbst gerade erst mit der großartigen Platte "Death, where is your sting?" ein wuchtiges Ausrufezeichen in den Boden des Neo-Doom rammten. Doch noch sind die da, die Alten, und wenn den "Scandinavian gods" gehuldigt wird, verrät erst das genauere Studium der Lyrics, dass der Blick hier gen Asgard geht und nicht in die Ruhmeshalle der langen Tradition herausragender nordeuropäischer Doom-Helden.

Natürlich sind Candlemass auf Gedeih und Verderb von der Verfassung ihres Bandchefs abhängig, der in weiten Teilen der Metal-Szene größte Hochachtung genießt. Auch ohne ärztliches Bulletin wird aber schnell klar, dass Leif Edling aktuell nicht nur – wie eingangs erwähnt – seine Krankheit im Griff hat, sondern sich geradezu prächtiger Gesundheit erfreut. Denn wie sonst kann ein Album entstehen, das so voller Esprit steckt, dabei so viel Tiefe mit sich bringt, mühelos den Bogen von den jungen, frischen Epic-Metallern der Neuzeit bis tief zurück in die Siebziger schlägt. Es ist eine gute Zeit für Doom-Fans. Zunächst liefern Avatarium eine derart starke Platte ab, dass wir Edling und Candlemass ins Stammbuch schrieben, sie müssten sich schon verdammt viel Mühe geben. Und dann passiert genau das – die Platzhirsche zeigen, dass sie ihren Thron ganz sicher nicht kampflos räumen werden.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sweet evil sun
  • Angel battle
  • When death sighs
  • Devil voodoo

Tracklist

  1. Wizard of the vortex
  2. Sweet evil sun
  3. Angel battle
  4. Black butterfly
  5. When death sighs
  6. Scandinavian gods
  7. Devil voodoo
  8. Crucified
  9. Goddess
  10. A cup of coffin
Gesamtspielzeit: 53:56 min

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Klaus

2022-12-08 12:22:22

Ich weiß ja, dass die quasi Legenden sind, waren jedoch immer vor meiner Zeit.

Aus Interesse daher hier mal reingehört.
Geiles Riffing!
Aber der Gesang - puh. Da gabs wieder Knödel zum Mittag.

Armin

2022-11-30 21:35:31- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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