Bush - The art of survival

BMG / Warner
VÖ: 07.10.2022
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Pfannkuchenherz, Pt. 9

Welche Wichtigkeit Bush aus England zumindest retrospektiv innerhalb der ganzen medial ausgeschlachteten Grunge-Hysterie innehatten, lässt sich nicht zuletzt an einer kleinen popkulturellen Glanzstunde ablesen: Homer Simpson himself schmettert inbrünstig "Margerine" als Ode an seine Frau Marge zu den Akkorden von "Glycerine", das Gavin Rossdale und seiner Truppe 1995 zum Durchbruch verholfen hatte, und lässt sein gesamtes "pancake heart" darin einfließen. Cobain-Kopie in Gestus und Habitus, geschenkt, absprechen konnte man zumindest den ersten beiden Alben von Sadgasm nicht, dass – Stopp, falsche Band. Sorry. Absprechen konnte man zumindest den ersten beiden Alben von Bush nicht, dass sie trotz ihres gewissen Epigonentums schlichtweg gute Songs in petto hatten. Trennung, Reunion, Gwen Stefani und zwanzig Jahre später hingegen konnten Bush bei Plattentests.de sogar bis in glorreiche Zwei-Punkte-Untiefen vordringen – zu abgedroschen ihr immergleicher Alternative Rock, zu lieb- und belanglos die Stücke. Bis sie mit "The kingdom" wieder Auftrieb erfuhren. "The art of survival" ist nun das sage und schreibe neunte Album der Londoner. Würde ein Neunziger-Homer hier noch beherzt zugreifen?

Bedingt. Am meisten fällt ins Gewicht, dass die Band ihren Sound weiterhin ein gutes Stück tiefergelegt hat. Das träge Riff von "Heavy is the ocean" dröhnt seinem Namen entsprechend famos über die Wasseroberfläche – wenn das hier noch Grunge sein soll, schielt er eher in Richtung zähflüssige Alice In Chains denn von angepunktem Garage-Rock. Flotte Hooks wie in "Slow me" und "More than machines" ergänzen sich prächtig mit dem dick aufgetragenen, riffbetonten musikalischen Gewand, das mal nach besseren Seether, mal, wie in "Identity", nach hohleren Stone-Sour-Momenten klingt. Gavin Rossdale ist in jedem Fall auf Krawall gebürstet: "I come from disorder." Lyrisch sind Bush weiterhin zwischen Fremdscham und Zweckmäßigkeit unterwegs, was im Genre aber nun mal keine Seltenheit darstellt. "Human sand" beschwört Metal-Riff und außerirdisches Elektro-Fiepen, während der Sänger Schusswaffen verteufelt und seinen Glauben an "terrestrial angels" nicht aufgibt. "You're my robot boo" ist aber doch ein bisschen zu viel des Guten. Thematisch ist "The art of survival" irgendwo im Spanungsfeld von verqueren Liebesbekundungen und Lobliedern auf die Menschheit beziehungsweise deren Überleben (durch Liebe!) angesiedelt. Fast ein Konzept.

Es ist ein Auf und Ab mit diesem Album: "Kiss me I'm dead" klingt erschreckend nach The Rasmus, "Creatures of the fire" als Quotenballade guckt sich die eigens platzierte "Letting the cables sleep"-Messlatte von ganz weit unten an. "Shark bite" setzt weniger auf eingängige Melodieführung, weiß aber genau dadurch zu überzeugen. Gerade im letzten Drittel gehen dem Quartett dann zwar nicht Puste und Druck, dafür aber die Ideen aus. Einzig der Closer "1000 years" kommt etwas weniger schematisch auf beinahe R&B-mäßigem Beat daher, wenn Rossdale sich ein Jahrtausend lang einfrieren lassen möchte, um seiner Liebsten in der Zukunft schlussendlich ohne Angst begegnen zu können. So weit, so gut. Homer fände den früheren, simpler und weniger theatralisch daherkommenden Ansatz bestimmt auch heute noch spannender, Bush aber sind nicht totzukriegen, und "The art of survival" ist auch ohne nostalgische Verklärung mindestens okay. Den Nobelpreis für Literatur gewinnen andere, aber der druckvolle, insbesondere von Leadgitarrist Chris Traynor gestemmte Sound will schließlich gelernt sein. Unterm Strich ist das also eine anständige Post-Grunge- oder, wenn man denn will, Alternative-Metal-Platte geworden, die Bush noch eine Weile über Wasser halten wird. Hier ein gut gemeinter Ratschlag, Gavin, bevor Du ein zweites "Black and white rainbows" aufnimmst: "Don't let the days go by."

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Heavy is the ocean
  • Slow me
  • Shark bite

Tracklist

  1. Heavy is the ocean
  2. Slow me
  3. More than machines
  4. May your love be pure
  5. Shark bite
  6. Human sand
  7. Kiss me I'm dead
  8. Identity
  9. Creatures of the fire
  10. Judas is a riot
  11. Gunfight
  12. 1000 years
Gesamtspielzeit: 48:24 min

Im Forum kommentieren

oldschool

2022-11-18 20:25:14

stehen drüber ^^

Armin

2022-11-16 20:58:27- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

mot

2022-10-16 21:01:25

Leider sind es wirklich viele Phrasen. Was schade ist, denn Rossdale hatte mal zumindest ein Gespür für passende Worte zur Musik. Sicherlich ist er nicht der bester Texter, aber die Kombi aus bestimmten Worten und der Musik hat für mich auf den ersten vier Alben meist hingehauen. Etwa Everything Zen oder Letting The Cables Sleep hatten interessant Zeilen und haben zusammen eine Wirkung gehabt. Auf dem neuen Album ist es arg austauschbar.

oldschool

2022-10-16 15:36:32

okay, ich hatte wohlwollend vielleicht anders interpretiert. Mit der Visions Review gehe ich weitgehend mit, besonders bezüglich der Phrasen ^^

"Prompt entstand ein annehmbares Album – wenn man ausblendete, was er sang. Vielleicht tut man Rossdale Unrecht, wenn man ihn einen Poser nennt, aber die Texte wirkten nicht zum ersten Mal so, als überstiege es seine Fähigkeiten, Wahrhaftiges über Worthülsen hinaus zu vermitteln. Der Phrasengeist sucht auch "The Art Of Survival" heim, besonders in "More Than Machines" und "May Your Love Be Pure" gruselt jede einzelne Zeile"

Klaus

2022-10-16 11:47:30

Eben mal bei RYM geschaut. Da kommt das echt gut an (zweitbestes Bush-Album bis dahin) https://rateyourmusic.com/artist/bush , allerdings auch nur wenige Ratings und nur 1 Review. Bin aber verwundert, wie mies da die teils doch recht guten früheren Alben stehen.

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