
Darkthrone - Astral fortress
Peaceville / EdelVÖ: 04.11.2022
Macht doch, was Ihr wollt
1992 erschien ein Album, das die Black-Metal-Szene in ihren Grundfesten erschütterte. Auf dem Artwork eine schemenhafte Gestalt, das Gesicht zum Schrei verzerrt, das weiß geschminkte Antlitz nur ein kleiner heller Punkt auf dem ansonsten tief schwarz gehaltenen Bild. Die Musik – scheppernd, jeglichen akustischen Anspruch negierend. Klirrend kalte Riffs, zur Unkenntlichkeit verzerrt. Dazu ein Sänger, der wie von Sinnen keifend maßgeblich zu diesem Spuk beitrug. Zwei gleichartige Alben sollten diesem Inferno noch folgen, doch es war "A blaze in the northern sky", mit dem sich Darkthrone in den Olymp des Black Metal rödelten und zu wesentlichen Protagonisten der so genannten zweiten Welle des Black Metal wurden. 30 Jahre später. Darkthrone sind immer noch da, schon seit vielen Jahren nur noch als Duo. Wieder zeigt das Artwork einer neuen Platte eine düstere Winterlandschaft. Doch statt gefährlicher Typen sieht man eine Person auf Schlittschuhen. Mit einem Darkthrone-Backpatch auf der Winterjacke, wodurch die Szenerie fast schon anrührend wirkt. Willkommen in der Welt von Gylve Fenriz Nagell und Ted Skjellum alias Nocturno Culto, den mittlerweile wohl kauzigsten Figuren des Black Metal.
Wobei "Astral fortress", das – man höre und staune! – 20. Album des Duos, wie schon seine Vorgänger nur wenig bietet, was im engsten Sinne Black Metal entspricht. Denn vor allem der als Musik-Nerd mit einer riesigen Plattensammlung ausgestattete Fenriz tut sich immer wieder als begnadeter Eklektiker hervor. So ist es wenig überraschend, dass der einigermaßen gewagte Schritt zu epischem Doom, den das Album "Eternal hails" auszeichnete, hier noch viel konsequenter fortgesetzt wird. Träge wie Lava schleppt sich der Opener "Caravan of broken ghosts" durch die ersten Minuten des Albums, und nur die gewohnt kranken Vocals von Nocturno Culto deuten darauf hin, dass möglicherweise Außergewöhnliches bevorsteht. Denn plötzlich eskaliert ein Riff, treibt den Song voran. Und auf einmal ist man gefangen in diesem Strudel zwischen hypnotischen Passagen und Moshpit-Eruptionen. Meisterhaft.
In der Tat wäre es der größte Fehler, sich von der Verschrobenheit des Duos und sagenhaft komischen Songtiteln wie "Impeccable caverns of Satan" oder "The sea beneath the seas of the sea" auf eine falsche Fährte locken zu lassen. Denn gerade letzterer Song entpuppt sich als Doom-Meisterwerk, zitiert in wilder Fahrt immer wieder Genre-Vorreiter wie Candlemass und natürlich die übergroßen Black Sabbath, ziehen deren Riffs aber weiter in den Abgrund, wo Nocturno Cultos guttural gurgelnder Sprechgesang wartet. Wenn Bands wie Avatarium dem Genre ein etwas entrückteres, ätherisches Image verpassen, so ist diese Interpretation von Darkthrone der siffige, vollkommen besoffen in der Ecke herumlungernde entfernte Verwandte. Der aber noch zum Erstaunen aller bei "Stalagmite necklace" ohne mit der Wimper zu zucken kurz das Mellotron entstaubt. Muss man sich auch erst einmal trauen.
Das abschließende "Eon 2" schlägt gar noch einen ganz kühnen Bogen zurück in die Vergangenheit, nämlich zum Instrumental "Eon" auf dem Debüt-Album "Soulside journey" aus dem Jahr 1990, als Darkthrone noch lupenreinen skandinavischen Death Metal holzten. Doch statt gut abgehangenem Elchtod finden sich immer wieder Anspielungen auf klassische Achtziger-Riffs, laden zum zünftigen Headbangen ein – ein Vorhaben, das bei früheren Platten sicher nachhaltige orthopädische Schäden bedeutet hätte. Natürlich werden wie schon bei den letzten Alben die Stimmen laut werden, die der Band Ideenarmut vorwerfen. Manche mögen gar aus dem immer wieder geschickt verschleppten Tempo den Vorwurf stricken, dass all dies ja überhaupt beim Black Metal mehr sei. Die Wahrheit jedoch ist, dass es Fenriz und Nocturno Culto vollkommen egal ist, was man über sie denkt. Und wenn sie Lust auf OId-School-Heavy-Metal verspüren, dann spielen sie halt Old-School-Heavy-Metal. Und diese freigeistige Mischung steht Darkthrone so gut und ist so mitreißend gelungen wie seit langer Zeit nicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Caravan of broken ghosts
- The sea beneath the seas of the sea
Tracklist
- Caravan of broken ghosts
- Impeccable caverns of Satan
- Stalagmite necklace
- The sea beneath the seas of the sea
- Kevorkian times
- Kolbotn, west of the vast forests
- Eon 2
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Armin
2022-11-09 19:49:36- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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