Ploho - When the soul sleeps

Artoffact
VÖ: 04.11.2022

Original ohne Untertitel

Die Frage, ob Kunst eher wirken oder verstanden werden muss, ist durchaus eine streitbare. Hat der geneigte Musikkonsument "mehr" von, in diesem Fall, einem Lied, wenn er die Sprache versteht, in der gesungen wird? Wären Alben von Sigur Rós (wahlweise auf Isländisch oder im erfundenen Neuhopeländisch) oder Envy (auf Japanisch) noch besser, wenn man alles verstünde, was da gesungen wird? Würde das umgekehrt bedeuten, dass Schlagermusik vielleicht beliebter wäre, wenn man sie nicht kognitiv durchdränge?

Knapp ein Jahr nach "Phantom feelings" veröffentlichen Ploho nun ihr bereits sechstes Album "When the soul sleeps" seit ihrer Gründung 2013. Ploho stammen aus dem kalten Sibirien und klingen wie eine Vorband von The Cure Mitte der Achtziger. Das Schlagzeug kommt aus der Konserve, der Gesang ist distanziert und kalt, die Gitarren klingen moll-ig, und der Bass ist tief im unteren Frequenzbereich anzufinden. Es ist eine große Stärke dieses Albums, dass es stilistisch authentisch und in sich geschlossen klingt. Die musikalischen Elemente werden hier nicht nur zitiert, sondern sind ein organischer Teil des Ganzen.

Der Opener "Занавес" (deutsche Übersetzung: "Vorhang") und der Closer "Ветер" ("Wind") erklingen in bester "Disintegration"-Tradition: sphärische Keyboard-Klänge, ein kalter Drum-Sound, mehr kann ein nach Patchouli und Haarspray duftender Mensch Ende der Achtziger nicht verlangen. "Иди и смотри" ("Geh und schau") erinnert ebenfalls an das The-Cure-Großwerk. "Fascination street" könnte hier Pate im Geiste der Russen gewesen sein.

Zwischen all der Melancholie, die der Anfang und das Ende des Albums verbreiten, schaffen es Ploho immer wieder, mit Songs wie "Замыкание цепи" ("Schließen des Stromkreises") oder "Если бы ты была морем" ("Wenn Du das Meer wärst") aus der eher getragenen Stimmung auszubrechen und etwas Grau in das Schwarze zu bringen. Der größere Teil des Albums bewegt sich eher im Schwarzlicht als in der völligen Dunkelheit, was dem Werk sehr gut steht.

Ploho haben es mit "When the soul sleeps" geschafft, ein Album zu schreiben, das im besten Sinne klingt, als sei es aus der Zeit gefallen. Die russische Sprache trägt hier zur klanglichen Ästhetik bei und lässt es noch überzeugender wirken. Die sprachliche Barriere führt dazu, dass sich der Kopf beim Hören ausschaltet und Ploho eher erfahren statt verstanden werden. Musik geht zwar durch den Kopf, muss ihn aber nicht zwangsläufig berühren, um ins Herz zu gelangen, und Ploho sind ein sehr gutes Beispiel dafür.

(Thomas Verkamp)