
Surf Curse - Magic hour
Atlantic / WarnerVÖ: 07.10.2022
Die Wundertüte
Wenn wir über das Phänomen der US-Formation Surf Curse sprechen, drängt sich eine Frage sofort auf: Steckt das Plattentests.de-Forum, ja vielleicht sogar die ganze Seite, in einem Paralleluniversum fest? Die Suchfunktion spuckt gerade mal drei läppische Treffer aus. Unter der Kategorie "Referenzen" der Bands Omni und Together Pangea. Keine Rezension, kein Forumsthread. Ganz schön dünn für eine Combo, deren Song "Freaks" mehr als 600 Millionen (!) Spotify-Streams aufweist. Dass jener Garage-Punker von ihrem Debüt aus dem Jahr 2013 über das Thema Selbstfindung als Teenager derart durch die Decke ging, hat die Band vor allem der Videoplattform TikTok zu verdanken, denn dort wurde das Stück 2020 zum viralen Hit. Der Hype nahm zeitweise sogar solche Formen an, dass nicht wenige Radioheads legendäres "Creep" als Referenz heranzogen und "Freaks" zur Garage-Hymne einer Generation deklarierten. Ein Vers wie "I just don't care" ist aber auch irgendwie zeitlos.
Hype hin oder her: Bewertet man den Applaus, welcher der jungen Band um Sänger und Schlagzeuger Nick Rattigan und seinen Kumpel Jacob Rubeck an der Gitarre entgegenschlägt, dann bleibt bloß die Feststellung, es mit der vielleicht angesagtesten jungen Rockband unserer Zeit zu tun zu haben. Jaulende Gitarren, polterndes Schlagzeug, zerfaserte Bassläufe: Die klassischen Faktoren einer wilden Garagenparty sind auf ihrem bereits vierten Album "Magic hour" nach wie vor gegenwärtig. Zeit zum Aufwärmen lässt der coole Opener "Arrow" nicht. Ran ans Bier und ab in den Pogo-Pit ist das einzige Rezept, diesem kleinen Stubenfeger zum Auftakt gebührend zu begegnen. "TVI" startet rumpelnd als Undertones-Hommage, bevor Surf Curse den Song hinten raus stilecht in die Post-Punk-Neuzeit treiben. Der 90s-Grunge, Hauptvorlage für die frühen Kompositionen, ist weiterhin Begleiter ihres Schaffens. Das vorab ausgekoppelte "Self portrait" legt hiervon gelungen Zeugnis ab. Und wenn es mal sanfter zugeht wie in "Cathy", beherrschen die Jungs aus Nevada auch verträumten Surfrock.
Doch die Teenies Rubeck und Rattigan sind älter und professioneller geworden, haben die Band zum Quartett erweitert und öffnen den Staublungen-Sound um nach Luft schnappende, ausgeklügelte Elemente des 70s- bzw. 80s-Rock. Mit derartigem Songwriting-Talent ausgestattet, animiert das knackige "Sugar" zum Grinsen oder kommen solch beeindruckend reife Rocksongs wie "Lost honor" heraus: formidables Riffing, pointierte Rhythmussektion, tolle Bridge und hymnisches Finale. Surf Curse trauen sich auch noisige Brocken zu, taufen sie passenderweise "Unwell" und liefern über sechs Minuten ab. Mit das Beste aber lauert kurz vor Schluss: "Fear city", ein wildes Stück zwischen arty Garage und Post-Punk, das mit dem Saxophon auf Anschlag zur Türe hereinstolpert und zwischen Spoken Word und Tanzflächen-Staubwedel auf faszinierende Art im Lärm herumirrt. Und wenn Rattigan am Ende zwar stark ironisch aber inbrünstig "What a beautiful life" ins Mikro posaunt, halten wir fest: Die Welt ist tatsächlich nicht nur schlecht, und Surf Curse scheinen noch zu vielem fähig. Eine phänomenale Wundertüte.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Arrow
- Last honor
- TVI
- Fear city
Tracklist
- Arrow
- Cathy
- Sugar
- Last honor
- Self portrait
- Unwell
- Strange
- TVI
- Little rock'n'roller
- No tomorrows
- Fear city
- Randall Flagg
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Armin
2022-10-26 21:02:01- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Surf Curse - Magic hour (1 Beiträge / Letzter am 26.10.2022 - 21:02 Uhr)