The Lightning Seeds - See you in the stars
BMG / WarnerVÖ: 14.10.2022
Nach Hause gekommen
Ganz anders als in diesem Jahr konnte man 1996 noch moralisch einwandfrei ein fußballerisches Großereignis verfolgen. Die Europameisterschaft fand seinerzeit in England statt, und neben dem entscheidenden Tor im Finale war auch die musikalische Flankierung des Turniers eine goldene. Nur zwei Jahre, nachdem in Deutschland noch Village People gemeinsam mit der Nationalmannschaft "Far away in America" geknödelt hatten, wurde mit "Three lions (Football's coming home)" eine ebenso melancholische wie euphorische, wunderbare Britpop-Hymne zum inoffiziellen Song des Turniers, dem man weder entkommen konnte, noch entkommen wollte. Komponist und Co-Interpret des Stücks war Ian Broudie, besser bekannt als The Lightning Seeds. Obwohl die Band auf den britischen Inseln schon seit der Debütsingle "Pure" anno 1989 mit eingängigen Indiepop-Preziosen Erfolge feierte, blieb die ihr gewidmete Aufmerksamkeit diesseits des Ärmelkanals, von oben erwähntem ikonischen Song einmal abgesehen, immer eher schmählich überschaubar. Ebenso überschaubar blieb auch der musikalische Output von The Lightning Seeds in diesem Jahrtausend: Stolze 13 Jahre nach dem eher melancholischen Album "Four winds" folgt nun mit "See you in the stars" das unerwartete Comeback.
Der mit Gitarren-Twang und akzentuiertem Backgroundgesang eher sparsam arrangierte, dennoch ungeheuer eingängige Opener "Losing you" beschäftigt sich bittersüß mit dem Ver- und Entlieben. "Love is just a lonely feeling", beklagt Broudie hier mit nach wie vor seidig glockenheller Stimme, die auch im einst von einem anderen berühmten Barden aus Liverpool besungenen Alter von 64 Jahren nichts von ihrem gewissen naiven Charme verloren hat. Broudies alter Kumpel Terry Hall von The Specials ist Mitautor von "Emily smiles", einem Northern-Soul-Hit, der sämtliche Tanzbeine in euphorische Schwingungen versetzt. Ähnlich viel Soul und Reminiszenz an den Sound der Sechzigerjahre bringt später auf dem Album das schmissige "Walk another mile", dessen fröhlicher Sound beinahe vergessen lässt, dass es sich im Text um ein verbittertes Streitgespräch am Ende einer Beziehung handelt. Neben Hall gibt es mit James Skelly von The Coral einen zweiten prominenten Co-Songwriter auf dem Album, der sogar an zwei Songs mitgewirkt hat: Während der Mitwipp-Sommerhit "Great to be alive" ähnliche Qualitäten aufweist wie eben die besten Songs von The Coral, ist sein beatleskes "Live to love you" selbst für Nicht-Zyniker dann doch etwas arg süßlich geraten.
Gut, dass direkt im Anschluss mit dem erfrischend anders klingenden "Permanent danger" ein Highlight folgt. "I hope I'm someone good" und "My heart's in trouble", croont Broudie da sehnsuchtsvoll und verletzlich zum etwas düstereren Sound von Drum-Machine und Tremologitarre. Auch andernorts wird die fröhlich-beschwingte Grundstimmung des Albums gekonnt und berührend gebrochen. Das getragene, streicherselige "Fit for purpose" bezieht sich auf familiäre Schicksalsschläge, und der melancholische Titeltrack ist ein zu Herzen gehender, hoffnungsvoller Abschiedsgruß an einen verstorbenen Freund. The Lightning Seeds surfen hier und seit jeher mit ihrem eingängigen Bubblegum Pop mit einfachen Texten ebenso elegant auf der Schwelle zu Belanglosigkeit und Kitsch, wie Broudie auf dem Cover des Best-of-Albums "Like you do" auf dem River Mersey. Den positiven Effekt von "See you in the stars" auf den Endorphinhaushalt der Hörer*innen beschreibt eine Zeile aus dem Song "Sunshine" wohl am treffendsten: "Sometimes in my heart every little thing feels fine." Was will man eigentlich mehr?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Emily smiles
- Great to be alive
- Permanent danger
Tracklist
- Losing you
- Emily smiles
- Green eyes
- Great to be alive
- Sunshine
- Fit for purpose
- Live to love you
- Permanent danger
- Walk another mile
- See you in the stars
Im Forum kommentieren
Armin
2022-10-26 21:00:08- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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