City Of Caterpillar - Mystic sisters
Relapse / MembranVÖ: 30.09.2022
Auferstanden
Bevor die Geschichte von City Of Caterpillar richtig Fahrt aufnehmen konnte, war sie schon wieder vorbei. Brandon Evans gründete die Band im Jahr 2000 in Richmond, viele Konzerte vor gelegentlich kaum mehr als fünf Interessierten, 2002 erschien schließlich das selbstbetitelte Debütalbum. Dann: Dissonanzen, folgenschwere Streitigkeiten, Auflösung der Truppe im Jahr 2003. Dass sich die Formation aber bei einigen Fans nie so ganz aus dem Gedächtnis herausgespielt hat, zeigte sich ab 2017. Da sorgten Gerüchte über eine mögliche Wiederbelebung für ein Raunen im Netz, schließlich traten die Herrschaften sogar wieder mit der Veröffentlichung von Live-Songs in Erscheinung. Die Krönung der guten Nachrichten: 20 Jahre nach dem Erstling folgt tatsächlich Album Nummer zwei. "Mystic sisters" heißt die dreiviertelstündige wilde Fahrt, die in acht Songs ordentlich Staub aufwirbelt. Man muss es an dieser Stelle einmal hinausschreien: Was! Für! Ein! Comeback!
Die Parallelen zum grandiosen Debüt sind zunächst einmal unverkennbar. Mit ihrer mal rohen, mal fast friedfertigen Mischung aus Screamo und Punk irgendwo zwischen Hardcore und Emo wussten sie schon auf den nur sieben Stücken aus dem Jahr 2002 zu überzeugen; kein Wunder, dass die damaligen Titel bei vielen Spuren hinterlassen haben, die nach wie vor kaum verwischt sind. Acht Stücke sind es 20 Jahre später, wieder gibt es drei mit der Überlänge von sieben Minuten aufwärts, und erneut passt alles verblüffend gut zueinander. So gerät gleich der Auftakt "Thought drunk" zu einem schlicht perfekten Einstieg in "Mystic sisters". Fast beängstigend ist die Atmosphäre, deren Spannung sich Note für Note steigert und schließlich zur gewaltigen Eruption ausartet. Sänger und Gründer Evans ist anzuhören, wie groß seine Freude darüber ist, wieder gemeinsam mit den Kollegen die Wände wackeln zu lassen. Das Zusammenspiel zwischen Jeff Kane, Kevin Longendyke und Ryan Parrish wirkt, als sei die jahrelange Pause nur eine Illusion gewesen.
Zur Meisterschaft bringen City Of Caterpillar unter anderem die durchaus genretypische Laut-Leise-Dynamik auf diesem Album, das dem früh verstorbenen Garred O'Donnell von Planes Mistaken For Stars gewidmet ist. Das Quartett, das den ein oder anderen Gastmusiker im Studio begrüßen durfte, versteht es aber auch, zum kompromisslosen Kinnhaken anzusetzen: "Paranormaladies" kommt beispielsweise als solcher daher. Wie viel Furor in Evans steckt, davon zeugt auch "Decider", in dem die Band mit diebischer Freude der Harmonie die Füße weggrätscht. Um dann doch zwischendrin fast wohlklingend die Bremse zu treten. "Has it been that long?", fragen sie hier, und man möchte antworten: Ja, schon, aber man hört es euch nicht an!
Man muss das alles erst einmal so hinbekommen. 20 Jahre lang abzutauchen, praktisch tief in der Versenkung zu verschwinden und sich dann in dieser Form zurückzumelden. Dass City Of Caterpillar nicht nur zur rüde geführten Axt greifen, sondern auch das Tafelbesteck mühelos zum Einsatz bringen, macht den besonderen Reiz des ganzen Albums aus. Vieles brennt sich sofort in die Gehörgänge ein, manches dringt erst nach vielfachem Hören an die Oberfläche. Ein mächtiges Zweitwerk, auf dessen Existenz wohl selbst unter den größten Fans kaum noch jemand wirklich zu hoffen gewagt hatte. Uns bleibt die Vorstellung, dass den US-Amerikanern beim zweiten Anlauf ein längerer Atem beschieden ist. Denn vor allem live dürften alte und neue Stücke eine wahrhaft furiose Darbietung garantieren.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Thought drunk
- Mystic sisters
- Ascension theft … (Gnawing of the bottom-feeders)
Tracklist
- Thought drunk
- Paranormaladies
- Decider
- Mystic sisters
- Manchester
- Voiceless Prophets
- In the birth of a fawn
- Ascension theft … (Gnawing of the bottom-feeders)
Im Forum kommentieren
Autotomate
2023-01-13 11:21:53
Bei mir auch in der Top 10 des letzten Jahres, hab's dann insgesamt aber doch etwas seltener gehört als einige andere Alben.
kingbritt
2023-01-13 08:05:46
Mein Album des Jahres 2022.
Mayakhedive
2023-01-13 05:55:55
Ich kann die Fugazi-Assoziation beim Gesang schon verstehen. Interessanterweise halte ich im Gegensatz zu City of Caterpillar bei Fugazi den Gesang maximal einen Song lang durch. Der geht mir ohne Umschweife direkt an die Nerven.
Der Name Loma Prieta ist mir völlig unbekannt und kommt gleich mal auf die Liste.
Affengitarre
2023-01-12 21:22:15
Hehe, Fugazi und Loma Prieta höre ich da tatsächlich auch raus. Erstere vielleicht wegen dem Gesang, bei Loma Prieta ist es eher der Sound. Jack Shirley war hier ja auch beteiligt, liegt unter anderem bestimmt daran.
MartinS
2023-01-12 21:02:56
Für mich in Sachen Krach eines der besten Alben letztes Jahr.
Ich muss beim hören komischerweise immer an Loma Prieta denken..
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