Willow - Coping mechanism

MSFTS / Roc Nation / Universal
VÖ: 07.10.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Nicht von schlechten Eltern

Was macht es mit Kindern, wenn sich deren Eltern in der Öffentlichkeit bis aufs Hemd blamieren? Fragt doch mal Willow Smith: Papa Will hat immerhin bei der diesjährigen Oscar-Verleihung vor versammelter Mannschaft Comedian Chris Rock eine gezimmert, dann den Hauptdarstellerpreis gewonnen und hinterher noch viel Quatsch von sich gegeben. Wahrscheinlich ist sogar Rebell Jaden zwischenzeitlich sprachlos gewesen. Willow hingegen macht, was man als junger Mensch halt so macht, wenn man die Familie und die echte Welt für einen Moment verdrängen will: Mucke aufdrehen. Für "Coping mechanism", das nur ein dickes Jahr nach ihrem Pop-Punk-Opus "Lately I feel everything" erscheint und dessen Titel einen gewissen Zusammenhang zu eingangs erwähnter Eskalation suggeriert, hat sie die Bubblegum-Regler zurückgedreht, Travis Barker ausgesperrt und zur Inspiration anscheinend richtig viel Post-Grunge gehört. Nicht nur dank Smiths neuem Look mit kahlrasiertem Schädel kommen einem bei "Coping mechanism" unweigerlich Skunk Anansie und deren Sängerin Skin in den Sinn. Oder eine Mischung aus Hayley Williams und Billy Corgan, auch musikalisch.

Düster und brachial schreddern die Gitarren und singschreit die 21-Jährige sich den Frust und die trotz Volljährigkeit noch sehr lebendige Teenage Angst von der Seele, als sei sie ein jugendlicher und besser singender Trent Reznor. Ihre wandelbare Stimme ist weiterhin ihr größtes Kapital, man nehme nur "Curious/furious", das seine unterschiedlichen Parts schlüssig zusammenbringt. Die Kompositionen sind simpel und gehen nach vorn, ufern dabei niemals aus und bleiben in Streaming-adäquaten Kurzformaten. Gerade die Mischung aus College-Rock und Nu Metal in "Maybe it's my fault" punktet durch einen großen Chorus, den Smith in dieser Stringenz leider nicht immer hinbekommt. Der Titeltrack und "No control" zum Beispiel bleiben in dieser Hinsicht ein wenig blass, dafür schöpft Smith vocaltechnisch in "Why?" und der Halbballade "Split" aus den Vollen. Allem Alternative zum Trotz pop-punkt "Hover like a goddess" – wie auch schließlich "Batshit!" – dann doch fröhlich durch den Skatepark, lässt die Künstlerin aber zwischendrin kleinere Mariah-Carey-Übungen einbauen. Ob so deren angekündigtes Grunge-Album klingen wird?

Die starke erste Hälfte von "Coping mechanism" überschattet die zweite, und sympathische Schönheitsfehler gehören dazu: Das Roboterstimmen-Feature in "Perfectly not close to me" ist nicht der Rede wert, der Song wirkt kaum zuende komponiert, egal wie sehr Smith ächzt und kreischt. "Ur a stranger" erinnert zudem unangenehm an Amy Lee und Evanescence, vieles andere an angefressene Garbage ohne deren Charisma und so mancherlei zwischendurch doch wieder an mütterlich lächelnden Adult Contemporary. Smith hat es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, Gitarrenmusik, für die sie zu jung ist, einem Publikum zu präsentieren, das dafür zu jung ist. Gut so! Ihr fünftes Album ist gleichzeitig – na schön, dann eben doch das böse Wort – erwachsener, stinkiger und dennoch angepasster als der Vorgänger. Wenn Smiths hämmernder, erfrischend unzeitgemäßer Alternative-Pop-Rock mit angedunkeltem Emo-Einschlag aber zwischenzeitlich funktioniert, funktioniert er richtig gut, auch ohne Skandale, Namedropping und Celebrity-Bonus.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Maybe it's my fault
  • Curious/furious
  • Why?

Tracklist

  1. Maybe it's my fault
  2. Falling endlessly
  3. Curious/furious
  4. Why?
  5. Coping mechanism
  6. Split
  7. Hover like a goddess
  8. Ur a stranger
  9. Perfectly not close to me (feat. Yves Tumor)
  10. No control
  11. Batshit!
Gesamtspielzeit: 29:19 min

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Armin

2022-10-12 20:18:42- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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