Noah Cyrus - The hardest part

Columbia
VÖ: 16.09.2022
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

In der Ruhe liegt die Kraft

In einem Geschwisterverhältnis fühlen sich oft alle Beteiligten mal so, als hätten sie den kürzeren Strohhalm gezogen. Ältere Brüder oder Schwestern weisen gerne darauf hin, dass sie den Eltern gegenüber mühsam Dinge erkämpfen mussten, die für die Jüngeren dann plötzlich ganz selbstverständlich gelten. Letztere haben jedoch oftmals das Gefühl, im Schatten der Großen zu stehen, nur in Relation zu diesen wahrgenommen zu werden oder entsprechenden Erwartungen standhalten zu müssen. Wenn die große Schwester namens Miley Cyrus nun schon von frühester Jugend an ein globaler Superstar mit unbestreitbaren Rampensauqualitäten ist, macht dies die Sache für die später Geborenen nicht unbedingt einfacher. Noah Cyrus ist sieben Jahre jünger als ihre einst ikonisch auf Abrissbirnen reitende Schwester, ließ aber spätestens mit ihrer zweiten EP "The end of everything" im ersten Pandemiefrühjahr aufhorchen und legt mit "The hardest part" ein hervorragendes Debütalbum vor.

Ebenso schonungslos direkt wie herzzerreißend autobiografisch blickt Cyrus im Opener "Noah (Standing still)" auf ihre noch nicht lange überstandene Medikamentensucht zurück und lässt bereits in den ersten lakonischen, nur von Akustikgitarre begleiteten Zeilen erahnen, wie elementar bedrohlich der Kampf gegen die Droge gewesen war: "When I turned twenty, I was overcome / With the thought that I might not turn twenty-one." Musikalisch steigert sich der Song von diesem zurückhaltenden Einstand aus zu einem mit Banjo, Harmonika und vielschichtigem Harmoniegesang angereicherten Stück Country-Pop-Brillanz. "Mr. Percocet" beschreibt die Gefühlswelt in einer von Substanzmissbrauch überschatteten Beziehung und variiert damit quasi "You only tell me you love me when you're drunk" von den Pet Shop Boys im Alternative-Country-Stil einer Kacey Musgraves.

Das dialogisch strukturierte Duett "Every beginning ends" mit keinem geringeren als Benjamin Gibbard von Death Cab For Cutie ist ein weiteres Highlight des Albums. Cyrus' raue Altstimme und Gibbards Willie-Nelson-Croon harmonieren aufs herrlichste, während sie zu klassischem Pedal-Steel-Gitarrenklang die langsame Zersetzung einer Liebesbeziehung beklagen. Thematisch eng verwandt ist die Pianoballade "My side of the bed", ein lyrisch und stimmlich ebenso verletzlicher, wie intensiver innerer Monolog über unausgesprochene Konflikte und Einsamkeit innerhalb einer Partnerschaft.

Auch die beiden Songs, welche die klangliche Country-Folk-Grundausrichtung zugunsten eines zeitgenössischeren Pop-Sounds hinter sich lassen, funktionieren: Der Titeltrack weiß mit elektronischen Effekten und starken Drums zu gefallen und auch der unverschämt eingängige, beatlastige Dance-Pop von "I just want a lover" steht Cyrus gut zu Gesicht. Der abschließende Country-Gospel "Loretta's song", eine Hommage an Cyrus' verstorbene Großmutter, deutet an, dass nach der kathartischen Auseinandersetzung mit den inneren Dämonen auch mithilfe dieser Songs eine positive Neuorientierung möglich ist: "Cause life’s too long to keep regrets / And love’s too strong to lay down for dead / I know you’re hurting, but it’s not the end.” Willkommen im Licht, Noah.

(Michael Albl)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Noah (Stand still)
  • Every beginning ends (feat. Benjamin Gibbard)
  • I just want a lover
  • My side of the bed

Tracklist

  1. Noah (Stand still)
  2. Ready to go
  3. Mr. Percocet
  4. Every beginning ends (feat. Benjamin Gibbard)
  5. Hardest part
  6. I just want a lover
  7. Unfinished
  8. My side of the bed
  9. I burned LA down
  10. Loretta's song
Gesamtspielzeit: 37:41 min

Im Forum kommentieren

Z4

2023-03-16 18:24:46

Nach wie vor die bessere Musikerin im Vergleich zu ihrer Schwester.

Armin

2022-10-13 19:59:40

Die hat das Genre ja nicht gepachtet

Getragene, geschmackvoll arrangierte herbstlich-winterliche Pop-Musik ohne billige Effekthascherei, dafür mit Indie-Gästen? Nö, hat Taylor nicht erfunden. Aber kultiviert. Und deswegen war es gleich mein erster Gedanke.

Z4

2022-10-13 19:57:15

Die hat das Genre ja nicht gepachtet, und wenn dann würde ich Kacey Musgraves das Copyright zusprechen ^^

Armin

2022-10-13 19:52:31

Und sehr taylorswiftig.

Z4

2022-10-13 13:23:56

Beim ersten Hören sticht vor allem "I just want a lover" hervor, wenn der Rest der Platte nach ein paar Durchgängen auch so zündet ist das ein richtig starkes Album und besser als alle Alben ihrer Schwester.

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