KEN Mode - Null

Artoffact / Cargo
VÖ: 23.09.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

In brackigen Tiefen

"Begrabt mein iPhone an der Biegung des Flusses", forderte PeterLicht 2011 auf "Das Ende der Beschwerde". Ach so, Ihr habt Eures über zehn Jahre später immer noch nicht entsorgt? Gut, dass es KEN Mode aus Winnipeg gibt. Von denen setzt es auf dem achten Album "Null" mit "Throw your phone in the river" nämlich einen donnernden Reminder, auf dass das Telekommunikationsendgerät recht bald in den nächstgelegenen Fluten verschwinden möge. Aber Achtung: Womöglich fliegt die restliche Habe direkt hinterher. Dafür sprächen zumindest angewiderte Zeilen wie "This untasteful place / Something is broken / Something is fucked", die Frontmann Jesse Matthewson praktisch ständig in die malmenden Songs spuckt. Nein, KEN Modes von Sludge-Morast und metallischem Schmurgeln durchzogener Noise-Rock bleibt ein ausgesucht grantiger und nihilistischer – und die Tatsache, dass der stählerne Einstieg ausgerechnet "A love letter" heißt, genauso blanker Hohn wie der Titel des seinerzeit bösartig zutretenden Vorgängers "Loved".

Und es wird noch bösartiger, denn inzwischen sind die Kanadier*innen zu viert: Fest zum Line-Up gehört nunmehr Kathryn Kerr, die schon auf "Loved" ins Atonale lappende Saxofon-Parts beisteuerte und Stücken wie "The illusion of dignity" eine zusätzlich gespenstische Schlagseite verlieh. Auch dem hiesigen Opener fährt das ramponierte Blasinstrument gehörig in die Parade – gerade noch rechtzeitig, bevor der erste rumorende Groove-Part ansteht. "It was a mistake to ask me for help", belfert Matthewson dazu aufgebracht, und wir stimmen zu, während wir die blauen Flecken zählen. Nur der Anfang einer guten halben Stunde, in der scharfkantige Gitarren und tiefstmöglich heruntergedrehte Bässe immer wieder vernichtend aufs Gemüt niedersausen. Und wenn die Saiten mal weitgehend Pause haben, springt ein Synthesizer im Distorto-Modus ein, duelliert sich lärmend mit Kerrs Tröte und hämmert das Industrial-Stahlbad "The tie" übersichtliche drei Minuten lang in die nächste Woche. So geht's doch auch.

Mit "But they respect my tactics" oder "The desperate search for an enemy" folgen die nächsten Knochenbrecher alsbald – und was sich nachgerade eloquent liest, kommt am Ende mit kurzen, aggressiv gebellten Auswürfen von Verachtung, Verweigerung und Selbstkasteiung aus. Motive, die auch Swans in ihren beinharten Krachmacher-Anfängen immer wieder bemühten, sodass es wenig verwundert, wenn KEN Mode auch musikalisch zusehends beim Frühwerk von Michael Gira und Konsorten andocken. Zum Beispiel im an quälendem Bass-Schaben und irrlichterndem Piano aufgehängten Zehnminüter "Lost grip", der zudem Pissed Jeans' Zeitlupen-Albtraum "Spent" nahesteht. Doch auch der Closer "Unresponsive" vergräbt sich mit perkussiver Wucht in den gleichen brackigen Tiefen, in denen einst "Filth" und "Cop" wühlten. Ein iPhone wird man dort nicht finden, wohl aber ein Album, das in seiner Konsequenz vor Scham und Schande schwitzt und dabei auf eigenartige Weise befreiend wirkt. Die Welt braucht mehr Platten wie "Null".

(Thomas Pilgrim)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • A love letter
  • Lost grip
  • Unresponsive

Tracklist

  1. A love letter
  2. Throw your phone in the river
  3. The tie
  4. But they respect my tactics
  5. Not my fault
  6. Lost grip
  7. The desperate search for an enemy
  8. Unresponsive
Gesamtspielzeit: 35:28 min

Im Forum kommentieren

headup

2023-09-22 12:30:30

Bockstark....beide Alben

Autotomate

2023-09-20 07:34:42

Falls das hier verstärkt eigenständig diskutiert wird, kann man's ja noch separieren.

The MACHINA of God

2023-09-19 20:23:17

Ah sorry, hate ich nicht gelesen. :/

Autotomate

2023-09-19 19:30:33

Hatte wegen der Beschreibung "companion piece to last year's NULL" drauf verzichtet, aber was soll's...

The MACHINA of God

2023-09-19 19:00:58

Wieso nicht nen Thread dazu machen?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum