Santigold - Spirituals

Little Jerk / Secretly / Cargo
VÖ: 09.09.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Befreiungsschlag

Die Gedanken sind frei und der Geist ist es auch. Selbst wenn der Körper physisch gebunden ist, kann man auf Wanderung durch die eigene Seele oder mit der Seele auf Wanderung durch die Welt gehen. Ein Gedanke, der Santigold in ihren Lockdown-Jahren und beim Entstehen ihres vierten Studioalbums "Spirituals" Kraft gegeben hat. Inspiriert von den "N*gro spirituals" – Songs, die Menschen beim Aushalten des Unaushaltbaren helfen sollten – schöpfte sie Energie aus dem Gedanken, sich zwar örtlich, aber nicht kreativ begrenzen zu müssen. Herausgekommen ist eine überraschend homogene Platte, was beim US-amerikanischen Irrwisch alles andere als selbstverständlich ist.

Denn Santi White, wie Santigold mit bürgerlichem Namen heißt, rauscht schon seit gut 20 Jahren quer durch die Genres und stiftet im positiven Sinne Verwirrung. Und auch auf ihrem ersten Album seit sechs Jahren hat sie sich mit beispielsweise Spank Rock, Alexander Ridha aka Boys Noize, Rostam oder Nick Zinner auf Producer-Seite aus verschiedensten Schubladen bedient. Trotzdem sind in den zehn Stücken neben White selbst vor allem Synthies und Drum-Computer der Star – was natürlich auch der digitalen Zusammenarbeit geschuldet ist.

Natürlich wäre es kein Santigold-Album, wenn sich die Songs trotz aller Homogenität in ihren Ansätzen nicht deutlich unterscheiden würden. "My horror" steigt wortwörtlich mit höchsten Tönen ein und hat Spaß am Albtraum, wie es sonst nur Grimes in "Oblivion" kann. Die Rap-Single "High priestess" ist einmal mehr ein Grund, M.I.A. als Vergleich heranzuziehen, und das gewaltige Glockenspiel in "Witness" ist zusammen mit wummernden Bassdrums nicht weit vom Hyper-Pop einer 20 Jahre jüngeren Generation entfernt. "Shake" macht mit freundlicher Unterstützung von SBTRKT einen doppelten Salto rückwärts und erinnert zum einen an Santigolds Vorliebe für 80s-Pop und zum anderen auch an Kylie Minogues "Slow". Ein bisschen Sozialkritik gibt es in "No paradise", in dem Santigold noch einmal an ihr letztes Karibik-inspiriertes Mixtape "I don't want: The gold fire sessions" erinnert und der traurigen Wahrheit ins Gesicht schaut: "Will be waiting all my life for no paradise."

Das alles passiert ohne den ganz großen Krawall und auch auf eingängige Hits scheint White auf ihrer transzendenten Reise keine Lust zu haben. Das ist allerdings keine Schwäche von "Spirituals". In einer halben Stunde lässt Santigold keine Langeweile aufkommen, sondern unterstreicht die Spielfreude eine der wandelbarsten Künstlerinnen dieses Jahrtausends auf unaufdringliche Weise: Sie verhebt sich nicht an monumentalen Aufgaben, sondern präsentiert triumphierend, was sie hochhalten will. Das macht ihr neustes Werk vielleicht nicht zu einem der besten Alben des Jahres, aber darauf gar nicht erst abzuzielen ist genau die Freiheit, die Santi White sich einfach nimmt und von der sie niemand abhalten kann.

(Arne Lehrke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Nothing
  • Witness
  • No paradise

Tracklist

  1. My horror
  2. Nothing
  3. High priestess
  4. Ushers of the new world
  5. Witness
  6. Shake
  7. The lasty
  8. No paradise
  9. Ain't ready
  10. Fall first
Gesamtspielzeit: 30:48 min

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Armin

2022-09-05 20:55:48- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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