Megan Thee Stallion - Traumazine

1501 Certified / 300
VÖ: 12.08.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Mask off?

"Sick of bein' humble, 'cause you bitches don't respect that", rappt Megan Pete in "NDA" über frostig klirrender Percussion und Streichern, die den Angesprochenen bereits akustisch ihr Grab ausheben. Nicht dass die als Megan Thee Stallion bekannte Frau je für ihre Bescheidenheit bekannt war, doch ihr zweites Album zeigt sie in einer noch einmal ganz anderen Form der Offensive. Wenn sie sich in einem späteren Track als "Ms. Nasty" bezeichnet, hat das weniger mit ihrem hypersexualisierten Image zu Zeiten von "WAP" zu tun, sondern bezieht sich auf die eigentliche Bedeutung des Wortes: fies, garstig, unangenehm. Auf "Traumazine" spuckt Megan gegen ihre Hater, private Feinde und gesellschaftliche Übel, und scheint dabei ihr Innerstes so sehr nach außen zu kehren wie noch nie – auch wenn sich ob der zeitweiligen Inkonsequenz der Platte die Frage stellt, ob sie wirklich ihre Maske ablegt oder bloß ein paar neue aufsetzt.

Grund fürs Angepisstsein hat die 27-Jährige jedenfalls genug, befindet sie sich doch aktuell in einem üblen Rechtsstreit mit ihrem Label. Wer sich hinter den "fake-ass, snake-ass, backstabbin', hatin'-ass, no money gettin'-ass bitches" des todesdüsteren Trap-Bangers "Ungrateful" verbirgt, ist vor diesem Hintergrund leicht zu erraten. "My skin not light enough / My dialect not white enough / Or maybe I'm just not shaped the way that makes these niggas give a fuck", heißt es derweil im Programmstück "Not nice", dessen bassiger Beat beweist, dass die einst von niemand geringerem als Q-Tip geschulte Rapperin nach wie vor ein großes Herz für Oldschool-HipHop hat – ähnliches gilt für die jazzig verspulte Single "Plan B", die wieder gegen Ex Tory Lanez mit seinem lockeren Abzugsfinger schießt. "Traumazine" funktioniert immer dann am besten, wenn Megan ihre zweifelsfrei großartigen Rap-Skills alleine über reduzierten Instrumentals zur Schau stellt oder sich die Feature-Gäste ihrem Modus anpassen: wenn sie etwa mit Latto durch die Stripclub-Hymne "Budget" stolziert oder den lässig mäandernden Posse-Track "Southside royalty freestyle" aufzieht, der Underground-Prominenz aus ihrer Heimatstadt Houston ins Boot holt.

Die stilistischen Ausflüge gestalten sich dahingegen durchwachsen. Mit Jhené Aiko respektive Lucky Daye versuchen sich "Consistency" und "Star" am Neo-Soul, doch während die schönen Harmonien des erstgenannten Tracks noch ein Plätzchen unter der Frühlingssonne finden, ist letzterer eine komplette Gurke. In "Pressurelicious" erhärtet Future den Verdacht, für seine Gastauftritte eine KI zu nutzen, "Her" springt bestenfalls trabend auf Beyoncés Dance-Gaul auf, und das lieblos ans Ende gepappte Dua-Lipa-Feature "Sweetest pie" klingt einfach wie eine "Future nostalgia"-B-Seite. Das wesentliche Problem all dieser Nummern ist ihre Angepasstheit. Megans charakteristischer Camp-Faktor kommt nur in der Rico-Nasty-Kollabo "Scary" wirklich raus, die mit gespenstischem Theremin und gesampleten Schreien eine höchst unterhaltsame Horrorshow aufführt.

Schon "Good news" untergrub mit Pop-Zugeständnissen die eigenen Stärken, doch auf "Traumazine" stehen die teils fragwürdigen Produktionsentscheidungen zudem noch dem thematischen Ansatz auf den Füßen. "Anxiety" und "Flip flop" erzählen therapeutisch offen von mentalen Problemen und der früh verstorbenen Mutter, die unpassende musikalische Begleitung – Gejodel in ersterem, fideler R'n'B in letzterem – scheint die Lyrics allerdings fast ins Lächerliche zu ziehen. Wieso "Gift & a curse", das mit Zeilen wie "My motherfuckin' body, my choice" auf "Roe v. Wade" Bezug nimmt, auf einem an "Halloween" erinnernden Zitter-Piano fußen muss, bleibt ebenfalls im Unklaren. Der obligatorische Sex-Track "Red wine" bestätigt dann den Eindruck, dass Megan ihr Konzept selbst nicht ganz so ernst nimmt – was an sich nicht schlimm ist, doch fehlt ihr so weiterhin der Fokus, um ihr unbestreitbares Potenzial voll auszuschöpfen. Wenn das irgendwann geschehen ist, nehmen die Hater vielleicht schon von selbst die Beine in die Hand, bevor sie per messerscharfen Diss-Lines vom Hof gejagt werden.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ungrateful (feat. Key Glock)
  • Scary (feat. Rico Nasty)
  • Southside royalty freestyle (feat. Sauce Walka, Big Pokey & Lil' Keke)

Tracklist

  1. NDA
  2. Ungrateful (feat. Key Glock)
  3. Not nice
  4. Budget (feat. Latto)
  5. Her
  6. Gift & a curse
  7. Ms. Nasty
  8. Who me (feat. Pooh Shiesty)
  9. Red wine
  10. Scary (feat. Rico Nasty)
  11. Anxiety
  12. Flip flop
  13. Consistency (feat. Jhené Aiko)
  14. Star (feat. Lucky Daye)
  15. Pressurelicious (feat. Future)
  16. Plan B
  17. Southside royalty freestyle (feat. Sauce Walka, Big Pokey & Lil' Keke)
  18. Sweetest pie (with Dua Lipa)
Gesamtspielzeit: 51:05 min

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Armin

2022-08-26 10:57:03- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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