Panda Bear & Sonic Boom - Reset

Domino / GoodToGo
VÖ: 12.08.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Hitzeflirren

Es ist natürlich kein Zufall, dass dieses Album im Sommer erscheint, inmitten der stumpfen Hitze der Hundstage. Schließlich arbeitet Noah Lennox alias Panda Bear seit langem an seiner musikalischen Idee einer Sommer-Platte – ob solo oder in seiner Hauptband Animal Collective –, die nicht versiegenden Vergleiche mit The Beach Boys mögen sich auch daraus speisen. Denn wie bei jenen erschöpft sich Lennox' Vision eben nicht in gedankenloser Heiterkeit mit Badetuch und Sonnencreme, eher wird der Sommer zu einer schillernden Chiffre, in der die Dinge sich entgrenzen, Sinn und Sinne porös werden. Wer in Panda Bears Welt auf der Wiese picknickt, vernimmt immer auch die wimmelnden Bewegungen der Insekten im Erdreich, wer hier zu lange am Strand verweilt, wird von Schwindel und hämmerndem Schädel an Orte geführt, die im Verborgenen hätten bleiben sollen. Und doch schweben über allem eine leichte Nostalgie und Lebensfreude, die bislang nirgendwo so stark kristallisierten wie auf dem modernen Indie-Klassiker "Person pitch". Unterschiedlichste Einflüsse collagierte und sampelte Lennox dort, dankte Ihnen ausführlich im Booklet. Einer davon: die einstigen Weltall-Psychedeliker von Spacemen 3, deren eine Hälfte Peter Kember (Sonic Boom) fortan zum gelegentlichen Produzenten und Gesprächspartner in der Umgebung Lissabons wurde. Mit "Reset" legen beide nun ihre erste vollständige Kollaboration vor, die zugleich Lennox' vermutlich bestes Soloprojekt seit 15 Jahren darstellt.

So lässt sich schon der Titel des Openers als Maxime für das ganze Album lesen. "Gettin' to the point" – erstaunlich fokussiert gibt sich das Tandem bei aller vielbesungenen Spiel- und Experimentierfreude. Kembers angeschlagene und geloopte Akustikgitarre grundiert den Track, dann gesellen sich fröhliches Pfeifen, elektronisches Geplucker, Möwenschreie und Vogelgezwitscher dazu, verschleiern aber nie das Hauptanliegen: einen knackigen Pop-Song zu machen. Eine Surfgitarre, deren Tremolo sich kräuselt wie die weiße Wellengischt, prägt die Strophen von "Go on", dessen Hook sich mit Synth-Drones und dem stakkatohaften "Give it to me" als hitziger Kontrast konstruiert. "One man's sweat is another's balm", stellt Lennox schlüpfrig fest. Der psychedelische Sog von "Whirlpool" und die träge Dynamik des von Kember gesungenen "Everything" erinnern wiederum an jene hypnotischen Wiederholungen, die in den Achtzigern stilprägend für Spacemen 3 wurden. Dabei richtet sich "Reset" vor allem entlang seiner Melodien aus, die in der famosen Single-Auskopplung "Edge to the edge" so richtig zur Geltung kommen. Claps und sanfte Gesangsharmonien aus dem Doo-Wop-Hit "Denise" von Randy & The Rainbows werden hier so gesampelt und rekontextualisiert, dass sich ein nachdenklicher Dialog über die Dekaden hinweg einstellt: "It's forever at the push of the button", summt Lennox gleichsam als doppelte Handlungsanweisung.

"In my body" präsentiert eine ähnliche Freude an der Melodie in deutlich reduzierterem Gewand, seine feierlichen Chöre muten fast sakral an. Funkelnde Synth-Läufe steigern die Idylle, bis die Spirale verschlungener Melodien peu à peu ins Unbehagliche getrieben wird, Lennox in seinem Repertoire kanonischer Sommermotive fischt: "Stuck up on a branch and I can't get down." Mitunter lässt sich kaum noch erkennen, ob Samples einen Gitarrenfetzen oder eine perkussive Einlage in die Songs tragen, so organisch verwächst auf "Reset" alles zu einem kohärenten Klanggewebe. Bevor "Everything's been leading to this" das Album mit einem abendlichen Feuerwerk beschließt, bittet "Livin' in the after" mit flirrenden Streichern und Kastagnetten zum Tanz, kreiert melodieseligen Überschwang, der einen Hauch Melancholie nie ganz ablegen kann. Sein erfrischendes Wegplätschern feiert abschließend die pure Lust am Geräusch, an der Textur, die Panda Bears und Sonic Booms musikalische Erkundungen seit jeher begleitet. Und doch ist "Reset" ein erstaunlich songorientiertes Album geworden, eingängig ohne fad zu wirken, abseitig ohne sich zu verlieren. Ein Riss geht durch diese Lieder, eine unruhige Mehrdeutigkeit, die sich schon in den ersten Zeilen ankündigt: "Like a Coca-Cola in the system / I'm lettin' it engineer the atmosphere." Lennox und Kember wissen eben: Wer den Sommer besingt, sollte vor den Schatten nicht halt machen.

(Viktor Fritzenkötter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Edge of the edge
  • In my body
  • Livin' in the after

Tracklist

  1. Gettin’ to the point
  2. Go on
  3. Everyday
  4. Edge of the edge
  5. In my body
  6. Whirlpool
  7. Danger
  8. Livin' in the after
  9. Everything's been leading to this
Gesamtspielzeit: 38:28 min

Im Forum kommentieren

smrr

2022-08-20 10:48:04

Finde, es fehlt hier etwas die Konsequenz. Entweder man fokussiert das Minimale, Repetitive noch stärker - oder man muss das machen, was Panda Bear ja früher mit Animal Collective auch im Familienpack hinbekommen hat: Noch stärkere Brüche, noch mehr Wechsel, Songs so aufbauen, dass sich das Warten auf den Refrain so richtig gelohnt hat.

Hier hat man meist nach den ersten 30 Sekunden den Song verstanden.

Insgesamt macht das Album schon Spaß, ist aber für mich mit 6.5-7 auch wertungsmäßig gut eingetaktet.

AliBlaBla

2022-08-20 10:29:33

Top Rezension!
Ich finde, genau die richtigen Worte gewählt, was die Stimmung/Konstruktion angeht (toller Schlusssatz, btw), und die Essenz schön herausgepresst.

Für die Skeptiker noch mal: ja, viel SONG ORIENTIERTER (denn je) und mega Hooks!
Listen to it
Listen to it
Listen to it (beschwörend)

AliBlaBla

2022-08-20 09:42:54

@Hierkannmanparken
Oh, okey - empfinde ich nich so ganz, aber ich weiß, was du meinst. Schönes weekend.

Hierkannmanparken

2022-08-19 23:51:29

Die Musik, ja :D
Wie ein Beach Boys-themed Gruselkabinett

Armin

2022-08-19 21:51:56- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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