Lisa Gerrard & Marcello De Francisci - Exaudia

Atlantic Curve / Membran
VÖ: 26.08.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Unter dem Vulkan

"Lisa und Brendan bei den Griechen." Das waren noch Zeiten vor COVID-19 und nachfolgendem Flughafen-Chaos, als man als Plattentests.de-Mitarbeiter seine Rezensionen leichthin mit einer Überschrift versehen konnte, die Lust auf den nächsten Sommerurlaub machte. Der Halbsatz bezog sich auf das Dead-Can-Dance-Album "Dionysus" – wobei sich Lisa Gerrard, Sängerin des kultisch verehrten Duos zwischen Ethereal Gothic, Neoklassik und World Music, zuletzt auch gern bei den Bulgarier*innen oder bei den Elefanten aufhielt. Nicht so während der Aufnahmen zu ihrem zweiten Longplayer mit Marcello De Francisci, denn die fanden aus naheliegenden Gründen auf digitalem Wege statt. Die Reibereien zwischen der Australierin und dem kalifornischen Komponisten hielten sich also in Grenzen – auch als Gerrard die Soundfiles erhielt, auf denen De Francisci ihre brillante Stimme mit opulenten Orchester-Arrangements verschnitten hatte. "Er ist wie ein musikalischer Vulkan", so die Vokalistin über ihren Partner. Und es brodelt ordentlich.

Auch wenn sich das Rumoren auf "Exaudia" subtil ankündigt: "When the light of morning comes" führt ausgesprochen behutsam in die wogenden Welten dieses Albums ein, lässt elektronische Flächen und sinfonisches Gebläse wie im Zeitraffer mit vom anderen Ende der Nacht hinüberwehendem Gesang kollidieren und verhallt so gravitätisch, wie das Stück sich zuvor anschlich. Nach diesem luftigen, aber umso magnetischeren Opener steht fest: Gerrard und De Francisci haben zwar nur knapp 40 Minuten, aber irgendwie doch alle Zeit der Welt, um monumentale ambiente Score-Aufbauten mit sakralen Lautmalereien und Anrufungen unter einen Hut zu bringen – anders als auf dem gemeinsamen 2010er-Erstling "Departum", wo viele Stücke eher skizzenhaft blieben und man sich zuweilen hin -und hergerissen fühlte zwischen verschwenderischer Größe und Miniaturen, die oft kaum mehr als ein Hinhören bedeuteten. Hinhören bedeutet hier auch der lateinische Titel – und die Ohren spitzen sich von Beginn an wie von selbst.

Ein Song wie das weich durch die Instanzen unaufdringlich folkigen Saitenspiels marschierende "Until we meet again" gehört dabei noch nicht einmal zu den stärksten Seiten von "Exaudia": Beeindruckender nimmt es sich aus, wenn Gerrard und De Francisci das Habitat von ätherischem 4AD-Wave und Soundtrack-Gekuschel erweitern und sich in "Fallen" oder dem mit raumgreifenden Percussion-Schlägen und hochfahrenden Posaunen hantierenden Titelstück aus den engen Grenzen bloßen Schönklangs befreien. "Stories of love, triumph and misfortunes" versucht sogar eine rumpelig, aber imposant groovende nahöstliche Pop-Spielart inklusive feinsinnigem Gesangsduett, die sich etwas schneller, aber nicht weniger bombastisch entblättert als der Rest. Zum Finale des traumwandlerischen "Stay with me" verpufft alles in einem hymnischen Zusammenprall sämtlicher Instrumente – das große Luftholen, bevor Dead Can Dance wieder aktiv werden? Dann haben Lisa Gerrard und Marcello De Francisci einen verdammt langen Atem.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Exaudia
  • Stay with me

Tracklist

  1. When the light of morning comes
  2. Until we meet again
  3. Fallen
  4. Exaudia
  5. Stories of love, triumph and misfortunes (feat. Bahar Shah)
  6. Stay with me
  7. Exaudia reprise
Gesamtspielzeit: 38:36 min

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Armin

2022-08-19 21:48:49- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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