Eminem - Curtain call 2

Shady / Aftermath / Interscope / Universal
VÖ: 05.08.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bestandsaufnahme

Es ist schon sehr verlockend, sich beim Durchhören von Eminems zweitem offiziellen Best-Of-Album komplett der Rolle des alten, grantigen Mannes hinzugeben, der mit seinem Gehstock gegen die Jukebox haut und krakeelt, dass früher alles besser war. Schließlich war der erste Teil von "Curtain call" anno 2005 ein Must-have in jeder gutsortierten HipHop-Sammlung und das umfassende Manifest eines zwar langsam schwächelnden, aber immer noch weltbewegenden Rappers, der unzählige Rekorde gebrochen hatte und noch weitere brechen würde. Ein zweiter Teil sei dem fast Fünfzigjährigen nach weiteren 17 Jahren mit jeder Menge Output zwar vergönnt - eine Heldenreise waren die letzten Jahre allerdings eher selten.

Was nicht heißt, dass man aus dem halben Dutzend Alben und einer Reihe von Features nicht ein durchaus beeindruckendes Gesamtkonstrukt zusammenstellen kann, das die vielen Facetten des Detroiters aufzeigt. Da sind unbestreitbare Hits wie das Westcoast-inspirierte "Monster" mit dem viel zu früh verstorbenen Juice WRLD. Da sind auch dudelnde Stadionstampfer wie "Lighters" mit Bruno Mars, die zumindest an reinen Zahlen gemessen Millionen von Menschen begeistert haben, und von Beyoncé über Ed Sheeran bis Rihanna dürften auf Eminems persönlicher Bucket List nur wenige Feature-Träume stehen, die unerfüllt geblieben sind. Allerdings sind diese Kollabos trotz ihrer unfassbaren Reichweite Beweise dafür, dass Marshall Mathers irgendwann kein Problem mehr damit hatte, sich einem Mainstream anzubiedern, gegen den er zu Beginn seiner Karriere immer wieder rebelliert hat. Ein Ergebnis der ironischen Entwicklung, dass Eminem mit seiner Musik selbst stark dazu beigetragen hat, Rap zur vielleicht erfolgreichsten und populärsten Musikrichtung der Neuzeit zu machen und sich selbst dabei kannibalisiert hat.

Um dem Pop-Felsen bei 32 Songs ein bisschen was entgegenzusetzen, gibt es aber auch Fan-Favorites. Das von Kritiker*innen als reines Technikgeflexe belächelte "Rap god", das bei YouTube immer gerne rausgeholt wird, um ein paar älteren Menschen in irgendeinem Reaction-Format zu zeigen, wie schnell jemand Wörter aneinanderreihen kann, ist auch nach dem zigsten Mal noch eine hypnotische Lehrstudie. Der Horrorcore-Eminem darf im gruseligen "3 a.m." ein wenig von Blut und Leichen schwadronieren und mit "Best friend" mit Ex-Signing Yelawolf hat es sogar ein - trotz seines starken Fokus auf Religion - heimlicher Lieblingssong des Rezensenten auf die Liste geschafft. Immer, wenn man denkt, jetzt hat man genug, kommt doch eine weitere der vielen Persönlichkeiten des Rappers hervor, zieht einen mit seiner einzigartigen Stimmfarbe und hyperpräzisen Artikulation am Kragen zu sich heran, starrt einem eindringlich in die Augen und verleiht sogar Banalitäten eine seltsame Intensität.

Ein besonders intensives Stück in der fast zweieinhalb Stunden langen Sammlung ist das "The sound of silence” samplende Amokschützen-Drama "Darkness", das zum Besten, wenn auch Deprimierendsten gehört, was Eminem in den letzten Jahren zu Papier gebracht hat. Diese Kontemplation über die menschlichen Abgründe ist die Art Song, die Eminem seine ganze Karriere über von so vielen anderen abgehoben hat. Von solchen Songs wünscht man sich insgesamt mehr. Nichtsdestotrotz kuratiert "Curtain call 2" umfangreich die zweite Karrierehälfte eines der größten Rappers aller Zeiten. Eine zwingende Notwendigkeit für ein solches Release gibt es im Zeitalter der selbst zusammengestellten Playlisten zwar nicht zwangsläufig, der Vollständigkeit halber kann man diese Best Of aber guten Gewissens in seine gut sortierte HipHop-Sammlung aufnehmen. Und dabei trotzdem grantig murmeln, dass früher alles besser war.

(Arne Lehrke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Godzilla (feat. Juice WRLD)
  • Rap god
  • Beautiful
  • Best friend (feat. Yelawolf)
  • Darkness

Tracklist

  • CD 1
    1. Godzilla (feat. Juice WRLD)
    2. Lucky you (feat. Joyner Lucas)
    3. Lighters (feat. Bruno Mars)
    4. Gnat
    5. Cinderella man
    6. Walk on water (feat. Beyoncé)
    7. Rap god
    8. Love the way you lie (feat. Rihanna)
    9. Won’t back down (feat. P!nk)
    10. Higher
    11. Bezerk
    12. Not afraid
    13. From the D 2 the LBC (feat. Snoop Dogg)
    14. Nowhere fast (feat. Kehlani)
    15. Fall
    16. Phenomenal
    17. Fast lane
    18. You’re never over
  • CD 2
    1. 3 a.m.
    2. Space bound
    3. Beautiful
    4. The monster (feat. Rihanna)
    5. Venom
    6. Crack a bottle (feat. Dr. Dre & 50 Cent)
    7. Is this love ('09)(feat. 50 Cent)
    8. River (feat. Ed Sheeran)
    9. Survival
    10. Best friend (feat. Yelawolf)
    11. Darkness
    12. Kings never die (feat. Gwen Stefani)
    13. No love (feat. Lil Wayne)
    14. Headlights (feat. Nate Ruess)
    15. The King and I (feat. CeeLo Green)
    16. Farewell
Gesamtspielzeit: 154:43 min

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Armin

2022-08-19 21:48:17- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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