Oehl - Keine Blumen

Grönland / Rough Trade
VÖ: 26.08.2022
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Tieftraurig und sommerlich leicht

Im Forum von Plattentests.de wird schon seit 2006 die österreichische Musiklandschaft besprochen. Der Thread "Musik aus Österreich" überlebt somit schon erfreulich lange, was bei den vielen spannenden Künstler*innen aus der Alpenrepublik aber auch nicht sonderlich überrascht. Immer wieder stellen wir Kartoffeln fest, wie wunderschön und speziell die Musik aus unserem Nachbarland ist. Und die Österreicher*innen selbst beteiligen sich bestimmt auch.

Spätestens mit ihrer letztjährigen EP "100% Hoffnung" bewiesen die Wiener Oehl, dass sie in den Lobeshymnen auf die Musikszene ihres Landes nicht fehlen dürfen. Aus dem Duo ist mit dem nun erscheinenden Album "Keine Blumen" ein Soloprojekt des Namensgebers Ariel Oehl geworden. Überraschenderweise fällt der Abschied des Multiinstrumentalisten Hjörtur Hjörleifsson nicht ins Gewicht. Dem frischgebackenen Solokünstler Oehl ist es gelungen, den bezaubernden Elektro-Pop-Sound des Duos fortzuführen und seine tieftraurigen Texte und melancholischen Beobachtungen in sommerlich leichte Instrumentierungen zu betten. Songs wie "Bis einer weint" und "Wie Motten das Licht" sind auffallend eingängig und lassen sich ohne Anstrengung hören. Man kann sich an den unkomplizierten Melodien erfreuen und muss sich nicht zwangsläufig mit der textlichen Tiefe beschäftigen.

Oehls Stimme ist sanft und zurückhaltend, es bedarf einem intensiven Zuhören, um alles zu verstehen, was der Sänger auf den 14 Tracks verarbeitet. Er widmet sich auf dem Album sehr persönlichen Themen, blickt in "Vogelhaus" und "5 in 93" wehmütig auf seine Kindheit zurück. Über eine tanzbare Melodie kommentiert er auf "Schönland" bekümmert den Zustand unserer Welt, ohne dabei komplett schwarzzumalen: "Und während Du schläfst, wachsen Babys / Und legen Schatten auf die Sonnenuhren / Ein paar tausend Gretas sind auf dem Weg, denn was hilft es, nun die Hoffnung zu verlieren." Viele seiner feinsinnigen Zeilen könnten auch Gedichten entstammen. Der Wiener arbeitet ganz wunderbar mit Sprache und Bildern und erschafft dabei ein Pop-Album, das frei von Kalendersprüchen und Plattitüden ist. Oehl veröffentlicht auf dem Label Grönland und war auch schon Support-Act für Herbert Grönemeyer. Unweigerlich muss man beim Text von "Weitergehen" an einen großen Hit des Label-Gründers denken: "Gib mir mein Herz, gib es zurück / Denn ich hab' lieber einen Stein / Als so ein Loch in meiner Brust." Für "Satt werden" wählt Oehl einen relaxten Reggae-Sound und holt sich als gesangliche Unterstützung die Frontsängerin der Münchner Band Mola ins Boot, deren markante rauchige Stimme einen sehr schönen Kontrast bildet.

Auch unsere Nachbar*innen in Österreich stehen mehrheitlich auf Stumpfsinn und leichte Kost, was der Blick auf die aktuellen Singlecharts verrät. Dort hält sich im August 2022 das viel zu oft thematisierte Ballermannliedchen "Layla" wacker an der Spitze. Und doch gibt es immer wieder bezaubernde Acts wie Oehl, die unseren Thread "Musik aus Österreich" sicher nicht aussterben lassen.

(Andreas Rodach)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bis einer weint
  • Ruh
  • Mängelexemplar
  • Satt werden

Tracklist

  1. Es tut mir leid
  2. Bis einer weint
  3. Wie Motten das Licht
  4. Ruh
  5. Schönland
  6. Kummer, Mond & Sterne
  7. Mängelexemplar
  8. Weitergehen
  9. Ab (Demo)
  10. Satt werden (feat. Mola)
  11. Vogelhaus
  12. Blau
  13. 5 in 93
  14. Keine Blumen
Gesamtspielzeit: 37:17 min

Im Forum kommentieren

peter73

2022-08-22 18:51:14

wanda = schlager = kacke.
bilderbuch = hipstermucke = geschmackssache.
oehl = kunst = für eine kleine fangemeinde.


hab oehl letztes jahr entdeckt & im herbst live gesehen - das wird heuer im herbst wiederholt.
h

Obrac

2022-08-22 18:36:51

@Francois: Naja, stilistisch haben die drei von mir genannten weitaus mehr gemeinsam als die drei von dir genannten, insofern überzeugt mich dein Vergleich nicht. Aber geschenkt, mein Beitrag vom 20.08. ist aus dem Protokoll zu streichen.

Francois

2022-08-22 18:26:55

Der Vergleich macht genauso Sinn wie
Rammstein > (Helene Fischer + Revolverheld)

Obgleich ich diese Bands (Wanda und Bilderbuch) sehr, sehr mag. Wahrscheinlich sind sie einigen schon „zu groß“ …

myx

2022-08-20 13:24:59

Ich freue mich natürlich auch auf das Album, erst recht nach den schönen Worten in der Rezension.

Und zum Glück habe ich keine Probleme mit Bilderbuch, sonst könnte ich ihr jüngstes, prachtvolles Gitarrenalbum nicht geniessen.

Obrac

2022-08-20 12:54:15

Wahrscheinlich ist der Vergleich auch nicht sinnvoll, aber es sind zumindest gefühlt die populärsten Indiebands aus Österreich, zumindest Wanda und Bilderbuch. Letztlich wollte ich eigentlich nur gehässig zum Ausdruck bringen, wie unsympathisch ich die beiden finde und wie angenehm Oehl dagegen rüberkommt.

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