Soilwork - Övergivenheten

Nuclear Blast / Rough Trade
VÖ: 19.08.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Weichgeklopft

Musiker, die neben ihrer Hauptband noch komplett andere Genres bedienen, sind gar nicht einmal so selten. Die Heavy-Rock-Band Audrey Horne wurde beispielsweise vom Gitarristen Arve Isdal und dem Bassisten Tom Cato Visnes gegründet, die unter ihren Künstlernamen Ice Dale und King Ov Hell ziemlich fiesen Black Metal bei Enslaved beziehungsweise den damals ziemlich berüchtigten Gorgoroth rüpelten. Michael Amott von Arch Enemy hingegen frönte gemeinsam mit seinem Bandkollegen Sharlee D'Angelo bei Spiritual Beggars staubtrockenem Stoner Rock. Tja, und D'Angelo selbst bedient noch den Bass bei den überaus erfolgreichen AOR-Aficionados The Night Flight Orchestra – und jene sind bekanntermaßen im einer Bierlaune im Tourbus von Björn Strid und David Andersson aus der Taufe gehoben worden, ihres Zeichens Frontmann und Gitarrist bei Soilwork. Ob das nun Musiker-Inzucht ist oder Ausleben der eigenen Kreativität, darf wie so oft jeder für sich selbst entscheiden.

Wie dem auch sei, in all den Jahren gelang es Strid und Andersson immer, die Sounds jener beiden Bands sehr exakt voneinander abzugrenzen. Doch schon auf dem Album "Verkligheten" von 2019 experimentierte der Frontmann deutlich häufiger mit eingängigen Hooks und vermehrtem Einsatz von Klargesang im Melodic Death Metal der Band aus Helsingborg. Insofern könnte die Überraschung schon beim zweiten Song des neuen Albums "Övergivenheten" eher gering sein, doch derart nah wie beim geradezu poppigen "Nous sommes la guerre" waren sich beide Bands noch nie. Doch keine Sorge – zum einen fügen sich "Nous sommes la guerre" und das ganz ähnlich gelagerte "Valleys of gloam" ganz hervorragend in den Albumfluss ein, zum anderen flankieren diese beiden Hook-Gewitter mit "Electric again" und "Is it in your darkness" derartige Rasereien, dass jegliche Befürchtungen, die Skandinavier könnten irgendwie verweichlichen, schnell ausgelöscht werden.

Nun waren Soilwork schon immer nicht gerade als stumpfsinnige Rabauken berüchtigt, doch diese neue Variabilität ist schon bemerkenswert. Bereits das eröffnende Titelstück begeistert durch sein Wechselspiel zwischen Härte und Hooks, während Strid im Refrain von "Vultures" zeigt, wie sehr er auch als Sänger gereift ist – solche Melodielinien waren auf früheren Alben bestenfalls in homöopathischen Dosen vorhanden. Mittlerweile fügen der seit seiner Schulzeit "Speed" genannte Frontmann und sein Co-Songwriter David Andersson diese Elemente wie in "Death, I hear you calling" so angst- wie schamfrei zusammen und lassen alles im großen Finale "On the wings of a goddess / Through flaming sheets of rain" kulminieren, wo zum Beispiel im Mittelteil plötzlich epische Riffs wie von einer Savatage-Platte auf rasend schnelle Blastbeats treffen – und erstaunlicherweise nicht von ihnen zermalmt werden.

Die neu gewonnene Bandbreite steht den Skandinaviern also ganz hervorragend zu Gesicht. Einzig die Spielzeit von mehr als einer Stunde könnte sich als des Guten ein wenig zu viel erweisen, gerade die eher konventionellen Stücke "Golgata" und "Harvest spine" rauschen arg schnell am Aufmerksamkeitszentrum vorbei. Bei genauerer Betrachtung allerdings entpuppen sich die Songs nicht nur als Wechselspiel zwischen den Stilen, sondern auch als eine Art Dialog zwischen den Songschreibern Strid und Andersson, die sich somit ein gegenseitiges Korrektiv aufbauen. Anstatt neue Härtegrade auszuloten, suchen Soilwork die Grenzüberschreitung im Zusammenfügen vermeintlich unvereinbarer Stile. Das bedeutet nicht, dass Soilwork plötzlich Popmusik machen oder dass The Night Flight Orchestra ihre Seventies-Huldigungen demnächst growlen. Sondern es heißt, dass die Skandinavier mit einem kleinen bisschen Eklektizismus ihre bislang stärkste, weil vielseitigste Platte präsentieren.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Övergivenheten
  • Nous sommes la guerre
  • Death, I hear you calling
  • On the wings of a goddess / Through flaming sheets of rain

Tracklist

  1. Övergivenheten
  2. Nous sommes la guerre
  3. Electric again
  4. Valleys of gloam
  5. Is it in your darkness
  6. Vultures
  7. Morgongáva / Stormfágel
  8. Death, I hear you calling
  9. This godless universe
  10. Dreams of nowhere
  11. The everlasting flame
  12. Golgata
  13. Harvest spine
  14. On the wings of a goddess / Through flaming sheets of rain
Gesamtspielzeit: 65:20 min

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Armin

2022-08-12 21:50:59- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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