Steve Lacy - Gemini rights

L-M / RCA
VÖ: 15.07.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ein Zoomer geht seinen Weg

Ob Billie Eilish, Olivia Rodrigo oder Lil Nas X: An mega-erfolgreichen musikalischen Wunderkindern mangelt es der Generation Z wahrlich nicht. Steve Lacy kann sich da ebenfalls dazuzählen, auch wenn sich der Kalifornier eher abseits des Rampenlichts aufhält. Als Gitarrist von The Internet trug er mit gerade einmal 15 Jahren bereits zu deren Grammy-nominiertem Album "Ego death" bei, während seine erste eigene, komplett übers iPhone aufgenommene EP so große Wellen schlug, dass er vor Erreichen der US-amerikanischen Volljährigkeit Feature- und Produktions-Credits für Kendrick Lamar, Solange, Blood Orange oder Vampire Weekend anhäufte. Nun, mit 24, hat sich Lacy also schon einen Namen als gefragter Session-Musiker und Produzent gemacht, obwohl er für seine Solo-Werke noch keinen Fuß in ein richtiges Studio gesetzt hat – bis jetzt. "Gemini rights", seine zweite Platte nach dem Laptop-Album "Apollo XXI", entstand so kollaborativ und professionell wie seine Arbeiten für größere Stars. Sein Signature Sound, der eine etwa von Prince und Stevie Wonder beeinflusste Retro-Ästhetik zeitgemäß entstaubt, blüht als rhythmisch vielschichtiger, weitflächig-warmer R'n'B-Pop auf – auch wenn der sonst die Dauergeilheit seines lilafarbenen Vorbilds kanalisierende Mann hier sein gebrochenes Herz zusammenflicken muss.

"I'm over boys", konstatiert der bisexuelle Lacy über den traurig perlenden Saiten und Tasten des Openers "Static": vertonter Frust über einen Ex, der sich lieber mit Drogen als mit seinem Partner beschäftigte. "You took me all around / Then treat me like a dog / And made me walk for miles", heißt es dazu passend im psychedelisch-düsteren Kopfnicker "Buttons". Solche Momente versehen den sommerlichen Vibe von "Gemini rights" jedoch bloß mit einer introspektiven Kontrastnote, sie untergraben ihn nicht. In "Helmet" findet Lacy familiären Halt bei den Gesangsharmonien seiner Schwestern, während ein saftiger Bass, funky Licks und der gleichsam vertrackte wie zugängliche Beat den Beziehungs-Blues hüftschwingend vom Hof jagen. Der Groove ist ebenso der Star von "Mercury": ein Bossa-Nova-Rhythmus, verstrahlte "Ba-ba-ba"s und Bläser formen einen außerirdisch klingenden Hit, der passenderweise als einziger Song des Albums das titelgebende Sternzeichen unter die Lupe nimmt. Stehen Zwillinge in der astrologischen Glaskugel für einen zwielichtigen Dualismus, hat Lacy weitaus mehr Persönlichkeiten anzubieten: "You think I'm two-faced / I can name 23 / My layers, all these sides."

Wieder auf dem Boden landet das melancholisch treibende "Bad habit", schlurft sich mit Bedroom-Pop-Riffs und gleißenden Synths ein Stück Soft-Rock zusammen, das auch stilistisch weniger offene Indie-Ohren goutieren können. In "Sunshine" holt sich Lacy indes die aus New Jersey stammende Sängerin Fousheé dazu, um mit ihr den melodischen Schlagabtausch zweier Ex-Lover zu performen, bis er seiner Gitarre ein samtweiches Solo entlockt. Ein weiteres Highlight, auch wenn besonders deutlich wird, dass im Vergleich zu seiner Duettpartnerin – oder auch dem ästhetisch vergleichbaren Dev Hynes – Lacys etwas generische Stimme noch nicht seinem musikalischen Talent entspricht. Was ihn freilich nicht davon abhält, sich gesanglich immer voll zu verausgaben, ob er nun per Falsett den Gospel-Soul von "Amber" umschmeichelt oder unter dem Ambient-Nebel von "Cody freestyle" mit fluidem Rap-Singsang den Vorzügen seiner alten Flamme hinterher trauert: "You was handsome, with a heavy dick / A cannon, you do damage." Wenn schließlich "Give you the world" als astreiner Schluss-Schmachter den Deckel draufmacht, wird endgültig klar, dass sich das Background-Genie auf dem besten Weg befindet, seine eigene charismatische Persona auszuleuchten. Allzu viele Schritte ist Steve Lacy nicht mehr davon entfernt, allen anderen die Show zu stehlen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mercury
  • Bad habit
  • Sunshine (feat. Fousheé)

Tracklist

  1. Static
  2. Helmet
  3. Mercury
  4. Buttons
  5. Bad habit
  6. 2gether (Enterlude) (feat. Matt Martians)
  7. Cody freestyle
  8. Amber
  9. Sunshine (feat. Fousheé)
  10. Give you the world
Gesamtspielzeit: 35:07 min

Im Forum kommentieren

edegeiler

2022-12-23 16:35:37

Das war also dieses Jahr der Hype? Also so spannend find ich es jetzt nicht, eher so LoFi Beats im Hintergrund. "Bad Habits" ist aber schon ein Hit, um den kam man nicht rum.

Armin

2022-08-05 20:02:37- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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